Zwei Prozent? Oder doch lieber drei? Die Höhe der Militärausgaben gemessen an der Wirtschaftsleistung ist unter Nato-Staaten derzeit ein viel diskutiertes Thema. Zumal es einige Bündnispartner gibt, deren militärisches Engagement weder bei zwei noch drei Prozent liegt, sondern eher bei einem. Portugal zum Beispiel.
In der offiziellen Statistik liegt das Land mit gut 1,5 Prozent zwar vor dem Schlusslicht Spanien (1,3 Prozent) und auch vor Partnern wie Belgien, Kanada und Italien. Doch bei genauer Betrachtung schrumpft Portugals jährlicher Rüstungsetat von offiziell fast vier Milliarden Euro noch einmal deutlich. Ein Grund hierfür ist, dass ein Teil der Militärausgaben für die Guarda Nacional Republicana (GNR) aufgewendet wird, die nationale Polizei. Diese ist zwar ähnlich militärisch organisiert wie die Carabinieri in Italien oder die Guardia Civil in Spanien, und, ja, in Kriegszeiten auch für Landesverteidigung zuständig. Aber im Normalfall ist die GNR schlicht eine Polizei.
Nato-Generalsekretär Rutte hat auch die kleinen Mitgliedsstaaten im Blick
So kommt es beispielsweise, dass das von Portugal an die Nato gemeldete Militärbudget im vergangenen Jahr von 1,48 auf 1,55 Prozent des BIP anstieg – dahinter aber vor allem ein Risikozuschlag für GNR-Personal steckte, der um 200 Euro aufgestockt wurde. Nimmt man die Ausgaben für die Renten ehemaliger Militärangehöriger hinzu, so rechnen es Experten vor, geht nur gut die Hälfte des portugiesischen Verteidigungsbudgets an die klassischen Teilstreitkräfte, Heer, Marine und Luftwaffe.
„Diese Trickserei muss ein für alle Mal ein Ende haben“, sagte Generalmajor Isidro de Morais Pereira, Verteidigungsanalyst und ehemaliger Vertreter Portugals bei der Nato, dem Sender CNN Portugal. Eine „Trickserei“, die allerdings auch andere Länder beherrschen, denn das 2014 von den Nato-Partnern verabredete Zwei-Prozent-Ziel ist schwammig formuliert. Derzeit versuchen manche Nato-Staaten, Investitionen in Cybersicherheit und Terrorismusbekämpfung statt Panzer und Munition als Militärausgaben zu verbuchen.
Aber lohnt es sich in diesem Zusammenhang überhaupt, über Staaten wie Portugal nachzudenken? Über ein Land, das gerade mal vier Milliarden Euro für das Militär ausgibt, während EU-weit ein 800-Milliarden-Budget angepeilt wird? Tatsächlich hat Nato-Generalsekretär Mark Rutte auch die kleineren Bündnispartner fest im Blick. Erst vor wenigen Tagen ermahnte er Portugal, seit 1949 Nato-Mitglied, ausdrücklich, die Ziele des Bündnisses einzuhalten.
Bislang plante Portugal, ähnlich wie Spanien, das Zwei-Prozent-Ziel bis 2029 zu erreichen. Der Grund für das zögerliche Vorgehen ist allerdings ein anderer als im iberischen Nachbarland, wo Ministerpräsident Pedro Sánchez Rücksicht auf die pazifistische Gesinnung seines linken Koalitionspartners nehmen muss. Portugals konservative Minderheitsregierung wolle zwar einen Gang zulegen, um das Zwei-Prozent-Ziel zu erreichen, sagt die Politologin Patricia Daehnhardt vom Portugiesischen Institut für Internationale Beziehungen in Lissabon, „zugleich aber die Finanzdisziplin wahren, die Staatsverschuldung senken und weiterhin den sozialen Wohlfahrtsstaat finanzieren“.
Die schwierigen Jahre nach der Finanzkrise sind Portugal noch lebhaft in Erinnerung
Eine Erhöhung der Militärausgaben werde nicht zulasten des hart verdienten Haushaltsüberschusses gehen, erklärte Portugals Finanzminister Joaquim Miranda Sarmento zuletzt in der Financial Times. Tatsächlich blickt Portugal, einst Sorgenkind der Euro-Finanzkrise, mittlerweile auf solide Staatsfinanzen. Während Italien mit einer Verschuldung von fast 140 Prozent des BIP zu kämpfen hat, blickt Portugal auf Schulden von weniger als hundert Prozent des BIP und einen Haushaltsüberschuss. Doch die Zeiten, in denen die Troika aus Europäischer Zentralbank, Internationalem Währungsfonds und EU-Kommission quasi über das Land herrschten, ist Portugal noch in lebhafter Erinnerung. Die gesundete Bilanz will man nun nicht mit Panzern und Raketen ruinieren.
Hinzu kommt ein Machtvakuum: Die erst vor einem Jahr gewählte Regierung des konservativen Premiers Luís Montenegro musste vor wenigen Wochen zurücktreten. Für den 18. Mai sind Neuwahlen angesetzt. Militärische Grundsatzentscheidungen sind bis dahin nicht zu erwarten.
Dabei drängt die Zeit, bis zum Nato-Gipfel Ende Juni wird auch Portugal einen Plan präsentieren müssen. Einen „Balanceakt“ nennt es die Politologin Daehnhardt und verweist auf ein weiteres Problem, das die nächste Regierung lösen muss: die Beziehungen mit der anderen Seite des Atlantiks. Portugal müsse seine veraltete Flotte von F-16-Kampfjets erneuern, doch sei inzwischen unklar, „ob die nächste Generation von Kampfjets US-amerikanische F-35 sein werden“.
„Viele europäische Nato-Partner erwägen Alternativen wie den Eurofighter Typhoon“, sagt Daehnhardt. Auch der scheidende Verteidigungsminister Portugals habe entsprechende Andeutungen gemacht. Die Entscheidung für ein neues Kampfjet-Modell könnte eine der ersten Herausforderungen für den künftigen Verteidigungsminister sein, sagt die Politologin.

