Präsident bei "Daily Show" und Gala-Dinner:Obamas Show-Abend verläuft #notoptimal

Bei einer Benefiz-Gala zeigen Obama und Romney ihre Manieren und finden sogar nette Worte füreinander. Der US-Präsident scherzt über sein Nickerchen während der ersten TV-Debatte und erklärt dem TV-Satiriker Jon Stewart, was bei der Aufklärung des Bengasi-Anschlags "nicht optimal" lief. Der Aufschrei der Konservativen kommt sofort.

Matthias Kolb, Washington

Die Erleichterung war Jon Stewart deutlich anzusehen. "Der Präsident hat sich entschlossen, an dieser Debatte teilzunehmen", frotzelte der Satiriker in seiner Sendung am Mittwoch und auf dem Bildschirm erschien in Großbuchstaben vor gelbem Hintergrund "NOW INCLUDING THE PRESIDENT". Dann illustrierte er Mitt Romneys Patzer im zweiten TV-Duell - der Republikaner war von Moderatorin Candy Crowley korrigiert worden, dass Obama am Tag nach dem Bengasi-Anschlag sehr wohl von einem "Terrorakt" gesprochen hatte - mit einer Szene aus dem Cartoon "Roadrunner": Der Kojote rast mit vollem Tempo gegen eine Felswand, auf die eine Tür gemalt wurde.

Dass der Late-Night-Komiker Stewart am 6. November nicht für Romney stimmen wird, weiß jeder, der Stewarts Auftritt im Stellvertreter-Duell gegen Fox-News-Moderator Bill O'Reilly verfolgt oder zuletzt eine Episode seiner "Daily Show" auf Comedy Central gesehen hat - jene spätabendliche Mischung aus Fake-Nachrichten, bissigen Pointen und Berichten über Amerikas alltäglichen Polit-Irrsinn.

Dennoch war der gestrige Auftritt in New York kein leichter Gang für US-Präsident Barack Obama. Wie bei den sechs vorherigen Besuchen musste der Demokrat seine Schlagfertigkeit beweisen. "Ich lege mir ein Sammelalbum zum Wahlkampf an", sagte Stewart zur Begrüßung. Leider wisse er nicht mehr, welches Foto der First Lady nach welcher Debatte aufgenommen wurde, erklärte Stewart und hielt Obama zwei Fotos hin: Auf einem schaut Michelle bitterböse, während sie auf dem zweiten breit lächelt. Der Kommentar des Präsidenten? "Reizend. Reizend, Jon."

Jon Stewart beschert Obama ein Problem

Stewart stellte einige Fragen, die die Wähler beschäftigen. Wie will es Obama schaffen, in einer zweiten Amtszeit die Blockade der Republikaner im Kongress zu überwinden? Die Antwort: Es müssten so viele Demokraten wie möglich gewählt werden. Rede er nicht zu negativ über Romney anstatt seine eigene Bilanz zu verteidigen? Obama widersprach und zählte seine Erfolge auf: Keine US-Soldaten mehr im Irak, Bin Laden tot, Autoindustrie gerettet, Krankenversicherung für Millionen. "Wenn es der Mittelklasse gutgeht, dann wächst auch die Wirtschaft", so Obama. Aber: Eine Stimme für ihn bedeute mehr Rechte für Homosexuelle und Frauen. Und so manche Wählerin dürfte bemerkt haben, dass Obama - gut sichtbar - ein pinkes Armband trug.

Allerdings hat Jon Stewart dem US-Präsidenten auch ein ziemliches Problem beschert. Der Gastgeber fragte nach dem Anschlag auf das US-Konsulat in Bengasi, bei dem Botschafter Chris Stevens und drei weitere Amerikaner getötet wurden. Offensichtlich gebe es Kommunikationsprobleme innerhalb der Regierung, so Stewart, und Obama müsse doch zugeben, dass das amerikanische Volk "nicht optimal" informiert worden sei.

Dass er Stewarts Worte in seiner Antwort wiederholt hat, dürfte der Präsident noch bereuen: "Wenn vier Amerikaner getötet werden, ist das nicht optimal. Wir werden das aufklären." Dass Obama versicherte, neue Informationen würden stets mit den Amerikanern geteilt und die Täter zur Rechenschaft gezogen werden, ging zumindest im Twitter-Universum unter. Kaum sind die Zitate von Obamas Interview von den Pool-Reportern an die Korrespondenten verschickt, schlagen die konservativen Blogger und Spin-Doktoren zurück.

Konservative zeigen Obama ihre Wut

Sie nutzen den Twitter-Hashtag #notoptimal, um ihre Wut auf Obama zu zeigen und andere Konservative im Schlussspurt vor der Wahl anzustacheln. "70 Millionen Amerikaner im Fernsehen über Bengasi zu belügen? Nicht optimal", schreibt Twitter-Nutzer Justen Charters. Ken Gardner textet: "Nicht optimal: 5,5 Billionen neue Schulden, 23 Millionen Arbeitslose, schrumpfende Löhne und kaum Wirtschaftswachstum". Und "AlexaShrugged" verweist auf frühere Internet-Hypes: "Sich an Big Bird und 'Aktenordner voller Frauen' klammern, wenn es um die Wiederwahl geht? Nicht optimal." Die schnelle Reaktion auf Obamas unglückliche Wortwahl zeigt, wie verbissen bei Twitter und Facebook um die Deutungshoheit gerungen wird - auch dies ein Merkmal des Wahlkampfs 2012.

Wenige Stunden nach der Aufzeichnung des Interviews mit Stewart traf Obama im Nobelhotel Waldorf Astoria vier Tage vor der letzten Debatte in Boca Raton auf seinen Herausforderer Mitt Romney. Wie in jedem Wahljahr waren die Spitzenkandidaten die Ehrengäste beim traditionellen "Al Smith Memorial Dinner", das seit 67 Jahren an den früheren New Yorker Gouverneur und ersten katholischen Präsidentschaftskandidaten erinnert und Spenden für dessen Stiftung sammelt. An diesem Abend kamen fünf Millionen Dollar zusammen.

Getrennt durch die Leibesfülle von Kardinal Timothy Dolan, dem Erzbischof von New York, zeigten Obama und Romney, dass sie gute Manieren haben und es schaffen, dem Widersacher nicht sofort ins Wort zu fallen. Die Tradition verlangt, dass die Kandidaten in kurzen Reden Witze über sich und den Gegner machen. Also legte Mitt Romney los. "Ich hatte gehofft, dass Joe Biden heute da ist, denn der lacht ja über alles", spottete er über den Vizepräsidenten. Obama und er hätten beide das Glück, dass sie eine Person hätten, bei der sie sich während des anstrengenden Wahlkampfs anlehnen könnten und die sie aufbaue: "Ich habe meine Ehefrau Ann und er hat Bill Clinton."

Die Kontrahenten finden nette Worte füreinander

Sein Tipp für eine gute Performance beim TV-Duell? "65 Jahre lang kein Alkohol", scherzte der Mormone. Er wolle der Presse nicht vorwerfen, dass sie voreingenommen berichte, doch er kenne schon die Schlagzeilen von morgen: "Obama von Katholiken umarmt, Romney speist mit reichen Leuten." Beide hätten verschiedene Jobs: "Meine Aufgabe ist es, eine positive Vision für Amerika zu entwickeln - und die Journalisten müssen dies verschweigen." Dass der Republikaner Obama für dessen "wundervolle Familie" und seine Rolle als Vater lobte, ist eine Ausnahme in einem Wahlkampf zweier Kandidaten, die ihre Verachtung füreinander nur selten überspielen.

Auch Obama fand nette Worte für den Familienmenschen Mitt Romney und sagte: "Es gibt wichtigere Dinge als Politik." Zu Beginn seiner Rede riet er den anwesenden Promis, die ihm brav applaudierten: "Setzt euch hin, sonst wird Clint Eastwood die Stühle anschreien." Es sei seltsam, dass Romney und er nicht in Ohio, Florida oder Virginia seien, wo die Wahl entschieden werde. Aber auch die New Yorker stünden vor einer schweren Wahl: "Ihr entscheidet, wer von uns beiden künftig den Verkehr in eurer Stadt aufhält."

Stolz verwies Obama darauf, dass die Arbeitslosigkeit nun so niedrig sei wie noch nie in seiner Amtszeit. Dann sprach er über die Debatten: "Ich war bei der zweiten TV-Debatte so aktiv, weil ich von dem Nickerchen bei der ersten Debatte gut ausgeruht war." Nun wisse er, dass einem am Hochzeitstag Schlimmeres passieren könne, als ein Geschenk zu vergessen. Er freue sich auf die letzte Debatte am Montag, bei der es um Außenpolitik gehe, so Obama. Gerade für Neulinge sei dies ja ein heikles Thema: Er erinnere sich noch gut daran, wie er nach seinen Auslandsreisen als Kandidat dafür kritisiert wurde, wie ein Popstar gefeiert worden zu sein. "Ich bin beeindruckt, wie gut es Gouverneur Romney gelungen ist, diesen Fehler zu vermeiden", spottete er über die Pannen-Reise des Republikaners.

Dieser Spruch war ebenso optimal wie das staatsmännische Schlusswort, dass es ihn optimistisch stimme, dass Vertreter beider Parteien mitten in einem hitzigen Wahlkampf zusammenkommen könnten, um eine gute Sache zu unterstützen. Doch eine unglückliche Formulierung von Jon Stewart, dem Helden des progressiven Amerikas, und eine Unachtsamkeit des Präsidenten sorgten dafür, dass dieser Tag mit zwei eigentlich wie geschaffenen Terminen für den glänzenden Rhetoriker Obama doch nicht so reibungslos lief, wie von seinen Beratern erhofft.

Linktipp: Der Auftritt von Barack Obama bei Jon Stewarts "The Daily Show" wird im Laufe des Freitags auf der Website der Sendung zu sehen sein. Die Auftritte von Mitt Romney und Obama beim Al Smith Memorial Dinner hat der TV-Sender C-Span mitgefilmt.

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