Süddeutsche Zeitung

Porträt Willi van Ooyen:Hessens Vorzeige-Linker

Lesezeit: 3 min

Für die Linke in Hessen ist ihr Spitzenkandidat Willi van Ooyen ein Glücksgriff: Bodenständig, unaufgeregt und mustergültig links. Nur bei einem Thema wird der Pazifist ungemütlich.

Christoph Schäfer, Wiesbaden

Das Auffälligste an Willi van Ooyen ist, dass er nicht auffällt. Selbst bei seiner eigenen Wahlkampfveranstaltung in Langenselbold merkt zunächst niemand, dass der Spitzenkandidat der hessischen Linken gerade zur Tür hereinkommt.

Van Ooyen stört das nicht mal. In aller Ruhe holt sich der 60-Jährige zunächst eine Gulaschsuppe und gesellt sich damit zu einem Grüppchen Linker, das an einem nahen Tisch steht. "Ah, der Willi", begrüßen sie ihn - und diskutieren weiter, während van Ooyen seine Suppe löffelt.

Diese Zurückhaltung, seine unprätentiöse Art macht van Ooyen zum Glücksgriff für die hessische Linke, die in diesen Wochen vor der Landtagswahl vor allem eines bitter nötig hat: Ruhe im eigenen Laden.

Seit der Wiedervereinigung schwärmte erst die ostdeutsche Linke und später dann die gesamtdeutsche Linke davon, in den Landtag eines westdeutschen Flächenlands zu kommen. Bremen, wo der Einzug ins Parlament schon gelang, ist nur Stadtstaat - genau wie Hamburg, wo die Linke in den Umfragen deutlich über fünf Prozent steht. Und weil es in Niedersachsen und Bayern für die Dunkelroten eher schwarz aussieht, soll es Willi van Ooyen nun in Hessen richten.

Ironischerweise ist jedoch gerade der Mann, auf dem alle linke Hoffnung ruht, als Spitzenkandidat nur dritte Wahl: Der Landesvorstand der Linken wollte zunächst mit dem ehemaligen hessischen DGB-Chef Dieter Hooge ins Rennen gehen. Die Basis lehnte Hooge jedoch überraschend ab und setzte statt seiner das ehemalige DKP-Mitglied Pit Metz auf den ersten Platz der Landesliste.

70 Prozent für parteilosen Friedensaktivisten

Metz' Karriere wiederum verlief schnell und schmerzlich: Weil er den Schießbefehl an der innerdeutschen Grenze mit dem Einsatz deutscher Soldaten in Afghanistan gleichsetzte, musste er in kürzester Frist seinen Stuhl räumen. Ein Sonderparteitag wählte schließlich den parteilosen Friedensaktivisten van Ooyen mit 70 Prozent der Stimmen an die Spitze.

Dessen Biographie liest sich wie ein Handbuch der 68er-Generation. Geboren in Weeze am Niederrhein, lernte van Ooyen zunächst den Beruf des Elektroinstallateurs, bis er sich auf dem zweiten Bildungsweg das Abitur erkämpfte und als Student für Geschichte und Pädagogik an der Goethe-Uni Frankfurt am Main einschrieb.

Van Ooyen organisierte den ersten bundesweiten Streik der Zivildienstleistenden und engagierte sich gegen den Vietnamkrieg. Er kämpfte für Kriegsdienstverweigerer, gegen Berufsverbote und für den öffentlichen Beschäftigungssektor in Frankfurt. Er half bei den Friedensaktionen der achtziger Jahre mit, bei den Anti-Nazi-Protesten in den Neunzigern und bei den G-8-Protesten in diesem Jahrzehnt.

Bedenklich nach links rückte der Vater von zwei Söhnen nur in einer Position: Von 1984 an fungierte er als Bundesgeschäftsführer der Deutschen Friedensunion (DFU), die in den sechziger und siebziger Jahren viele Kommunisten und Sozialisten beherbergte, und die von der Sowjetunion finanziert worden sein soll.

Politisch wirbt der heutige Leiter einer Behindertenwerkstatt für die Wiedereinführung der Vermögenssteuer und eine höhere Erbschaftssteuer. Er streitet für einen gesetzlichen Mindestlohn von 8,44 Euro, für ein öffentliches Beschäftigungsprogramm und die Gemeinschaftsschule bis zum zehnten Schuljahr. Außerdem ist er gegen den Ausbau des Frankfurter Flughafens und die Privatisierung öffentlichen Eigentums.

So bedächtig der Mann mit dem kleinen Bäuchlein diese Positionen vorträgt und verteidigt - wirklich zornig wird van Ooyen, wenn es um Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) geht. Den hält er für "ausländerfeindlich" und "einen schießwütigen Gewalttäter", der auf keinen Fall noch einmal hessischer Ministerpräsident werden dürfe.

Mit diesen Forderungen bringt van Ooyen die Spitzenkandidatin der hessischen SPD, Andrea Ypsilanti, in erhebliche Schwierigkeiten. Ypsilanti erklärt mantraartig, nicht mit der Linken paktieren zu wollen. Und doch wird es immer heikler zu erklären, warum sie nach der Wahl auf keinen Fall mit einer Linken zusammenarbeiten will, die so nah an ihren eigenen Positionen liegt.

Aber auch für Roland Koch ist es nicht einfach, bei seinen Wählern gegen die Linke zu wettern, weil der seit 35 Jahren verheiratete van Ooyen nur wenig Angriffsfläche bietet. Koch weiß das selbst: Er stufte van Ooyen in seinen Wahlkampfreden inzwischen herunter - zum "stinknormalen Kommunisten".

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