Ihr Traum endete jäh. Beflügelt von Donald Trumps Wahlsieg wollten die europäischen Rechtspopulisten die größte Konferenz der amerikanischen Rechten als ihre Bühne benützen. In Scharen reisten sie zur CPAC, der „Conservative Political Action Conference“, einem mehrtägigen Stelldichein vor den Toren Washingtons. Seit einem Monat sei Donald Trump im Amt, das Land atme wieder die Luft der Freiheit nach der bleiernen Oppression unter Joe Biden, sagte Redner um Redner. Etwa Vizepräsident J. D. Vance, der wie schon in München genüsslich über die Verbündeten in Europa herzog.
Dann trat Steve Bannon am Abend des ersten Konferenztages auf die Bühne. Der frühere Chefideologe von Donald Trump forderte eine dritte Amtszeit für den Präsidenten. Wohl wissend, dass die Verfassung höchstens zwei mal vier Jahre erlaubt. Sie müssten jetzt die Bajonette aufsetzen, rief Bannon den Zuhörern zu: „Fight, fight, fight“. Dann riss er den rechten Arm hoch – wie Elon Musk am Tag von Trumps Amtseinsetzung. In der Erwartung, dass nun wochenlang darüber diskutiert wird, ob das als Hitlergruß zu verstehen war.
Jordan Bardella ging auf größtmögliche Distanz zu Bannon
Das war auch ein Schlag für die Rechtsnationalisten aus Europa. Sie haben lange daran gearbeitet, sich salonfähig zu machen, sich abzugrenzen von klar rechtsextremen Figuren und Gedankengut. Die Parteien, die in der Gruppe „Patrioten für Europa“ zusammengeschlossen sind, hatten die deutsche AfD deswegen kurz vor den letzten Europawahlen hinausgeworfen – insbesondere auf Betreiben des Rassemblement National von Marine Le Pen, die in Frankreich nach der Präsidentschaft greifen will.
In Washington sollte Jordan Bardella reden, der junge Präsident von Le Pens Partei. Er sagte seinen Auftritt aber am Freitagmorgen kurzfristig ab und ging dabei auf größtmögliche Distanz zu Bannon. „Gestern, als ich nicht im Saal war, erlaubte sich einer der Redner eine Geste, die an Nazi-Ideologie erinnert“, schrieb Bardella in einer Mitteilung. „Ich habe darum meine Rede abgesagt.“
Der Eklat belegt, welche Risiken die Europäer eingehen, die sich in Washington mit den Trump-Republikanern verbrüdern. Nigel Farage und Liz Truss kamen aus Großbritannien, Robert Fico aus der Slowakei, am Samstag soll Giorgia Meloni reden, die Premierministerin Italiens. Sie werde an dem Termin festhalten, sagte ihr Parteifreund Antonio Giordano. Er habe im Publikum gesessen während Bannons Rede und habe keinen Hitlergruß gesehen.
Das Stelldichein der US-amerikanischen Rechten ist seit längerem ein Anziehungspunkt für Gleichgesinnte aus aller Welt, in diesem Jahr sind die Europäer auffallend zahlreich. „Danke, Vizepräsident Vance“, begann Santiago Abascal, Anführer der spanischen Partei Vox. „Alles, was Sie in München sagten, ist wahr.“
Es ist der Grundtenor verschiedener Rechtspopulisten, die sich nach den jüngsten Europawahlen in der Gruppe „Patrioten für Europa“ zusammenschlossen, die Abascal vertrat. Er wetterte über „Oligarchien, für die niemand gestimmt hat“, Oligarchien, die Massenmigration förderten, die Identität der Einheimischen zerstörten und den Krieg in der Ukraine ermöglicht hätten. Das klingt alles ähnlich wie Steve Bannon. Aber eben nicht ganz so radikal.
An einem Stand hatten die „Patrioten für Europa“ Pamphlete und Souvenirs verteilt. Die schwarzen Hütchen mit der Aufschrift „Make Europe Great Again“ waren nach wenigen Stunden alle weg. Die Amerikaner seien ganz erstaunt, dass die Europäer ihre Werbeartikel gratis verteilten, sagte ein Mitarbeiter grinsend. Für eine Mütze mit Trumps „Make America Great Again“ zahlte man 20 Dollar und mehr, das Geschäft lief gut.
„Er ist ein kleiner Bub und kein Mann“
Die „Patriots for Europe“ suchten den Austausch mit amerikanischen Konservativen, sagte Raphaël Audouard. Er ist Geschäftsführer der Stiftung hinter der Gruppe, zu der Marine Le Pens Rassemblement National gehört. „Viele hier denken, wir seien eine radikale Bewegung am Rande“, sagte Audouard. Nun erkläre er den Amerikanern, dass die „Patrioten“ auf der Linie der Republikaner seien – und nicht etwa traditionelle Mitte-rechts-Parteien. Aber auch das war, bevor Steve Bannon seinen rechten Arm in die Höhe riss.
Die rechten europäischen Parteien buhlen in Washington nicht in erster Linie um die Gunst der amerikanischen Basis, sondern um die Aufmerksamkeit der Anführer – und jene der Medien, über die sie so gerne herziehen. Darauf sind die Botschaften angepasst. Darum wollten sie sich distanzieren von Bannons Geste.
Der polnische Ex-Premier Mateusz Morawiecki etwa, der für die Europäischen Konservativen und Reformer sprach, lobte Vances Europa-Kritik. Die Ukraine-Politik der Trump-Regierung hingegen erwähnte er nicht direkt, obwohl die Polen zu den entschlossensten Unterstützern des angegriffenen Landes gehören – und zu den von Russland am stärksten bedrohten.
Erst auf die Fragen von Journalisten ließ Morawiecki durchblicken, dass er Donald Trumps Verhandlungen mit Russland als problematisch erachtet: „Ein schlechter Frieden wäre schlimmer als der aktuelle Krieg, falls er Russland befähigt, später erneut anzugreifen, die Ukraine, Moldau oder baltische Staaten.“ Diese Botschaft überbrachte der Pole bei Treffen im kleinen Kreis am Rande der CPAC, wo er sich mit Kongressmitgliedern und Mitarbeitern des nationalen Sicherheitsberaters Mike Waltz unterhielt. Das funktioniert besser als öffentliche Widerrede, wie Trump soeben wieder bewies, als er den ukrainischen Präsidenten in einem verbalen Schlagabtausch als „Diktator“ beschimpfte.
Ganz ähnlich teilte Bannon aus, als ihn die Korrespondentin von Le Point auf Jordan Bardellas Absage ansprach. Er habe denselben Gruß gemacht wie vor einigen Jahren auf einer Kundgebung von Le Pens Partei in Frankreich, sagte Bannon, es sei kein Hitlergruß, sondern „ein Winken“. Sage Bardella deswegen ab, sei er ein kleiner Bub und kein Mann, unwürdig, Frankreich zu führen. „Ich will so zitiert werden: Er ist ein kleiner Bub und kein Mann.“