Populismus:Vom guten und vom schlechten Populismus

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Rechtspopulisten wie Le Pen sind irrational und brutal. (Foto: AP)

Wer populistisch argumentiert, disqualifiziert sich. Das gilt als Grundregel des Diskurses. Doch Politik muss so verpackt werden, dass sie verstanden wird.

Kommentar von Sebastian Schoepp

Ein Populist zu sein, bedarf es wenig. Manchmal genügt es, höhere Steuern für Reiche zu fordern oder andere Dinge, die früher mal als sozialdemokratisch galten - oder das Gegenteil zu tun, wie Donald Trump. Manchmal werden Äußerlichkeiten herangezogen wie seinerzeit bei Yanis Varoufakis das heraushängende Hemd. Alles mithin, was sich gegen einen mutmaßlichen Konsens der Mitte richtet oder dessen Codizes stört, gilt als populismusverdächtig. Das trifft den linken Obama-Gastgeber Alexis Tsipras genauso wie den Milliardär Trump - auch wenn gerade der neue US-Präsident eher wirkt wie der Endpunkt der marktliberalen Politik Ronald Reagans und Margaret Thatchers, also wie ein Produkt des sogenannten Establishments schlechthin.

"Populismus" ist also ein weites Feld mit unterschiedlicher regionaler Morphologie. In Nord- und Mitteleuropa versteht man darunter ausländerfeindliche Politik und die Illusion, man könne sich aus der Globalisierung verabschieden. Im Süden hingegen wird als populistisch gebrandmarkt, was sich in irgendeiner Weise gegen die EU-Sparpolitik richtet - also eher die Linke. In jedem Fall ist Populismus-Verdacht ein probates Mittel, ein beträchtliches Meinungsspektrum aus dem Bereich des sozusagen zulässigen Diskurses auszuschließen. Autoren wie der Franzose Didier Eribon oder der Brite Tariq Ali sprechen angesichts dessen schon von der "extremen Mitte", die sich durch ihre Hinwendung an urbane Eliten die Arbeit spare, mit abweichenden Meinungen umzugehen.

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Aber ist Populismus wirklich per se schlecht? Der argentinische Soziologe Ernesto Laclau, der den lateinamerikanischen Linkspopulismus erforscht und als Form der "radikalen sozialen Demokratie" mitgeprägt hat, meinte: Nein. Er sei ein notwendiges Element der Politik, ohne "affektives Element" komme sie nicht aus, was heißen soll: Politik müsse so verpackt werden, dass sie verstanden werde. In diesem Sinne könnte man sogar Angela Merkels "Wir schaffen das" als Populismus bezeichnen, weil der Satz einer großen Menge Menschen die Möglichkeit gab, ihn positiv zu konnotieren, ohne dass erst mal klar wurde, was da konkret zu schaffen war.

Indem man die Linken scheitern ließ, hat man die Rechten gestärkt

Sonst steht ihr Dogma der Alternativlosigkeit ja eher für die "extreme Mitte", also die in Berlin und Brüssel verbreitete Überzeugung, es gebe nur eine technokratische Wahrheit, alles andere sei Stuss. Mit diesem Dogma hat man es geschafft, Linkspopulisten wie den Griechen Tsipras zu zähmen und eine Bewegung wie Podemos in Spanien von der Regierung fernzuhalten. Damit sind allerdings auch deren Lösungsvorschläge für eine demokratischere und offenere EU, für einen grundlegend anderen Umgang miteinander Geschichte. Dabei war die vermeintlich populistische Feststellung, die EU-Schuldenrechnung könne sowieso niemals aufgehen, realistischer als das sture Beharren auf Rückzahlung irrationaler Beträge. In den USA ließen die Demokraten Bernie Sanders gar nicht erst kandidieren; aus lauter Angst vor Linkspopulismus-Vorwürfen setzten sie auf die scheinbar sichere Hillary Clinton. Aber Angst ist eben ein schlechter Ratgeber.

Nachdem Alis und Eribonds "extreme Mitte" die Linken scheitern ließ, hat sie aber nicht die Unzufriedenheit vieler Menschen aus der Welt geschafft - mit Sparzwang, TTIP, Globalisierungsdruck und wachsender Ungleichheit. Man hat vielmehr der Rechten diese Themen geschenkt. Leute wie Le Pen aber lassen sich nicht so leicht auskontern wie die Linke, sie sind irrationaler, brutaler, und sie instrumentalisieren das Thema Flüchtlinge. Die Soziologin Chantal Mouffe hat mal gesagt, zu glauben, dass man die demokratische Mobilisierung von Affekten vernachlässigen könnte, heiße, dieses Feld denen zu überlassen, die die Demokratie untergraben wollen. So ist es nun gekommen.

© SZ vom 21.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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