Süddeutsche Zeitung

PR-Experte Michael Spreng:"Merkel ist die wahre Verliererin"

Kommt Guttenbergs Rücktritt zu spät? Polit-PR-Profi Michael Spreng analysiert im Gespräch mit sueddeutsche.de das schlechte Krisenmanagement des Ministers und erklärt, wieso er ein Comeback für unmöglich hält.

Oliver Das Gupta

Michael Spreng, Jahrgang 1948, war unter anderem Chefredakteur von Bild am Sonntag und managte 2002 den Wahlkampf des damaligen Unions-Kanzlerkandidaten Edmund Stoiber. Heute arbeitet er als Kolumnist und führt seinen Blog Sprengsatz.

sueddeutsche.de: Herr Spreng, war das ein gutgemachter Abgang von Karl-Theodor zu Guttenberg?

Michael Spreng: Unter allen seinen fehlerhaften Erklärungen war die Rücktrittserklärung noch die beste.

sueddeutsche.de: Wieso?

Spreng: Guttenberg hat viel Selbstkritik gezeigt - durch Sätze wie: "Ich kann kein Mitleid erwarten, ich kann keinen Respekt erwarten." Er hat eingeräumt, seinen eigenen Ansprüchen nicht zu genügen ...

sueddeutsche.de: ... Demut als zentrales Signal?

Spreng: Ja, nur kam die Demut in diesem Fall hinter dem Fall. Sie kam zu spät.

sueddeutsche.de: Guttenberg sagt, die Entscheidung habe reifen müssen, und es sei eine "Frage des Anstandes" gewesen, die zuletzt in Afghanistan gefallenen Soldaten erst zu Grabe zu tragen. Ist das glaubhaft?

Spreng: Mir sträuben sich die Nackenhaare, wenn ein persönliches Fehlverhalten verquickt wird mit dem schrecklichen Schicksal der Soldaten in Afghanistan. Da werden Dinge vermischt, die nichts miteinander zu tun haben, die in ihrer Dimension ganz unterschiedlich sind. Diese Passage hat mich befremdet. Die entscheidenden Punkte für Guttenbergs Rücktritt waren offensichtlich andere: der massive Druck der Wissenschaft, das Abbröckeln der Solidarität der CDU.

sueddeutsche.de: Ist dieser Minister an seinem Krisenmanagement gescheitert?

Spreng: Es war rundum katastrophal - erst seine Salami-Taktik, alles nur scheibchenweise zuzugeben, und dann auch noch den richtigen Zeitpunkt für einen Abgang zu versäumen.

sueddeutsche.de: Sehen Sie eine Chance auf ein Comeback?

Spreng: Ich sehe momentan keine Perspektive für eine Rückkehr in verantwortliche Ämter. Erstens: Guttenberg ist nicht zurückgetreten - er wurde zurückgetreten. Den Zeitpunkt für einen ehrenwerten Rückzug hat er verpasst. Zweitens: Guttenberg ist außerordentlich beschädigt, daran ändert auch seine Millionen-Fangemeinde nichts. Ich kann mich täuschen, aber diese Affäre hat er so schlecht gemanagt, er hat so viel Glaubwürdigkeits- und Ehrverlust erlitten, dass die Basis für einen Wiederaufstieg fehlt.

sueddeutsche.de: Aber denken Sie an die Bonusmeilen-Flieger Gregor Gysi und Cem Özdemir, an die Spiegel-Affäre von Franz Josef Strauß - alle kamen zurück.

Spreng: Strauß war ein Sonderfall außerhalb der klassischen Spielregeln der Politik. Und die anderen genannten Fälle waren Petitessen im Vergleich zur Causa Guttenberg.

sueddeutsche.de: Guttenberg dankte in seiner Rücktrittserklärung der "großen Mehrheit der deutschen Bevölkerung" und sagte - angeblich "für einen Politiker ungewöhnlich" -, er habe "die Grenzen meiner Kräfte erreicht". Versucht er da schon Legendenbildung?

Spreng: Es stimmt ja: Er hat die Grenzen seiner Kraft erreicht. Es ist keineswegs an der Zeit für Heldenlegenden.

sueddeutsche.de: Wie sehr hat Guttenberg die Bundesregierung beschädigt?

Spreng: Die Kanzlerin ist die eigentliche Verliererin. Angela Merkel ist schwer angeschlagen, die Union büßt Glaubwürdigkeit ein. Der Fall Guttenberg belastet die anstehenden Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt schwer. Der späte Rückzug hat die Chancen der Union sogar doppelt verschlechtert: Guttenbergs Anhänger sind enttäuscht über den Rücktritt - und Guttenbergs Kritiker darüber, wie sich das hingezogen hat. Das Missmanagement der Affäre dürfte dazu führen, dass die Union ihre Anhänger nur schwer mobilisieren kann.

sueddeutsche.de: Ihr Rat als Medienfachmann an CDU und CSU: Wie kann sich die Union aus dieser Lage überhaupt noch retten?

Spreng: Die CSU hat das Glück, keine Wahl vor der Tür zu haben. Und die Kanzlerin müsste einen Befreiungsschlag wagen - eine große Kabinettsumbildung, mit überzeugenden neuen Namen. Aber ob sie den Mut dazu hat? Ich bin skeptisch.

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