PR-Strategie:Grüne wollen von Kretschmann das Siegen lernen

Michael Kellner

Grünen-Geschäftsführer Michael Kellner legt die Geschicke seiner Partei erstmals in die Hände einer neuen Agentur.

(Foto: Ingo Kuzia)
  • Als Winfried Kretschmann im März zum zweiten Mal Ministerpräsident in Baden-Württemberg wurde, wollte plötzlich jeder Grüne ein kleiner Kretschmann sein.
  • Nun bereitet sich die Partei auf den Bundestagswahlkampf vor - und setzt für die anstehende Kampagne erstmals seit vielen Jahren auf eine neue Werbeagentur.
  • Zwei der führenden Mitglieder dieser Agentur kommen aus Kretschmanns Wahlkampf-Truppe.

Von Stefan Braun, Berlin

Es ist für die Grünen der bisher größte Triumph gewesen. 30,3 Prozent - das war das beste Ergebnis, das sie bei einer Landtagswahl je erreicht haben. Als Winfried Kretschmann im Frühjahr zum zweiten Mal Ministerpräsident in Baden-Württemberg wurde, wollte plötzlich jeder Grüne ein kleiner Kretschmann sein, von Flensburg bis Konstanz.

Das hat sich schnell wieder gegeben. Die Grünen wären nicht die Grünen, wenn sie ohne Streit leben könnten. Zuvorderst ist das Duell Kretschmanns mit Jürgen Trittin wieder im Gange. Seit die Parteispitze überlegt, auch im nächsten Wahlprogramm eine Vermögensteuer zu verankern, haben die beiden größten Widersacher Position bezogen. Unversöhnliche Positionen, versteht sich.

Angesichts dessen dürfte es in der Partei auf Interesse stoßen, wie sich die Berliner Parteizentrale auf den Bundestagswahlkampf vorbereitet. Gemeint ist vor allem: Auf welche Agentur sie beim Ziel Wahlsieg 2017 setzen wird. Über viele Jahre war es die Hamburger Werbeagentur "Zum goldenen Hirschen", die für die Partei die Kampagnen entwerfen durfte. Insbesondere deren Berliner Büro mit dem ehemaligen Vize-Regierungssprecher Hans-Hermann Langguth an der Spitze hatte quasi ein Abo auf diesen Auftrag.

Die neue Agentur heißt ZBA. Das steht für Ziemlich Beste Antworten

Michael Kellner aber, der Bundesgeschäftsführer, hat sich nun für etwas Neues entschieden. Die Partei wird sich auf eine Agentur stützen, die sich nur für diesen einen Zweck gründet: den Wahlkampf 2017. Sie hat sich den Namen ZBA gegeben, was so viel heißen soll wie: Ziemlich Beste Antworten. Ihre Mitglieder arbeiten normalerweise in anderen Agenturen. Bis September 2017 aber werden sie nur eines versuchen: Grüne Themen so unter die Leute zu bringen, damit möglichst viele Menschen ihre Stimme am Wahltag den Grünen geben. Der Maßstab laut Kellner: Es sollen "satte Zuwächse" werden verglichen mit 2013. Damals erreichten die Grünen 8,4 Prozent. Deutlich höher ist das Ziel, das Kellner der Agentur gesteckt hat.

Bemerkenswert ist freilich nicht der Optimismus; ohne den sollte keine Agentur und kein Geschäftsführer antreten. Interessant ist, wer die prägenden Leute sein werden. Womit man wieder bei Kretschmann, dem Wahlsieger, wäre. Denn zwei der bisher vier führenden Mitstreiter kommen aus seiner Truppe. Matthias Riegel war der wichtigste Ideengeber in Kretschmanns Kampagne; und Maike Gosch war im Südwesten verantwortlich für die Geschichte, die rund um Kretschmann erzählt wurde. "Menschlich und mutig handeln" - derlei Botschaften dürften nicht zuletzt auf diese beiden zurückgehen. Ergänzt wird die Truppe noch von Nicolas Schwendemann, der im Frühjahr die Grünen in Sachsen-Anhalt beraten hat.

Kretschmanns Eigenlob aus dem Wahlkampf wirkt nicht mehr so sauber

Von Kretschmann siegen lernen? Natürlich schwingt das mit bei der Entscheidung, erstmals seit zwei Jahrzehnten nicht mehr auf die "Hirschen" zu setzen. Hinzu kommt allerdings auch die Erwartung, dass anders als früher eine Agentur allein für eine Partei gar nicht mehr alles regeln, nicht mehr auf alles reagieren könne. Auch deshalb gefällt Kellner das Konzept einer Auf-Zeit-Agentur: Sie wirkt auf ihn flexibler, falls sich in der heißen Phase noch mal alle Themen plötzlich ändern.

Probleme sind freilich auch dann nicht ausgeschlossen. Das erleben selbst die Sieger von Stuttgart. Kretschmann warb für sich auch mit der Botschaft "Regieren ist eine Stilfrage". Das klang gut, wirkte selbstbewusst. Doch seit bekannt wurde, dass die neue grün-schwarze Koalition viele Fragen bis ins Detail in Nebenabsprachen geklärt hat, wirkt das Lob auf den eigenen Stil nicht mehr ganz so sauber und transparent, wie es gedacht war.

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