Süddeutsche Zeitung

PR-Schlacht um Afghanistan:Taliban gewinnen den Krieg der Worte

Die Taliban kehrten zurück - und seitdem gibt es einen Propaganda-Krieg um die Herzen und Köpfe der Afghanen. Dabei sind die Islamisten im Vorteil.

Wolfgang Jaschensky

Die Stimme des Dschihad ist schrill und eifrig. "Gotteskrieger töten fünf US-Soldaten in Helmand", "Explosion tötet drei afghanische Soldaten in Khost." Zwei von vier Meldungen, die die Taliban allein an diesem Donnerstag in alle Welt verbreiten.

In Minutenschnelle reagieren die Taliban auf ihrer Website auf alles, was ihren Zwecken dient, interpretieren es oder erfinden gleich ihre eigene Wahrheit.

Die offizielle Taliban-Website Stimme des Dschihad ist dafür nur ein Kanal unter vielen. Die Taliban haben in Afghanistan einen Propaganda-Apparat aufgebaut, den hinter vorgehaltener Hand sogar Nato-Mitarbeiter als "äußerst effektiv" bezeichnen. Längst haben auch die radikalen Islamisten erkannt, dass der Krieg in Afghanistan nicht nur mit Waffen entschieden wird.

Seit der Rückkehr der Taliban nach Afghanistan tobt zwischen dem Westen und den radikalen Islamisten ein immer perfiderer Krieg der Worte. Es ist ein Kampf um die Herzen und Köpfe der afghanischen Bevölkerung, der auch darüber entscheiden wird, ob die Isaf-Mission zu einem Erfolg wird oder ob die Taliban am Ende die Oberhand behalten. Und es ist ein Kampf um die Stimmung im Ausland - vor allem in den Ländern, die die Isaf-Mission personell und finanziell unterstützen.

Die International Crisis Group, ein führender Sicherheitspolitik-Think-Tank, untersuchte bereits 2008 in der Studie "Taliban Propaganda: Winning the War of Words" die Strategie der Taliban. Das Fazit: Die Taliban nutzen die Fehler der Regierung in Kabul und der Alliierten erfolgreich aus und schwächen die öffentliche Unterstützung für den Aufbau des Landes.

"Seit wir die Studie veröffentlicht haben, ist das Propaganda-Netzwerk der Taliban noch dichter geworden", sagte Candace Rondeaux, Analystin der International Crisis Group in Kabul zu sueddeutsche.de. "Immer mehr Attentate der Taliban oder Angriffe der Isaf verbreiten die Taliban sofort in entlegene afghanische Dörfer und rund um den Globus."

Die Taliban haben in dem Kampf strategisch gleich mehrere Vorteile. Jeder durch Nato-Truppen getötete afghanische Zivilist bietet Aufständischen genauso Material für ihre Propaganda-Maschine wie ein erfolgreicher Anschlag auf die Nato-Truppen, die die Taliban als "Besatzer" bezeichnen. Für die Nato ist beides ein Fiasko: Tote Zivilisten oder tote Soldaten schaden dem Ruf der Mission in Afghanistan wie im Ausland.

Der zweite große Vorteil der Taliban: Mit der Wahrheit müssen sie es nicht genau nehmen. Während die Isaf-Abteilung für die Öffentlichkeitsarbeit noch damit beschäftigt ist, die Hintergründe eines Anschlags oder die Folgen eines Angriffs zu recherchieren, haben die Taliban ihre Nachricht längst mit dem gewünschten Tenor verbreitet.

Das Problem hat die Nato längst erkannt. "Im Propagandakrieg muss man schnell reagieren. Man darf keine Mitteilung herausgeben, in der es heißt: 'Wir untersuchen erst alle Fakten, bevor wir uns äußern'", sagt Bruce Riedel, der für US-Präsident Barack Obama federführend die neue Strategie für Afghanistan und Pakistan vorbereitet hat. Andererseits kann es sich die Nato nicht leisten, ständig falsche Zahlen herauszugeben.

Das scheint die Stimme des Dschihad überhaupt nicht zu stören. Die beiden Talibansprecher Zabihullah Mujahid und Qari Yusouf Ahmadi vermelden auf der Seite in drei Tagen mehr getötete Nato-Soldaten als die offiziellen Statistiken in einem Monat.

Während der Internetauftritt der Islamisten, der in fünf Sprachen erscheint, vor allem für die Kommunikation nach außen dient, haben die Taliban in Afghanistan ein ausgeklügeltes Kommunikationssystem zur Verbreitung ihrer Botschaften ausgebaut.

Auf Straßenmärkten verteilen die Islamisten billig produzierte DVDs, die angeblich von Alliierten zerbombte Dörfer zeigen, verschenken Kassetten mit Taliban-Liedern und Propaganda-Texten und senden ihre Botschaften über Ultrakurzwelle an Radios im halben Land. "Sie wollen den Eindruck vermitteln, dass ihre Bewegung im ganzen Land aktiv sein kann", sagte General Stanley McChrystal, Oberkommandierender der US-Truppen, in einem Interview mit der Bild-Zeitung.

Außerdem sorgen sich die Taliban zunehmen um ihr Image und bemühen sich um Rückhalt in der Bevölkerung. Im vergangenen Jahr verteilte Mullah Omar einen ausführlichen Verhaltenskodex an seine Kämpfer. Darin führt der Chef-Taliban aus, wie sich die Gotteskrieger benehmen sollen. Die Anweisungen reichen von Banalitäten (Rauchen ist streng verboten) bis hin zu Anweisungen, Zivilisten bei Selbstmordattentaten zu verschonen und Verstümmelungen wie das Abschneiden von Ohren oder Zunge zu unterlassen.

Ausführlich legt der Kodex dar, wie sich die Taliban im Umgang mit der Bevölkerung verhalten sollen. Diskriminierung aufgrund von Stammeszugehörigkeit, ethnischer oder geographischer Herkunft sollen unterbleiben. Die Kämpfer sollen sogar ihr Äußeres den Gepflogenheiten der jeweiligen Region anpassen.

40.000 Isaf-Fans auf Facebook

Experten bezweifeln, dass Omars Kodex zu allen Aufständischen durchdringt und befolgt wird. Auch ist der Erfolg der Taliban-Kommunikation schwer zu messen. Im Nato-Hauptquartier in Brüssel tröstet man sich damit, dass Umfragen nach wie vor breite Unterstützung für den Einsatz unter der afghanischen Bevölkerung messen. "Die Menschen in Afghanistan sind nicht dumm, die merken, welches Spiel die Taliban spielen", sagte ein Nato-Sprecher zu sueddeutsche.de. Doch die Propaganda-Offensive der Taliban wird längst als Bedrohung wahrgenommen.

Die Nato verstärkte inzwischen ihre Bemühungen, die Propaganda der Taliban zu kontern. So wird mehr Geld in die eigenen Radiostationen investiert, Kurbelradios werden verteilt, damit Sender wie "Radio Stimme Freiheit" auch empfangen werden können. Journalisten aus aller Welt und aus Afghanistan werden eingeladen. Die Kommunikation mit Stammesführern und Dorfältesten wird intensiviert, Freitagspredigten von einflussreichen Mullahs werden überwacht. Und natürlich wird das Internet genutzt.

"Der Westen hat zuletzt eine Menge Geld in die Kommunikation investiert. Jetzt muss man abwarten, ob das Geld den Erfolg bringt", sagt Crisis-Group-Expertin Rondeaux.

Einen Erfolg vermeldetete jüngst die Facebook-Seite der Isaf. Eine Kampagne, mehr als 40.000 User als Fans der Isaf zu gewinnen, war erfolgreich. Die Taliban dürfte das wenig beeindrucken.

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