Präimplantationsdiagnostik:Zwischen Sonderregeln und Totalverbot

Die Präimplantationsdiagnostik spaltet das Parlament quer durch die Fraktionen. Die Befürworter präsentieren am Dienstag ihre Vorschläge - sie haben gute Chancen für eine Mehrheit.

Nina von Hardenberg

Wann beginnt das Leben, und welcher Schutz gebührt einem Embryo in den allerersten Tagen? Darf eine Frau sich bei der künstlichen Befruchtung das gesunde Embryo heraussuchen und die kranken verwerfen? Und kann sie andererseits überhaupt zur Unwissenheit über mögliche Schäden des Kindes gezwungen werden?

Jahresrückblick 2010 - PID

Bei der Präimplantationsdiagnostik (PID) werden im Reagenzglas befruchtete Eizellen außerhalb des Mutterleibes auf genetische Fehler untersucht und geschädigte Embryonen vernichtet. Die katholische Kirche hat sich wiederholt gegen eine Zulassung der PID ausgesprochen. Nun soll der Bundestag eine gesetzliche Regelung finden. Die Abbildungen zeigen die Entwicklung von Eizellen nach einer künstlichen Befruchtung.

(Foto: dpa)

Um diese Fragen geht es, wenn der Bundestag sich in den kommenden Wochen mit dem Thema Präimplantationsdiagnostik (PID) beschäftigt. Mit der Unterschungsmethode PID können Ärzte bei der künstlichen Befruchtung die Embryonen noch vor der Einpflanzung in den Mutterleib auf genetische Fehler testen. In Deutschland galt das bislang als verboten.

Im Juli aber urteilte der BGH überraschend, dass ein Arzt, der die Tests Paaren mit schweren Erbkrankheiten anbietet, sich nicht strafbar macht. Die Rechtslage sei in Deutschland nicht zweifelsfrei geklärt. Der Bundestag will nun ein Gesetz erarbeiten. Befürworter und Gegner der PID stehen sich unversöhnlich gegenüber, sie finden sich aber in allen Parteien, weshalb ohne Fraktionszwang abgestimmt werden soll. An diesem Dienstag will eine Gruppe von Befürwortern ihren Entwurf vorstellen. Daneben wird es einen Antrag auf Verbot und auf eng begrenzte Zulassung geben.

Im Wesentlichen gibt es im Parlament drei Positionen zur PID. Lesen Sie auf den nächsten Seiten, welche Abgeordneten wo stehen und welche Anträge sie in das Parlament einbringen wollen.

Ethikkommission soll entscheiden

Die Präimplantationsdiagnostik soll grundsätzlich verboten bleiben, das sagen selbst Befürworter dieses Tests. Auch sie wollen nicht, dass bei der künstlichen Befruchtung automatisch nach möglichen Schäden des Erbguts gefahndet wird. Paare aber, die an einer Erbkrankheit leiden, und für deren Kinder deshalb eine "hohe Wahrscheinlichkeit für eine schwerwiegende Erbkrankheit" besteht, sollen von diesem Verbot ausgenommen werden.

Gleiches gilt für Frauen, die befürchten müssen, dass sie eine Fehl- oder Totgeburt erleiden werden, heißt es in einem Gesetzesentwurf, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Der Antrag wird unter anderem vom parlamentarischen Staatssekretär Peter Hintze (CDU), der FDP-Fraktionsvize Ulrike Flach und der Vorsitzenden des Gesundheitsausschusses, Carola Reimann (SPD) eingebracht und soll an diesem Dienstag in Berlin vorgestellt werden.

Die Abgeordneten begründen ihr Eintreten für die PID auch mit der widersprüchlichen Gesetzeslage. So dürfen Frauen schon heute ein krankes Kind abtreiben, aber sie dürfen den Embryo nicht vor der Einpflanzung untersuchen. Sie fände es "unmenschlich", Frauen in diesen Konflikt laufen zu lassen, sagt Reimann.

Die Abgeordneten wollen aber keine Liste von Krankheiten vorgeben, bei denen die PID zulässig ist. Vielmehr soll eine Ethikkommission über jeden Fall entscheidet. Die PID darf nur in lizenzierten Zentren angeboten werden und wird an eine medizinische und psychologische Beratung und an die schriftliche Einwilligung der Mutter geknüpft. Die Untersuchungen sollen anonymisiert dokumentiert werden. Die Bundesregierung wird verpflichtet, über den Umgang mit der PID zu berichten. Dem Antrag werden im Parlament gute Chancen zugerechnet, da sich auch prominente konservative Politiker für eine begrenzte Zulassung der PID ausgesprochen haben.

Keine Selektion von Leben

"Eine Gesellschaft in der der Staat darüber entscheidet, oder andere darüber entscheiden lässt, welches Leben gelebt werden darf und welches nicht, verliert ihre Menschlichkeit", heißt es in einem Eckpunktepapier der Gegner der PID. Einen Gesetzesentwurf hat die Gruppe um Unionsfraktionsvize Johannes Singhammer (CSU), SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles und Grünen-Gesundheitsexpertin Birgitt Bender noch nicht vorgelegt, aber ihr Ziel ist bereits klar: Sie wollen verhindern, dass sich die PID in Deutschland etabliert, nachdem der BGH sie im Juli in bestimmten Fällen für straffrei erklärt hat.

Die Gegner der PID, zu denen auch Kanzlerin Angela Merkel zählt, eint die Sorge, dass sich die Untersuchung nicht auf schwere Einzelfälle begrenzen lässt, sondern dass sie nach und nach immer selbstverständlicher angeboten wird. Dadurch könnte auch der Druck auf Paare mit Erbkrankheiten wachsen, sich der künstlichen Befruchtung mit PID zu unterziehen - eine belastende und oft vergebliche Prozedur. Nur jede fünfte Frau bekommt nach der PID ein Kind. Gleichzeitig könnte "eine gesetzlich legitimierte Selektion vor Beginn der Schwangerschaft" die Einstellungen in Deutschland verändern, so die Sorge.

Behinderte Menschen könnten diskriminiert werden. Obwohl sie das Leid der Paare, die Tod- und Fehlgeburten erlebt haben, anerkennen, plädiert die Gruppe deshalb für ein umfassendes PID-Verbot, weil sie sich dem Schutz des neu gezeugten Lebens verpflichtet sehen: "Jedes menschliche Leben enthält an sich und in sich bereits seinen vollen, unverfügbaren und eigenständigen Wert."

Der Antrag dürfte nach Einschätzung von Abgeordneten im Parlament aber keine Mehrheit finden, nachdem selbst die CDU, die traditionell als Lebensschutz-Partei auftritt, auf ihrem Parteitag nur mit knapper Mehrheit für ein PID-Verbot stimmte.

Totgeburten verhindern

Die Grünen-Abgeordnete Priska Hinz hat lange mit sich gerungen, ob sie den Gesetzesentwurf der Hintze-Flach-Gruppe für eine Zulassung der PID mittragen kann. Am Ende aber überwogen die Zweifel. "Der Begriff schwerwiegende Erbkrankheit ist mir zu vage", sagte sie vergangene Woche, und dass sie nun zusammen mit dem SPD-Ethikexperten René Röspel an einem dritten Entwurf sitze, der die PID in noch engeren Grenzen zulassen soll. Es geht um Paare, die Fehl- oder Totgeburten erwarten müssen oder deren Kinder mit hoher Wahrscheinlichkeit im ersten Jahr sterben würden.

Ihr Antrag sei ein Angebot an alle Parlamentarier, die glauben, "dass ein Verbot nicht richtig ist, aber die das Fenster auch nicht zu weit aufmachen wollen", sagt Röspel. Der Entwurf gilt bislang als Außenseiterposition, allerdings auch, weil die Abgeordneten noch wenig für ihre Position geworben haben. Röspel ist optimistisch, dass sich viele für diese eng begrenzte Zulassung aussprechen werden.

Der Antrag soll verhindern, dass mit der PID auch nach Krankheiten gefahndet wird, die möglicherweise erst spät im Leben oder nur zu einer bestimmten Wahrscheinlichkeit auftreten, oder für die es Behandlungsmöglichkeiten gibt. In Frankreich etwa habe man die Mukoviszidose in die Liste aufgenommen, eine angeborene Stoffwechselerkrankung, mit der Patienten heute Dank besserer Therapie lange leben können.

"Der Vorschlag von Hintze und Flach geht mir viel zu weit", sagt Röspel. Im Zweifel würde er eher für ein Verbot stimmen, sollte sich sein Antrag nicht durchsetzen. Unklar ist aber bislang, ob es überhaupt eine zweite Abstimmung geben wird, wenn kein Antrag auf Anhieb die Mehrheit bekommt. Die Fraktionen müssen sich noch auf ein parlamentarisches Verfahren einigen. Denkbar wäre auch, dass gar kein Gesetz kommt, wenn kein Entwurf eine Mehrheit findet.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: