Posse in Landshut:Christsozial im Moscheeverein

Er ist Muslim, leitet den Landshuter Moscheeverein - und will in die CSU. Mesut Karaüzüm aus Landshut stellt die bayerische Regierungspartei auf eine harte Probe. Mancher möchte den Mann erst auf Verfassungstreue überprüfen.

Roland Preuß

Der Wirbel um die Muslim-Frage behagt Helmut Radlmeier nicht. Der Kreisvorsitzende der Landshuter CSU sitzt in einem schicken Altstadtlokal, die fernöstlich aussehende Bedienung serviert italienische Küche, Radlmeier nippt am Cappuccino. "Da ist mehr reininterpretiert worden als wirklich war", sagt er und betont, wie offen die CSU sei - auch für Muslime, die "trotzdem zum selben Menschenbild kommen wie wir". Allerdings sei die Angelegenheit für die Partei durchaus "Neuland" - "wir waren schon perplex".

Mesut Karauezuem im Gebetsraum der Yunus Emre Camii Moschee

Mesut Karauezuem im Gebetsraum der Yunus-Emre-Camii-Moschee in Landshut.

(Foto: SZ)

Der Mann, der die lokale CSU in dieses Neuland geführt hat, heißt Mesut Karaüzüm, ist in der Türkei geboren, in Deutschland aufgewachsen, seit acht Jahren deutscher Staatsbürger - und: Vorsitzender einer Landshuter Moscheegemeinde. Der gläubige Muslim will unbedingt in die CSU eintreten, ein Versuch, den vor ihm noch kein Moscheevorstand gewagt hat.

Vor einer Woche hat Karaüzüm seinen Mitgliedsantrag abgegeben, doch erlebt hat er schon davor einiges. Was, darüber gehen die Meinungen in der CSU allerdings auseinander. Vor einigen Wochen fragte ein CSU-Mitglied informell an, ob der Deutsch-Türke Parteimitglied werden könne.

Ein gläubiger Muslim, ausgerechnet in der Partei, die sich als Bollwerk abendländisch-christlicher Leitkultur versteht und in der es immer noch Applaus für harsche Sprüche gegen Migranten gibt? Das Anliegen, versichert Radlmeier, sei kein großes Thema in den Gremien gewesen. Sicher, auf den Fluren habe man geredet, in der Parteisatzung nachgesehen, wie lange der exotische CSU-Fan bereits in Deutschland leben müsse, um in Bayerns ewige Regierungspartei vorgelassen zu werden.

"Geprüft wie jeder andere auch"

Doch erst jetzt, da der Antrag vorliege, werde er "geprüft wie jeder andere auch", sagt Radlmeier. Und nach den Berichten über internen Widerstand fügt er hinzu: "Ich sehe keinen Hinderungsgrund." Am 2. April soll der CSU-Kreisvorstand darüber befinden.

Wer die andere Version hören will, der muss raus ins Landshuter Gewerbegebiet, wo sich zwischen Obi-Markt und Burger King ein Flachbau duckt mit gewalztem Schotter zum Parken und zwei großen Fahnen am Eingang - einer türkischen und einer deutschen. Hier haben Karaüzüm und seine Glaubensbrüder das alte Postverteilerzentrum aufgemöbelt; das graue Linoleum bedeckt jetzt ein üppiger Teppich, an der Betondecke hängen Kristalllüster mit Energiesparlampen drin.

Karaüzüm zeigt auf ein Bild des Muslim-Gelehrten Mevlana an der Wand, einem bärtigen Turban-Träger aus dem 13. Jahrhundert. Der habe ein wunderbares Gedicht verfasst: Es besage, was immer jemand getan habe - ob gestohlen oder gemordet - er solle kommen und sich dem Islam anschließen. "Er hat die Arme weit geöffnet, genau das, was die CSU jetzt nicht macht." Karaüzüm hat seinen Weg gefunden in Deutschland, der Sohn zweier Analphabeten kämpfte sich nach oben, ist Diplombetriebswirt und arbeitet als Controller im Atomkraftwerk Ohu. Warum will ein gläubiger Muslim ausgerechnet der CSU beitreten?

"Man hatte Angst"

Die Initiative erzählt Karaüzüm, ging von einem befreundeten Ehepaar aus, den CSU-Mitgliedern Anton und Felicitas Maucher. Diese fragten ihn, ob er nicht beitreten wolle. Nach der anfänglichen Überraschung fand der 39-jährige Vater dreier Töchter rasch Gefallen an dem Gedanken. Schließlich lege die CSU ebenso wie die Muslime Wert auf Familie, Gemeinsinn und Tradition, auch wenn damit wohl nicht die des Moscheevereins gemeint ist.

"Ich erwarte gerade bei der CSU viel Verständnis für Religiöses - auch für uns." Das nun deckt sich nicht gerade mit der Ansage von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU), wonach der Islam nicht zu Deutschland gehöre. Wegen solcher Äußerungen hat die CSU bei vielen Deutschtürken einen ähnlichen Ruf wie linke Hausbesetzer bei den Christsozialen. Karaüzüms CSU-Begeisterung bremst das nicht: Es gebe in der CSU "gewisse Vorurteile", doch die könne man aus der Welt schaffen.

"Wir müssen auch diesen Leuten eine Chance geben"

Unter "gewissen Vorurteilen" versteht Karaüzüm vor allem das, was in der CSU nach der informellen Anfrage durch Felicitas Maucher diskutiert worden sein soll. Einigen Mitgliedern sei der Wunsch nicht geheuer gewesen, erzählt Maucher mit Blick auf Gespräche mit Radlmeier und anderen CSU-Vorständen. Man müsse den Mann erst mal auf seine Verfassungstreue hin durchleuchten, habe es geheißen. Ein Kennenlern-Treffen in der Moschee sei abgelehnt worden. "Man hatte Angst", sagt Maucher. Mehr Details will sie aus Rücksicht auf ihre Parteifreunde und den Beitritt Karaüzüms lieber nicht erzählen. Radlmeier sagt dagegen: "Wir machen keine Bewerbungsgespräche für Neumitglieder."

Karaüzüm hofft nun auf die Hilfe von Oberbürgermeister Hans Rampf. Er kennt den CSU-Politiker von früher, als dieser noch McDonald's-Restaurants in Landshut betrieb und viele Zuwanderer beschäftigte. Die Gesellschaft ändere sich, sagt der Bürgermeister, und eine Volkspartei wie die CSU müsse da mitgehen. Wenn da "ein türkischer Landsmann" Gefallen an der CSU finde, dann freue ihn das. "Wir müssen auch diesen Leuten eine Chance geben."

Ein Stadtrat Karaüzüm wäre eine "Bereicherung". Das einzige Problem, das Rampf mit dem Parteifreund in spe hat, ist dessen Nachname. Bei Rampf heißt er mal Karrazim, als sei er weitläufig mit dem Berliner Ex-Finanzsenator verwandt, später mutiert er zu Karizim und Karisüm, bevor Rampf zu "der Mesut" übergeht - schließlich duzt man sich ja. Wie auch immer, "der Mann kann uns sehr viel bringen, gerade für die Integration", sagt Rampf.

Karaüzüm kann sich gut vorstellen, mit Hilfe der CSU jugendliche Migranten zu integrieren - in seiner Moscheegemeinde. "Ich sehe mich da in einer Vorbildfunktion", sagt er, die CSU könne sehr profitieren von seiner Mitgliedschaft. Und er von der CSU, denn die ist stärkste Kraft im Stadtrat. An diesem Punkt immerhin ist er sich einig mit Kreischef Radlmeier. Der gläubige Muslim könnte der CSU neue Wähler erschließen, schließlich haben etwa neun Prozent der Landshuter türkische Wurzeln - und viele den deutschen Pass und damit das Wahlrecht. "Wenn das ein positiver Nebeneffekt ist, dann habe ich nichts dagegen", sagt Radlmeier.

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