So langsam fällt es schwer, dieser Bundesregierung noch ein Wort zu glauben, wenn einer ihrer Vertreter das Wort "Prism" in den Mund nimmt. Da will weder jemand im Bundesnachrichtendienst, noch im Kanzleramt, noch im Verteidigungs- oder Innenministerium etwas von einem US-Totalüberwachungsprogramm namens Prism gehört und gesehen haben. Und dann taucht da plötzlich doch ein Nato-Befehl auf, in dem die Empfänger aufgefordert werden, Abhöranfragen in ein Prism-Programm einzugeben.
Am Dienstag mühten sich zwar Regierungssprecher Steffen Seibert und der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Stefan Paris, die Irrelevanz dieser Information klarzumachen. Nur US-amerikanische Befugte hätten Zugriff auf dieses Prism. Deutsche nicht. Außerdem sei es ausschließlich um Informationen gegangen, die für die Sicherheit der Soldaten im Einsatz bedeutsam seien.
So weit, so gut.
Aber warum nur haben sie darüber hinaus der Öffentlichkeit die Geschichte von den zwei Prism aufgetischt? Angeblich nämlich habe dieses Prism, über das seit Wochen diskutiert werde, weil damit die Daten deutscher Bundesbürger flächendeckend ausgespäht wurden, mit jenem Prism, das für die Sicherheit der Soldaten sorgt, nichts zu tun. Rein gar nichts.
Dumm für die Regierung: Die Bild-Zeitung, der schon der genannte Prism-Befehl der Nato zugespielt wurde, hat jetzt nachgelegt. Angeblich nämlich werde dieses ominöse zweite Nato-Prism aus denselben Datenbanken gespeist wie das bereits bekannte Prism. Es handele sich um Datenbanken des US-Militärgeheimdienstes NSA mit Namen "Marina", auf denen Internet-Verbindungsdaten gespeichert seien. Und "Mainway" für Telefon-Verbindungsdaten. Wenn das stimmt, dann ist die Behauptung, das eine Prism hätte mit dem anderen Prism nichts zu tun, absolut frech.
Wichtiger Nebenschauplatz
Sicher, es mag sich hier um einen Nebenschauplatz handeln. Aufklärung in einem Kriegsgebiet wie Afghanistan ist etwas anderes als die Generalüberwachung unbescholtener Bundesbürger.
Aber was bitte leistet sich eine Bundesregierung, wenn deren Sprecher nicht einmal in der Lage sind, die ausgeschriebene Bedeutung des Akronyms Prism wiederzugeben? Wenn sie sich von der Bild-Zeitung treiben lassen muss, die offenbar leichter an Informationen über Prism kommt, als die gesammelte nachrichtendienstliche Kompetenz einer der größten Wirtschaftsnationen der Erde?
Es kann einem Angst und Bange werden angesichts dieser öffentlich zur Schau getragenen Unfähigkeit.
Oder Merkel meint es nicht ernst mit ihrem Aufklärungsversprechen. Dann lügt sie. Oder sie hält sich bewusst dumm, um ihre Unwissenheit glaubhaft vermitteln zu können. Für das, was sie nicht weiß, kann sie schließlich nicht verantwortlich gemacht werden. Das könnte das Kalkül sein.
Wenn das so ist, dann hat diese Bundesregierung ihre Legitimationsgrundlage verloren. Am 22. September wird gewählt. Da könnte sie die Quittung dafür bekommen. Aber Merkel weiß: Wenn sie etwas im Kanzleramt hält, dann diese Strategie der demonstrativen Unwissenheit. Merkel ist zur Daunendecke mutiert. Alles was auf sie einprasselt, federt sie dumpf ab, wird entschleunigt und wohlig warm umhüllt.
Damit dürfte es erst vorbei sein, wenn ihr eine bewusste Falschaussage nachgewiesen werden kann. Sehr schwer, wenn jemand so wenig fassbar ist.