Süddeutsche Zeitung

Posse in Baden-Württemberg:Höhenflug einer Eintagsfliege

Der CDU-Fraktionschef im Stuttgarter Landtag erfreut die AfD, weil er sie als möglichen Koalitionspartner adelte. Doch Peter Hauk bezieht Haue. Vom politischen Gegner - und aus der eigenen Partei.

Von Roman Deininger, Stuttgart

Peter Hauk ist CDU-Fraktionsvorsitzender im baden-württembergischen Landtag, er muss normalerweise um überregionale Aufmerksamkeit ziemlich kämpfen. Jetzt bekommt er viel mehr davon, als ihm lieb sein dürfte.

Wahrscheinlich hat Hauk, 53, nicht mal geahnt, was er da anrichtet, als er am Donnerstagabend in der SWR-Fernsehsendung "Zur Sache Baden-Württemberg" Auskunft über Koalitionsoptionen nach der Landtagswahl 2016 gab. Hauk sagte: "Über Koalitionen spricht man dann, wenn Wahlergebnisse da sind. Ich sage nur: Es gibt keine Ausschlüsse von vornherein. Wir werden mit allen demokratischen Parteien natürlich Gespräche führen."

Nun ist Hauk auf einmal der Christdemokrat, der die euroskeptische Alternative für Deutschland (AfD) als möglichen Partner geadelt hat. Laut einer aktuellen Umfrage würde die AfD nämlich bei einer Landtagswahl im Südwesten mit sechs Prozent ins Parlament einziehen. Über Hauk ergießt sich jetzt eine Welle der Empörung - dazu kommen scharfe Zurechtweisungen aus der eigenen Partei. Hauks Bemühungen am Freitag, seine Worte von Donnerstag wieder einzufangen, waren zum Scheitern verurteilt. Und all das kurz vor der Europa- und Kommunalwahl am Sonntag.

Freude bei der AfD

Erfreut von dem Trubel ist eigentlich nur die AfD selbst. Der baden-württembergische Landeschef Bernd Kölmel ließ wissen, es freue ihn sehr, "dass es bei der CDU Zeichen der Entspannung gibt". Die AfD habe schließlich "das Kriegsbeil nie ausgegraben". SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi nutzte behände die Gelegenheit, Hauk ein "brandgefährliches Spiel" vorzuwerfen. "Eine Zusammenarbeit mit Rechtspopulisten ist ein echter Tabubruch."

Grünen-Bundeschef Cem Özdemir sagte, Hauk mache die AfD mit seinen Aussagen salonfähig: "Was ist nur aus der CDU geworden?" Die Grünen-Landeschefs in Stuttgart, Thekla Walker und Oliver Hildenbrand, beschuldigten die CDU, sich in ihrer "Gier nach Macht mit Europafeinden einzulassen". Grünen-Landtagsfraktionschefin Edith Sitzmann appellierte allen Ernstes an "die Demokraten in der CDU", Hauk zu widersprechen. Auch der FDP-Landeschef und Europa-Abgeordnete Michael Theurer stimmte in den Chor der Kritiker ein: Hauk laufe Gefahr, "zum politischen Geisterfahrer zu werden".

Dabei galt der studierte Förster und ehemalige Landesagrarminister Hauk in Stuttgart einst als sachorientierter Vertreter des liberalen CDU-Flügels. Aus seinen schwarz-grünen Gedankenspielen machte der Mann aus dem Odenwald nie einen Hehl. Seit 2011 regieren die Grünen im Südwesten jedoch bekanntlich mit der SPD - und Hauk hat den Wandel zum knallharten Oppositionsführer im Landtag nicht so recht hinbekommen. Rhetorisch überzieht er gerne mal, unter anderem warf er den Grünen "Gesinnungsterrorismus" vor. Aus dem Rennen um die CDU-Spitzenkandidatur für 2016 hat er sich vor kurzem verabschiedet.

Bemühung um Rückzug

Am Freitag musste Hauk jetzt erleben, wie auch seine Parteifreunde die sichere Distanz suchten. CDU-Landeschef Thomas Strobl schloss "jede Zusammenarbeit" mit der AfD "definitiv" aus. "Was die AfD in und mit Europa vor hat, wäre nicht Teil einer Lösung, sondern Teil eines Problems", so Strobl, der 2016 gern den grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann herausfordern würde. Einen Satz hatte Strobl noch parat, den man getrost als heftigen Rüffel für Hauk werten darf: "Es wäre töricht, diese Partei durch eine übermäßige Beschäftigung mit ihr unnötig aufzuwerten." Der in der Südwest-CDU einflussreiche CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas Bareiß kritisierte eine "abwegige Debatte zur Unzeit".

Fast gleichzeitig bemühte sich Hauk um einen geordneten Rückzug. Die AfD mit ihrer "Ein-Punkt-Programmatik", erklärte er, gehöre für ihn "sicher nicht zu den koalitionsfähigen Parteien". Mit der Abschaffung des Euro, warnte er, würde Europa in ein "wirtschaftliches Chaos stürzen". Die AfD, prophezeite Hauk, werde eine "Eintagsfliege" bleiben.

Mindestens für einen Tag hat Peter Hauk mit seinen unbedachten Äußerungen zu ihrem Höhenflug beigetragen.

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