Olaf Scholz in Portugal:Wohin er auch geht, es verfolgt ihn die Koalition

Lesezeit: 3 min

Portugals Premierminister António Costa (r.) beglückwünscht den "lieben Olaf", wie schnell dieser die Bundesrepublik aus der Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen befreit hat. (Foto: Pedro Nunes/Reuters)

Der Kanzler ist in Portugal. Doch selbst dort holt ihn der lange Schatten des Ampel-Streits um das Gebäudeenergiegesetz ein. Und der von Angela Merkel.

Von Claus Hulverscheidt

Der Luftwaffen-Airbus, der Olaf Scholz nach Lissabon bringen sollte, hatte noch nicht einmal vom Flughafen Berlin-Brandenburg abgehoben, als es mit dem kurzen klimapolitischen Frieden in der Ampelkoalition schon wieder vorbei war.

Zwar berichtete Bundesfinanzminister Christian Lindner im Kurzmitteilungsdienst Twitter wahrheitsgemäß, das Bundeskabinett habe soeben das Gebäudeenergiegesetz beschlossen, mit dem die Regierung Anreize für den Austausch von Millionen Heizungen in deutschen Kellern liefern will. Er ließ aber zugleich durchblicken, dass er den Entwurf in der jetzigen Form für Murks hält: "Ich erwarte, dass nun im parlamentarischen Verfahren notwendige Änderungen vorgenommen werden, um Bedenken im Hinblick auf Finanzierbarkeit und Umsetzbarkeit auszuräumen und die Menschen möglichst wenig zu belasten."

Portugal ist in Sachen Energiewende schon viel weiter als Deutschland

Der koalitionsinterne Streit über den Klimaschutz, die Energiewende, die Frage, wie viel man den Bürgerinnen und Bürgern wie schnell zumuten kann - das alles verfolgte Scholz bis in die 2300 Kilometer entfernte Hauptstadt Portugals. Dabei diente der Besuch des Bundeskanzlers bei seinem Amtskollegen António Costa an diesem Mittwoch und Donnerstag ja gerade auch dem Ziel, die energiepolitische Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern zu intensivieren.

Portugal nämlich - in der Euro-Krise vor zehn Jahren noch eins der großen Sorgenkinder Europas - kann in Sachen Energiewende nicht nur mit dem vermeintlichen Musterknaben Deutschland mithalten, es ist sogar viel weiter. Wer etwa beim Landeanflug auf Lissabon aus dem Fenster schaut, sieht mehr Windräder, als Markus Söder vielleicht jemals bauen wird. Im Schnitt kann das Land im äußersten Südwesten der EU etwa 60, an manchen Tagen sogar 100 Prozent seines Energiebedarfs aus Wasser-, Wind- und Sonnenkraft decken. Schon in wenigen Jahren soll grüner Wasserstoff aus Portugal über Pipelines bis nach Deutschland strömen.

Dennoch hat auch Premierminister Costa mit innenpolitischen Problemen zu kämpfen. Vielleicht ist das der Grund, warum Gast und Gastgeber aus dem gegenseitigen Loben gar nicht mehr herauskommen wollen, als sie am späten Nachmittag im Garten des prächtigen Palácio de São Bento stehen und über ihre Gespräche berichten.

Costa beglückwünscht den "lieben Olaf" gleich mehrfach dazu, wie schnell dieser die Bundesrepublik aus der Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen befreit und die deutsche Energieversorgung komplett neu ausgerichtet habe. Auch habe der Kanzler bei der Anbindung Portugals und Spaniens an das europäische Energienetz vermittelt und damit einen wichtigen Beitrag zur Energiesicherheit in Europa geleistet.

Vor der Koalition und ihren Protagonisten fliehen kann Scholz auch in Lissabon nicht

Derlei Worte schmeicheln Scholz naturgemäß. Er hatte Costa bereits vorab als "guten Freund" bezeichnet. Es ist auch kein Zufall, dass der SPD-Kanzler seinen Parteifreund ausgerechnet in dieser Woche besucht, denn just am Mittwoch feiert dessen Partido Socialista (PS) ihren 50. Geburtstag. Das ist auch für deutsche Sozialdemokraten ein Grund zum Feiern, denn gegründet wurde die Sozialistische Partei Portugals am 19. April 1973 von Exilanten im Eifel-Städtchen Bad Münstereifel und zwar im Weinhaus "An den Rauschen".

Zu den Geburtshelfern zählten die SPD, die parteinahe Friedrich-Ebert-Stiftung und der damalige Bundeskanzler Willy Brandt. Dessen politischer Urenkel Olaf Scholz hält am Mittwochabend denn auch die Festrede - ein Termin, der dem Kanzler angesichts des Dauerstreits daheim wohl nicht ungelegen kommt.

Vor der Koalition und ihren Protagonisten fliehen aber kann Scholz auch in Lissabon nicht. Was er davon halte, dass FDP-Chef Lindner sofort nach der Verabschiedung des Gebäudeenergiegesetzes wieder reingrätsche, wird er gefragt, als er gesäumt von Palmen, Rhododendronbüschen und einem marmornen Wasserbecken im Garten des São Bento steht. Er zitiert das "Struck'sche Gesetz", jenes Bonmot des früheren SPD-Fraktionschefs Peter Struck, wonach kein Gesetz so aus dem Bundestag herauskomme, wie es hineingeschickt worden sei.

Das Konzept der Regierung sei aber sehr gut konzipiert, man habe "so ziemlich alle Fälle, auf die man kommen kann", bedacht, sagt Scholz. Er sagt das mit Blick auf die Befürchtungen vieler Bürgerinnen und Bürger, ein Austausch der alten Heizung gegen eine teure neue könne sie womöglich finanziell überfordern. "Jeder kann sicher sein, dass er vor keine unlösbare Aufgabe gestellt wird", so Scholz.

Dafür, dass es jetzt hopplahopp gehen muss, macht die Ampel die CDU verantwortlich

Interessanterweise ist der Kanzler in diesem Punkt mit seinem renitenten Finanzminister völlig einer Meinung - wenn auch womöglich aus einem leicht unterschiedlichen Grund. Lindner stört, dass die Grünen die Energiewende statt mit marktwirtschaftlichen Anreizen auch mit Verboten vorantreiben und den Menschen angeblich vorschreiben wollen, welche Technologien sie künftig zu verwenden haben. Scholz hingegen treibt die Sorge um, dass die Bürgerinnen und Bürger bei der Energiewende aussteigen könnten, wenn sie Angst haben müssen, dass sie sich den Umstieg schlicht nicht leisten können. Beide, Kanzler wie FDP-Chef, bremsen den grünen Koalitionspartner deshalb immer wieder aus.

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Die Schuld allerdings, dass vieles jetzt hopplahopp gehen muss, trägt für die amtierenden Koalitionäre die einstige Kanzlerinnenpartei CDU: Sie nämlich, so die Überzeugung, habe unter Angela Merkel zwar immer wieder immer schärfere Grenzwerte für den CO₂-Ausstoß beschlossen, aber nie den Mumm gehabt, den Bürgern zu erklären, welche Veränderungen das für sie persönlich mit sich bringen wird.

Seine eigene Regierung hingegen sieht Scholz nach dem Gerangel der vergangenen Monate und dem reinigenden Gewitter der insgesamt 30-stündigen Sitzung des Koalitionsausschusses Ende März wieder auf dem Vormarsch. Gesetz um Gesetz, so der Kanzler, werde man in den kommenden Wochen in den Bundestag einbringen: "Das ist jetzt eine sehr produktive, sehr vorwärtsweisende Phase, die wir auch brauchen für unser Land." Für die Ampelkoalition selbst allerdings gilt genau dasselbe.

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