Süddeutsche Zeitung

Populisten in der US-Politik:Trump-Faktor

Populisten haben in den USA oft verblüffend viel Erfolg. Sie sind gefährlich, verhindern manchmal aber auch Schlimmeres. Und sie bewirken noch im Scheitern erstaunlich viel.

Von Nikolaus Piper

Nein, Donald Trump wird nicht nächster Präsident der Vereinigten Staaten. Der exzentrische Immobilienunternehmer wird höchstwahrscheinlich noch nicht einmal als Kandidat der Republikaner für das Amt nominiert werden. Würde er es doch, dann wäre das vor allem ein wunderbares Geschenk an die demokratische Favoritin Hillary Clinton. Trump mag derzeit bei Meinungsumfragen unter den Republikanern führen, wählbar in Amerika ist er nicht.

Dies festzustellen bedeutet nicht, den Mann mit den grotesk schlechten Manieren kleinzureden, ganz im Gegenteil. Trump ist der klassische amerikanische Populist, der die amerikanische Politik, in diesem Fall die Republikanische Partei, durcheinanderbringt. Viele, vornehmlich weiße Arbeiter in den USA sind tief verunsichert von den Zeitläufen. Ihre Löhne stagnieren seit Jahren, sie haben Angst vor Einwanderern und der Veränderung überhaupt.

Sie spricht Trump an, wenn er ausfällig gegen Mexikaner wird oder eine Steuer auf Importe fordert. Mit frauenfeindlichen Sprüchen erreicht er Männer, die sich als Opfer der politischen Korrektheit sehen. Sein Slogan "Macht Amerika wieder groß!" spricht all jene an, die sich verraten fühlen - von etablierten Politikern, von den Medien, von den "Eliten" insgesamt.

In den USA müssen Populisten keine Partei gründen

Auch in Deutschland haben Menschen das Gefühl, von den Eliten hereingelegt zu werden, etwa beim Euro oder bei der Einwanderung. Deutschlands Antwort auf dieses Problem hieß Bernd Lucke, ein netter und anerkannter Wirtschaftsprofessor, der eine populistische Partei gründete und an seinen eigenen Leuten scheiterte.

Der Vergleich zwischen Lucke und Trump ist in der Tat lehrreich. In Amerika müssen Populisten keine Partei gründen. Jeder, der will, kann sich um das Amt des Präsidenten bewerben, im Rahmen einer der großen Parteien, oder auch außerhalb. Reich zu sein, hilft dabei enorm, ist aber auch nicht unabdingbar. Es reicht, genügend Spenden einzusammeln. Kein Parteivorstand und keine Kreisdelegiertenversammlung können einen daran hindern. Deshalb mischen Exzentriker mit merkwürdigen Ideen immer wieder die Politik auf und erschrecken das Establishment in Washington.

Gleichzeitig herrscht das Prinzip der Gewaltenteilung in Amerika wie sonst fast nirgends auf der Welt (die Schweiz vielleicht ausgenommen). Der Kongress ist das Gegenwicht zum Präsidenten, der Senat zum Repräsentantenhaus, die Bundesstaaten sind es im Verhältnis zum Bund. Das macht Kompromisse in der Politik zwingend. Dies produziert jedoch permanent eine Schicht frustrierter Fundamentalisten, die glauben, die eigenen Leute hätten die gemeinsamen Ideale verraten. Derzeit geht es vor allem den Republikanern so.

Für Populisten ist das ein dankbares Feld, und sie beackern es fleißig. Die Geschichte zeigt, dass diese Populisten die amerikanische Politik nachhaltig prägen können, selbst wenn sie den Einzug ins Weiße Haus nicht schaffen.

Selbst im Scheitern haben Populisten viel bewirkt

Ein Beispiel war in den 1960er-Jahren der rechte Senator Barry Goldwater aus Arizona. Goldwater vertrat Positionen, die damals auch unter Republikanern nicht mehrheitsfähig waren: Er sprach sich für Atombomben über Vietnam aus, gegen die Durchsetzung der Bürgerrechtsgesetze in den Südstaaten durch die Nationalgarde und für die faktische Abschaffung des Sozialstaats.

Goldwaters Bewerbung sorgte 1964 dafür, dass der demokratische Bewerber, Präsident Lyndon B. Johnson, einen Erdrutschsieg einfuhr. Die Niederlage schadete Goldwater langfristig jedoch nicht. Er leitete den bis heute anhaltenden Rechtstrend der Republikanischen Partei ein. Und er bereitete so die konservative Revolution in Amerika unter Präsident Ronald Reagan vor.

Der Präsidentschaft am nächsten kam einst William Jennings Bryan, Amerikas Erz-Populist. Er erreichte bei der Wahl 1896 stolze 46,7 Prozent der Stimmen. (Der rechte Milliardär Ross Perot schaffte 1982 noch 18,9 Prozent der Stimmen, womit er ungewollt Bill Clinton das Weiße Haus sicherte.) Bryan kämpfte gegen den Goldstandard, die Wall Street und, wie man heute sagen würde, Austerität, weil er glaubte, dass die Disziplin, die eine stabile Währung verlangt, den kleinen Farmern und Handwerkern schaden würde, die er vertrat. Bryan scheiterte, aber er bereitete viele progressive Reformen in den USA vor, zum Beispiel die Modernisierung der Schule, das Frauenwahlrecht, aber auch die Prohibition.

Der Populismus hat auch eine gute Seite

Populismus gehört seither zum Inventar amerikanischer Politik. Er ist ebenso notwendig wie gefährlich. Seine Kraft gewinnt er aus der Berufung auf das Freiheits-, Gleichheits- und Glücksversprechen der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung. Viele Populisten deuteten und deuten dieses Versprechen auf unerträgliche, gelegentlich rassistische Weise, viele sind ungebildet oder unwissend, wie die frühere Gouverneurin von Alaska, Sarah Palin, die es als Heldin der Tea-Party-Bewegung kurz zu Ruhm brachte.

Aber es gibt eben auch eine gute Seite. Der Populismus, so schrieb der Historiker Michael Kazin, ersparte Amerika "die revolutionären Ideologien anderer Nationen: Faschismus, Nazismus, Leninismus, Maoismus und die Art von Islam, die heute Iran regiert".

Trump ist Teil der Elite, die er angeblich bekämpft

Populismus kommt heute meistens von rechts. Er kann aber immer noch links sein. New Yorks Bürgermeister Bill de Blasio ähnelt zwar, was seine Ideologie betrifft, linken europäischen Sozialisten. Sein personalisierter und polarisierender Wahlkampf an den Mächtigen der Demokratischen Partei vorbei - das aber war US-Populismus in Perfektion.

Was Trump betrifft, so ist er nicht nur ein Populist, sondern auch ein PR-Phänomen. "Donald Trump ist der Inbegriff der amerikanischen Erfolgsgeschichte", heißt es auf seiner Webseite. Das ist pure Angeberei. Trump ist nicht der klassische amerikanische Selfmademan, der sich aus bescheidenen Verhältnissen hochgearbeitet hat, sondern der Sohn eines reichen Immobilien-Unternehmers, dessen Geschäft er weiterführte, zum Teil unter eleganter Nutzung des großzügigen amerikanischen Konkursrechts. Er ist also Teil der Elite, die er angeblich bekämpft.

Noch akzeptieren seine Anhänger das.

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SZ vom 14.08.2015/ewid
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