Süddeutsche Zeitung

Populisten:Im Revier der Empörten

Warum die Partei Vox mit einem stramm rechten Programm Erfolg hat.

Von Thomas Urban

Unisono hatten die links gerichteten Parteien Spaniens vor einem Aufstieg der "Neofaschisten von Vox" gewarnt, allen voran der sozialistische Premierminister Pedro Sánchez. Genützt hat es nichts: Vox stellt im neuen spanischen Parlament die drittgrößte Fraktion. Doch ausgerechnet der linke Vordenker Iñigo Errejón meinte, dass es ein Irrtum sei, ihren Anhängern schlicht Sympathie für die Franco-Diktatur (1939 bis 1975) zu unterstellen. Dies zeige allein schon die große Zahl von jungen Wählern, die Vox ihre Stimme gegeben haben. Vielmehr handele es sich mehrheitlich um Protestwähler, deren Anliegen - Arbeitslosigkeit, blockierte Aufstiegschancen - von anderen Parteien nicht gebührend berücksichtigt würden.

Vox hat in dieser Rolle das linksalternative Bündnis Podemos abgelöst, das zuletzt durch interne Machtkämpfe gelähmt war. Errejón weiß, wovon er redet. Er war einst Vertrauter des Podemos-Chefs Pablo Iglesias, hat ihm aber wegen dessen dogmatischen neomarxistischen Allüren den Rücken gekehrt.

Vor allem der Konflikt um Katalonien gab den Populisten Rückenwind

Zudem hat Vox viele Wähler angezogen, die früher für die Sozialistische Partei (PSOE) stimmten. Bei diesen geben immer mehr Verwaltungsjuristen, Lehrer und Dozenten den Ton an, zu der letzten Gruppe gehört auch Sánchez. Doch hat die PSOE, wie Vox-Chef Santiago Abascal, der sich als moderner Volkstribun inszeniert, nun selbstbewusst verkündet, die "kleinen Leute" aus dem Blick verloren. So hat sich Vox in sozialen Brennpunkten als "Partei der Kümmerer" darstellen können. Diese Wählerwanderung von links nach rechts entspricht auch den Erfahrungen in den ostdeutschen Bundesländern oder in Polen, wo Rechtspopulisten mit linken Sozialprogrammen punkten konnten.

Vor allem aber gab der Katalonien-Konflikt Vox Rückenwind. Dass die von Separatisten geführte Regionalregierung in Barcelona die Abspaltung vom Königreich Spanien betreibt, ohne dafür die Mehrheit der Wähler in der Region hinter sich zu haben, empört die große Mehrheit der Spanier. Bei vielen von ihnen hat dies nationale Gefühle wiedererweckt, die vorübergehend durch die große Wirtschaftskrise von 2008 an sowie die Folgen der Inkompetenz und Unmoral der politischen Elite in Madrid überdeckt worden waren. Abascal fordert die Verhaftung der Regierung in Barcelona und die Aufhebung der autonomen Rechte aller Regionen.

Darüber hinaus propagiert er die Verteidigung "traditioneller europäischer Werte". Das heißt für ihn keine Abtreibungen, keine gleichgeschlechtlichen Ehen, keine Frauenquoten und eine Förderung der katholischen Kirche. Hier versucht er, die Lücke auszufüllen, die die konservative Volkspartei (PP) hinterlassen hat, nachdem ihr langjähriger Vorsitzender Mariano Rajoy sie auf einen Kurs der Mitte getrimmt hatte. Rajoy hatte sogar, was im erzkonservativen Milieu einen Skandal darstellte, an der Hochzeit eines Parteifreundes mit dessen Lebensgefährten teilgenommen; außerdem hatte er nicht an der Fristenlösung für den Schwangerschaftsabbruch rütteln lassen. Zum Programm von Vox gehört auch, dass der Zuzug von Migranten aus Afrika weitgehend unterbunden werden soll. In diesem Punkt aber steht Abascal nicht allein. Auch die Politik von Pedro Sánchez läuft darauf hinaus.

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Quelle:
SZ vom 12.11.2019
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