Süddeutsche Zeitung

PR-Desaster für Republikaner:Romneys Lästerstunde

Als Nichtsnutze und Sozialschnorrer hat Mitt Romney fast die Hälfte seiner Landsleute bezeichnet. Damit präsentiert sich der Republikaner als der kalte Profit-Maximierer, als den ihn die Demokraten seit Monaten hinstellen. Jetzt kann er sich nur noch selbst helfen.

Christian Wernicke

Mitt Romney will nächster Präsident der Vereinigten Staaten werden. Warum? Das hat der Republikaner seinen Landsleuten bis heute nie zu erklären vermocht - obwohl er eigentlich seit fünf Jahren, seit Beginn seines ersten Anlaufs anno 2007, von nichts anderem redet. Nun endlich kommt das Land der Wahrheit näher.

Heimlich aufgenommene Videos zeigen den Aspiranten beim unverblümten Polit-Schwatz mit seinesgleichen. Und dabei stellt sich Romney als ein Kandidat vor, der nur Amerikas bessere, weil reichere Hälfte zu neuen Ufern führen will. Fast die Hälfte, exakt 47 Prozent seiner Landsleute, hat er abgeschrieben. Als Nichtsnutze und Sozialschnorrer.

Diese Bilder, diese Zitate kriegt Romney so schnell nicht aus der Welt. Schon gar nicht mit dem läppischen Hinweis, er habe seinerzeit unvorbereitet und "aus dem Handgelenk" geantwortet. Genau das ist ja sein Problem.

Schon zuvor haftete Romney, dem früheren Hedgefonds-Manager und 250-fachen Millionär, das Image eines kalten Profit-Maximierers an, der die Sorgen und Existenzängste der kleinen Leute schlicht nicht begreift. Und die grobkörnigen TV-Spots der Demokraten haben Romney seit Monaten als typische "Heuschrecke" karikiert, als Brutalo-Kapitalisten, der Arbeitsplätze vernichtet oder rücksichtslos in Billiglohnländer exportiert.

Indem Romney nun spottet, um all die Obama-Wähler mit Opfermentalität und Anspruchsdenken mache er sich "keine Gedanken", bestätigt er exakt das widerwärtige Zerrbild, das seine Gegner von ihm gezeichnet haben. Genau so, wie Romney in Florida beim trauten Spendendinner (Gedeckpreis: 50.000 Dollar) schwadronierte, stellt sich der Durchschnittsamerikaner die Stimmung vor, wenn Millionäre mal ganz unter sich ablästern.

Sicher, auch anderen Kandidaten ist in vermeintlich trauter Atmosphäre schon mal der Mund übergelaufen. Barack Obama zum Beispiel plauderte vor vier Jahren in Hollywood abfällig über all die weißen Malocher, die sich verzweifelt "an Waffen oder an Religion klammern". Das verfolgt den Demokraten bis heute, nur jeder dritte weiße Arbeiter in Ohio, Pennsylvania oder Wisconsin will den Präsidenten wiederwählen.

Nur, Romneys verbale Schnitzer drohen tiefere Spuren zu hinterlassen: Schon zuvor galt der einst moderate Gouverneur von Massachusetts als nach rechts gewendeter Opportunist, drei Fünftel seiner Landsleute halten ihn für einen Mann, der statt der Wahrheit lieber sagt, was die Menschen eben hören wollen. Selbst wenn sich Romney also entschuldigen sollte - man wird ihm die Reue nicht abnehmen.

Dennoch, entschieden ist die Wahl noch nicht. Romney bleiben noch drei Chancen: Dreimal darf er im Oktober zum Fernsehduell gegen Barack Obama antreten. Romney muss hoffen, dass viele Wähler erst dann genau hinschauen und zuhören. Aber er steht nun einsam da. Keine rührende Rede seiner Ehefrau, keine Millionenspende kann ihn mehr retten. Er muss sich selbst helfen. Oder er zählt bald zu denen, die er so verachtet - zu den Verlierern.

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SZ vom 19.09.2012/mkoh
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