Porträt Ernst-Otto Czempiel:Ein Mann des Weltfriedens

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Der Politologe Ernst-Otto Czempiel hat erforscht, wie Frieden entsteht. Er kann sich eine Welt ganz ohne Soldaten sehr gut vorstellen.

Sarina Märschel

Friedensforscher, das ist eine schöne Berufsbezeichnung. Sie klingt nach weißen Tauben und Harmonie. Aber Ernst-Otto Czempiel redet von Waffen, die man braucht, um Frieden zu schaffen.

Der Friedens- und Konfliktforscher Professor Dr. Ernst Otto Czempiel. Er hat sich nie als Pazifist bezeichnet. Vielmehr sah er sich immer als ein Wissenschaftler, "der sich mit der Frage beschäftigt, wie man Krieg vermeiden kann". (Foto: Foto: dpa (Archiv))

Dabei hegt der emeritierte Frankfurter Professor eine innige Abneigung gegen militärische Gewalt - weil sie seiner Meinung nach keinen wirklichen Frieden schaffen kann: "Mir ist kein Krieg bekannt, aus dem ein Friede erwachsen ist. Man kann mit Gewalt allgemein keinen Frieden schaffen." Nur in ganz seltenen Fällen sei es trotzdem notwendig, Gewalt anzuwenden, beispielsweise beim Genozid.

Czempiels Ziel und seine Vision aber ist eine Welt ohne Soldaten. Weltfrieden ist seiner Ansicht nach möglich. Er verweist auf die friedliche Entwicklung Europas seit 1945: "Das was hier, an einem der Herde der Weltpolitik passiert ist, kann ohne weiteres bei einem anderen Herd passieren."

Frieden, deshalb redet Czempiel von Waffen, muss jedoch erkämpft werden. Als adäquate Mittel nennt der Wissenschaftler in seinen Veröffentlichungen neben der Herausbildung von Regionalstaaten wie der EU auch Völkerrecht, Abrüstung, Sanktionsregime, Handel und internationale Organisationen.

Wenn eine Gesellschaft Frieden will, wird sie das artikulieren

Den Gesellschaften schreibt er eine zentrale Rolle bei der Schaffung von Frieden zu: "Friede kommt von unten", sagt er. Nur mangele es den Gesellschaften an Waffen, den Frieden umzusetzen: "Sie müssen über die Regierungen gehen. Wenn eine Gesellschaft den Frieden will, dann wird sie das artikulieren." Er räumt allerdings ein, dass im Übergang vom gesellschaftlichen Wunsch zum Bedürfnis des Friedens als politischem Wunsch "manche Schwierigkeit" liegt.

Frieden schaffen ist ein mühsames Geschäft - und die Erforschung, wie es dazu kommen kann, ebenso. Ernst-Otto Czempiel hat viel zur Friedensforschung und zu deren Etablierung in der deutschen Wissenschaft beigetragen.

Sonderfall EU

Und trotzdem sieht er noch erheblichen Forschungsbedarf bei der Frage, welche konkreten Mittel und Wege zu einem stabilen Frieden führen. Czempiel sieht die europäische Union als ein Modell für eine Friedensordnung - als Standard-Lösung jedoch nicht: "Ich warne davor, diesen Sonderfall von 27 europäischen Staaten zu einem Modell der anderen Staatenwelt zu machen, denn diese Verhältnisse sind sehr unterschiedlich."

Ernst-Otto Czempiel hat sich ein ganzes Wissenschaftlerleben lang mit Friedens- und Konfliktforschung befasst. Er wurde 1927 in Berlin als Sohn eines Rektors geboren, studierte Neuere Geschichte, Anglistik und Philosophie. Nach einem Aufenthalt an der New Yorker Columbia University lehrte er als Professor in Marburg. 1970 wechselte er an die Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt am Main - und blieb; bis zu seiner Emeritierung 1992. Czempiel ist Mitbegründer der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung und engagierte sich dort als Leiter der Forschungsgruppe und Geschäftsführer.

Unter Czempiels Führung befasste sich die Hessische Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung (HSFK) insbesondere mit Ursachen, Entstehung, Verlauf und Beendigung des Ost-West-Konflikts und um die Problematik der Massenvernichtungswaffen. Die HSFK wurde unter seinem Einfluss zum größten und bedeutendsten Friedensforschungsinstitut in Deutschland.

Ernst-Otto Czempiel prägte jedoch nicht nur Studenten und Wissenschaftler, sondern auch Politiker, Globalisierungskritiker und Akteure aus der Friedensbewegung. Er kritisierte öffentlich die Umwandlung der Nato vom Verteidigungsbündnis hin zu einem weltweiten Interventionsvertrag des Westens und schimpfte auf die USA, Israel und Russland, deren Politik - wie er es einmal in einem Interview mit der Taz ausdrückte - "den Terror nährt".

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