Präsident des Verfassungsschutzes:Besorgnis der Befangenheit

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Hans-Georg Maaßen, Chef des Bundesamts für Verfassungsschutz, steht wegen seiner Äußerungen zu Chemnitz in der Kritik.

(Foto: dpa)

Die Sonderstellung des Verfassungsschutzes erfordert ein klares rechtsstaatliches Bewusstsein seines Präsidenten. Wird Hans-Georg Maaßen diesem Anspruch gerecht?

Analyse von Heribert Prantl

Hans-Georg Maaßen stammt aus Rheindahlen, einem Stadtteil von Mönchengladbach. Vor drei Jahren hat er seinem Heimatblatt, dem Stadt- und Landboten Rheindahlen, ein Interview gegeben, das mit einem bemerkenswerten Satz endet. Beim Verfassungsschutz, so sagt der Präsident des Verfassungsschutzes da, "kann man das machen, was anderswo verboten ist". Was er damit genau meint, sagt er nicht. Aber Maaßen führt darauf die besondere Attraktivität des Verfassungsschutzes für Bewerber und Mitarbeiter zurück.

Maaßens Äußerung ist, vorsichtig gesagt, missverständlich; und sie offenbart womöglich ein merkwürdiges und fehlgeleitetes Amtsverständnis, das sich in jüngerer Zeit in vertraulichen Gesprächen mit AfD-Funktionären zeigt und in öffentlichen Bemerkungen über die ausländerfeindlichen Ausschreitungen in Chemnitz, die die AfD-Sichtweise darauf stützen. Der Verfassungsschutzpräsident hat bekanntlich erklärt, es lägen "keine Belege" für die Authentizität eines Videos vor, auf dem Rechtsextremisten in Chemnitz hinter Menschen herjagen.

Wenn dutzendfach der Hitlergruß gezeigt wird, dann ist das ein Alarmzeichen für den Verfassungsschutz

Der Präsident des Verfassungsschutzes hat keine Anhaltspunkte dafür genannt, wie er zu dieser Einschätzung kommt. Er hat geraunt - und sich mit diesem Raunen in die Arbeit, in die Kompetenzen der Staatsanwaltschaft eingemischt; er hat die laufenden Ermittlungen konterkariert.

Die Staatsanwaltschaft in Chemnitz führt 140 Ermittlungsverfahren wegen Straftaten gegen die öffentliche Ordnung und wegen sonstiger verfassungsfeindlicher Straftaten, darunter Volksverhetzung und das "Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen". So heißt das Zeigen des Hitlergrußes auf Juristisch. Wenn dutzendfach der Hitlergruß gezeigt wird, dann ist das nicht nur eine öffentliche Provokation - sondern ein Alarmzeichen für den Verfassungsschutz. Offenbar haben sich in Chemnitz unter der erhobenen Hand des Hitlergrußes AfD und Ultrarechte verbrüdert. Dem nachzugehen, gehört zu den Uraufgaben des Verfassungsschutzes. Ob und wie dies geschehen ist - das zu prüfen, gehört zu den Aufgaben der parlamentarischen Kontrollgremien.

Der Verfassungsschutz darf sich der sogenannten nachrichtendienstlichen Mittel bedienen - er darf heimlich observieren, er darf Tarnpapiere und Tarnkennzeichen verwenden, er darf klandestin die Telekommunikation und den Briefverkehr überwachen. Das sind, um die Verfassung und die freiheitliche Grundordnung zu schützen, die Mittel und Methoden, die "anderswo verboten" sind. Hat der Verfassungsschutz das im Zusammenhang mit dem Rechtsextremismus in Sachsen gemacht? Mit welchen Erkenntnissen und Ergebnissen?

Es ist problematisch, wenn man beim obersten Verfassungsschützer Befangenheit befürchten muss

Es gibt den Verdacht, dass Maaßen mit seinen Bemerkungen über das Video von Beobachtungsdefiziten ablenken wollte. Es wäre dies eine Amtspflichtverletzung. Der Verfassungsschutz steht, anders als Polizei und Justiz, nicht unter öffentlicher Kontrolle, weil er sonst seiner geheimen Arbeit nicht nachgehen könnte. Die Rechtsschutzgarantie des Grundgesetzes erstreckt sich also nicht auf die Aktionen der Geheimdienste. Das widerspricht eigentlich dem Wesen der Demokratie, die von der Transparenz und der guten Kontrolle der Staatsgewalten lebt.

Die parlamentarischen Kontrollgremien versuchen, die fehlende öffentliche Kontrolle des Geheimdienstes so gut es geht zu kompensieren. Die so beschriebene Sonderstellung des Bundesamts für Verfassungsschutzes erfordert aber auch ein außerordentlich klares rechtsstaatliches Bewusstsein seines Präsidenten - und eine große politische Unbefangenheit. Nur dann genießt die Behörde das Vertrauen der Öffentlichkeit.

Dafür zu sorgen, ist die Hauptaufgabe des Präsidenten. Das Vertrauen steht und fällt damit, ob die Behörde den Ruf der Objektivität hat oder nicht. Dass derzeit überhaupt über diesen Ruf diskutiert wird, hat mit dem Agieren und dem Reden des Verfassungsschutzpräsidenten im Zusammenhang mit AfD und Ultrarechten zu tun.

Auftrumpfender Habitus braucht als Basis Erfolge in der Aufklärung

Bei einem Richter führt die bloße Besorgnis der Befangenheit dazu, dass er ein laufendes Verfahren nicht mehr weiterführen kann. Es muss dabei gar nicht so sein, dass er wirklich voreingenommen und befangen ist; es reicht, wenn ein verständiger Beobachter dies befürchten könnte.

Beim obersten Verfassungsschützer ist es noch problematischer, wenn man Befangenheit befürchten muss. Man kann ihn nicht aus einem einzelnen Verfahren abziehen. Man muss ihn gegebenenfalls ganz abziehen. Er ist dann für sein Amt nicht mehr geeignet.

Maaßen gibt viele Interviews, sehr viel mehr, als dies alle seine Vorgänger getan haben. Das muss nicht per se schlecht sein. Merkwürdig ist aber manchmal, was er in diesen Gesprächen von sich gibt: Schon vor ein paar Jahren hat Maaßen sich über zu viel demokratische Kontrolle des Geheimdienstes beklagt. Bei seiner Vernehmung vor dem NSA-Untersuchungsausschuss schob er gar die Schuld an einem möglichen künftigen Anschlag mehr oder minder den Parlamentariern zu: Seine Leute und er, so klagte Maaßen, kämen bei all den Vorladungen ja kaum mehr zu ihrer Aufklärungsarbeit. Solch auftrumpfender Habitus braucht als Basis Erfolge bei der Aufklärungsarbeit. Die sind bislang nicht zu sehen - weder speziell in der Causa Chemnitz noch beim Rechtsextremismus überhaupt.

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