Potsdam:Ärger in Roben

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Zum Wohl des ländlichen Raums will Brandenburg Gerichte umsiedeln. Dagegen gehen Richter auf die Straße.

Von Jan Heidtmann

Hilde Fuhrmann ist eine freundliche, aber durchaus resolute Frau. Dass sie ihren Widerwillen nun auf die Straße trägt, das ist auch für sie "etwas Besonderes". Fuhrmann, 60, ist Richterin und Direktorin am Arbeitsgericht in Potsdam. In dieser Woche protestierte sie gemeinsam mit ein paar Kolleginnen und Kollegen vor dem Brandenburgischen Landtag, dabei ganz in ihre schwarze Robe gewandt. Denn was gerade geschehe, "das ist Irrsinn", sagt sie.

Die Roben-Demo war der vorläufige Höhepunkt einer heftigen Auseinandersetzung zwischen der Landesregierung in Brandenburg und den Arbeitsgerichten. Da die Fälle dort zurückgehen, sollen die bisher sechs Standorte im Land auf vier zusammengestrichen werden; zugleich will die rot-schwarz-grüne Koalition Behörden in die Randregionen verlagern und so das platte Land stärken.

Der Ärger entzündet sich vor allem am Standort Potsdam mit seinen sechs Richtern, der bis Januar 2023 abgewickelt werden soll. Jahr für Jahr werden hier weit über 2000 Fälle verhandelt, "in Potsdam brummt es gerade", sagt Fuhrmann. Selbst die Regierung räumt ein, dass die Zahl der Fälle hier im Gegensatz zu den anderen Gerichtsorten zugenommen hat. Um fünf Prozent sagt die Regierung, um 13 Prozent, heißt es am Arbeitsgericht. Und für die nächsten Jahre wird mit mehr als 10 000 neuen Arbeitsplätzen in der Region gerechnet. Die Schließung sei deshalb "reine Symbolpolitik", meint Fuhrmann. So könnten die Abgeordneten in ihren Wahlkreisen sagen, sie täten etwas für den ländlichen Raum.

Nun rufen Richter bei Veränderungen selten als erste "Hier!", schon von Amts wegen. Aber Potsdam wäre nach der Reform nicht nur die einzige Landeshauptstadt in Deutschland, die kein eigenes Arbeitsgericht hätte. Wegen der vielen Unternehmen werden hier auch die meisten Streitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern in Brandenburg verhandelt. Nicht nur die Richter, auch Rechtsanwälte und Gewerkschaften befürchten so einen veritablen "Prozesstourismus" in die rund 70 Straßenkilometer entfernte Stadt Brandenburg an der Havel. Dorthin soll das Gericht verlegt werden.

Denn Arbeitsgerichtsverfahren haben so ihre Eigenarten, weshalb die Streitparteien häufiger persönlich anwesend sein müssen. Dazu gehören zum Beispiel die Güteverhandlungen vor dem eigentlichen Prozess. Zugleich sei "die Arbeitsgerichtsbarkeit das 'Speedboat' der Justiz", meint Frank Engelmann, Präsident der Brandenburgischen Rechtsanwaltskammer. Arbeitnehmer und Firmen sollen schnell Klarheit bekommen. "Wir sind Gerichte, die nah am Menschen sind. Hier kommen die Leute vorbei", sagt Richterin Fuhrmann. "Das kann man nicht in der Peripherie erledigen."

An diesem Donnerstag hat der Rechtsausschuss des Brandenburger Landtages die Reform durchgewunken, Ende Mai werden die Abgeordneten darüber abstimmen. Dem weiteren Protest von Frau Fuhrmann sind jedoch enge Grenzen gesetzt. Als Richterin darf sie sich politisch kaum engagieren, gegen zwei ihrer Kollegen liefen bereits Disziplinarmaßnahmen. Ihren Auftritt bei der Demonstration deutet sie deshalb lieber so: "Das läuft noch unter Austausch von Argumenten."

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