Porträt:Sylvi Listhaug

Porträt: Die norwegische Ölministerin weiß zu provozieren.

Die norwegische Ölministerin weiß zu provozieren.

(Foto: AP)

Norwegens Energie­ministerin leugnete lange den Klima­wandel.

Von Kai Strittmatter

Im Ölland Norwegen gibt es kaum ein mächtigeres Amt als den Chefposten im Öl- und Energieministerium. Als die 42-jährige Sylvi Listhaug von der rechten Fortschrittspartei im Dezember berufen wurde, klagte die linke Opposition, damit sei nun ausgerechnet "eine der berühmtesten Klimawandelleugnerinnen des Landes" Ölministerin. Was nicht mehr ganz korrekt ist: Sylvi Listhaug, die einmal gesagt hatte, es gebe "keine Beweise" dafür, dass menschengemachte Treibhausgase die Erderwärmung befeuerten, hat ihre Meinung etwas geändert. Doch, sagt sie heute, der Mensch habe wohl "auch" Mitschuld am Klimawandel. Die Ölindustrie sei allerdings "kein Problem", sondern ganz im Gegenteil: "Sie ist Teil der Lösung für eine grünere Welt."

Vergangene Woche hatte Sylvi Listhaug ihren ersten großen Auftritt im neuen Amt: Gemeinsam mit Ministerpräsidentin Erna Solberg eröffnete Listhaug das Ölfeld Johan Sverdrup, das größte Westeuropas. 100 Milliarden Dollar soll es dem norwegischen Staat einmal einbringen. Das Feld ist so groß, dass die Produktion noch ein halbes Jahrhundert lang, bis in die 2070er-Jahre hinein, gewaltige Mengen Öl an die Erdoberfläche bringen wird - und damit auch gewaltige Mengen an Treibhausgasen.

Die norwegischen Grünen nennen die Erschließung in Zeiten der Klimakrise unverantwortlich und sprechen von "Generationenraub". Für Sylvi Listhaug dagegen beweist der Vorgang ganz im Gegenteil, "dass unsere Klimapolitik funktioniert". Norwegens Ölindustrie emittiere nämlich bei der Förderung des Öls weit weniger CO₂ als die Konkurrenz. Das Argument ignoriert allerdings, dass die meisten Treibhausgase nicht bei der Förderung, sondern bei der Verbrennung des in alle Welt exportierten Öls entstehen.

Sylvi Listhaug hat ihr politisches Leben lang auf Provokation gesetzt. Aufgewachsen auf einem Bauernhof, war sie in der Altenpflege und als Lehrerin tätig, bevor sie über die Mitarbeit in der einflussreichen Osloer Lobby- und PR-Firma First House zur nationalen Politik fand. Listhaug war schon als Jugendliche in der rechtspopulistischen und wirtschaftsliberalen Fortschrittspartei FRP aktiv gewesen. Sie verehrt Elvis Presley und Ronald Reagan, neben ihrer Heimat, der Küstenregion Sunnmøre, hält sie die USA für den gesegnetsten Ort der Welt. Man hat sie den Donald Trump Norwegens genannt: Ohne Rücksicht auf Verluste und auf Fakten wettert sie stets gegen das, was sie für politische Korrektheit hält.

Listhaug hatte seit dem Eintritt ihrer FRP in die Regierung 2013 schon fünf Ministerposten inne, und auf jedem hat sie Kontroversen ausgelöst. Als Gesundheitsministerin erklärte sie, die Leute sollten "rauchen, trinken und Fleischessen dürfen, so viel sie wollen". Als Ministerin für Integration wetterte sie gegen die "Tyrannei der Gutmenschen" und bezeichnete das liberale Nachbarland Schweden als Hort des Verbrechens. Ihr harsches Vorgehen gegen Flüchtlinge und Asylbewerber machte sie gleichzeitig bei Wählern populär. Als Justizministerin musste sie 2018 zurücktreten: Sie hatte der oppositionellen Arbeiterpartei vorgeworfen, die "Rechte von Terroristen" über die nationale Sicherheit zu stellen.

Nun hat ihre Partei, die in der rechtskonservativen Regierung Juniorpartner ist und in den Umfragen schlecht dasteht, die zuverlässig Schlagzeilen produzierende Listhaug zur Öl- und Energieministerin gemacht. Die Regierung von Erna Solberg hat offiziell eine Energiewende verkündet, sie will sich einen grünen Anstrich geben. Unklar, wie das gehen soll, mit einer Energieministerin, die etwa Windkraft ablehnt (Listhaug nennt Windräder "weiße Monster", die "den Ozean zumüllen"). Als nächstes steht eine Entscheidung an über Bohrungen in bislang unberührten Arktisregionen. Listhaugs Position ist klar: Sie hat versprochen, "jeden Tropfen Öl" zu fördern, der entdeckt wird.

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