Süddeutsche Zeitung

Posse um Claudia Roth und iranischen Botschafter:"High Five" für die Menschenrechte

Der iranische Botschafter gibt Frauen normalerweise nicht einmal die Hand: Auf der Münchner Sicherheitskonferenz überraschte Ali Reza Sheik Attar die Grüne Claudia Roth mit einem "High Five". TV-Kameras fingen die bizarre Szene ein, jetzt muss sich Roth erklären.

Von Daniel Brössler

Claudia Roth ist auf dem Weg durch die Sitzreihen, als ein älterer Herr zwar nicht aufsteht, aber doch überaus freundlich seinen rechten Arm hebt und ihr die fünf Finger der flachen Hand zum Gruße entgegenstreckt. Es ist ein Ausdruck fröhlicher Kumpelhaftigkeit und eine ziemlich amerikanische Geste, bekannt als "High Five".

Der Mann, der die Grünen-Vorsitzende während der Münchner Sicherheitskonferenz auf diese Weise begrüßt, heißt Ali Reza Sheik Attar und ist Botschafter der Islamischen Republik Iran in Deutschland. Roth klatscht schwungvoll ab. Vier Sekunden dauert die Begrüßung, eingefangen von einem Kameramann der Agentur Reuters und dann in einem Beitrag über die Diskussion des iranischen Atomprogramms verwendet als atmosphärischer Zwischenschnitt.

Ein Zwischenschnitt, der mittlerweile Furore macht. In sozialen Netzwerken tauchte nach der Sicherheitskonferenz die Frage auf, wie die kumpelhafte Begrüßung des Iraners zur Menschenrechtsagenda der Grünen passe und am Donnerstag erklärte die Bild-Zeitung Roth zum "Verlierer" des Tages. Attar werde vorgeworfen, dass er in den "80ern als Gouverneur im Iran Oppositionelle aufhängen ließ". Attar war nach der islamischen Revolution von 1979 Gouverneur der Provinzen Kurdistan und West-Aserbaidschan gewesen. Seit 2008 ist er Botschafter in Deutschland und nicht zuletzt damit beschäftigt, Kritik an Menschenrechtsverletzungen des Regimes in Teheran zurückzuweisen.

Unerwartete Geste

Kritik, die auch Roth häufig geäußert hat, worauf das fröhliche Bild aus München nun zumindest ein seltsames Licht wirft. Vor allem ein irreführendes, entgegnen die Grünen. "Der Botschafter der Islamischen Republik Iran gibt einer Frau grundsätzlich nie die Hand, er hat auch Claudia Roth noch nie die Hand geschüttelt", erläutert das ein Sprecher. In dieser Situation habe er offenbar den Versuch eines höflichen Entgegenkommens gemacht, ohne Claudia Roth wirklich die Hand geben zu müssen.

"Völlig überrascht von dieser unerwarteten Geste" habe Claudia Roth sie mit einem "kurzen Berühren der Hand des Botschafters erwidert". Roth kenne den Botschafter aus ihrer Arbeit als Abgeordnete und habe immer wieder Appelle zum fairen Umgang mit Oppositionellen an ihn gerichtet. Ihre "höfliche" Reaktion sei der Tatsache geschuldet gewesen, dass sie den Diplomaten in einem Gespräch habe dazu bewegen wollen, dem iranischen Filmemacher Jafar Panahi die Ausreise zur Berlinale zu ermöglichen.

Roth kritisierte schon Westerwelle

Schon am 1. Februar, also vor der Sicherheitskonferenz, hatte Roth ein entsprechendes Schreiben an Attar gesandt. "Ich bitte Sie herzlich, unser Anliegen an die zuständigen Stellen in Teheran zu übermitteln und alles Ihnen persönlich Mögliche zu unternehmen, damit Jafar Panahi rechtzeitig ausreisen und an der 63. Berlinale teilnehmen kann", heißt es in dem der Süddeutschen Zeitung vorliegenden Brief. Bei der Premiere seines Films Pardé wird der vom Regime geächtete Regisseur wohl trotzdem nicht dabei sein. Von einer Ausreisegenehmigung war der Festivalleitung am Donnerstag jedenfalls nichts bekannt.

Roth hat das Regime in Teheran häufig kritisiert, allerdings hat sie auch für den Dialog plädiert. Im Anschluss an eine Iran-Reise mit anderen Bundestagsabgeordneten 2010 appellierte sie: "Wir dürfen die Beziehungen nicht auf das Nuklearprogramm reduzieren." Wenn die Nähe ihr zu viel wurde, prangerte sie allerdings auch das an. Als 2011 Außenminister Guido Westerwelle nach Teheran flog, um zwei deutsche Journalisten aus den Fängen der iranischen Justiz zu befreien und dabei Präsident Mahmud Ahmadinedschad traf, monierte Roth: "Die Bilder mit Herrn Westerwelle und Ahmadinedschad sind keine schönen Bilder, weil Ahmadinedschad dadurch Anerkennung findet." Westerwelle hatte dem Präsidenten die Hand geschüttelt.

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SZ vom 08.02.2013/jasch
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