Holocaust-Leugner Dan Sova:CDU-Außenexperte Polenz fordert Rücktritt von rumänischem Minister

"Geschichtsvergessen", "schädlich", "beleidigend": Mit drastischer Kritik prangern deutsche Politiker die Berufung des rumänischen Ministers Dan Sova an. Der Sozialdemokrat hat noch 2012 die Ermordung Hunderttausender Juden während des Krieges im heutigen EU-Land geleugnet. Premier Victor Ponta hält offenbar große Stücke auf Sova: Er überträgt ihm eine Schlüsselrolle in der rumänischen Innenpolitik.

Oliver Das Gupta

Das EU-Land Rumänien ist seit dem Amtsantritt von Ministerpräsident Victor Ponta im Mai beispiellosen innenpolitischen Turbulenzen ausgesetzt: Der junge Regierungschef kämpft nicht nur gegen den Vorwurf, seine Doktorarbeit plagiiert zu haben. Sozialdemokrat Ponta, 39, liefert sich einen Machtkampf mit dem konservativen Staatspräsidenten Traian Basescu, der inzwischen die EU, den IWF und sogar Washington alarmiert hat. US-Außenministerin Hillary Clinton schickt ihren Stellvertreter nach Bukarest.

Victor Ponta ernannte den Holocaust Dan Sova zum Minister

Rumäniens Premier Victor Ponta: Seit seinem Amtsantritt im Mai steckt das Land in beispiellosen innenpolitischen Turbulenzen.

(Foto: AFP)

Doch damit nicht genug: In der vergangenen Woche bildete Ponta sein Kabinett um und verhalf dem Senator Dan Sova zu Ministerwürden, der ebenfalls Mitglied der sozialdemokratischen Partei PSD ist. Die Berufung ist wohl ein Dankeschön: Sova war in den vergangenen Wochen einer der radikalsten Befürworter der Amtsenthebung Basescus. Als Minister für die Kommunikation mit dem Parlament hievt Ponta seinen Mitstreiter Sova auf einen mächtigen Posten. Er spielt nun eine Schlüsselrolle bei der Gestaltung der legislativen Agenda.

Sovas Berufung ruft wachsende Empörung hervor. Denn der 39-jährige studierte Jurist und Historiker hat vor nicht einmal einem halben Jahr den Holocaust in Rumänien geleugnet. Zwischen 1940 und 1944 herrschte der faschistische Diktator Ion Antonescu über das mit Nazi-Deutschland verbündete Rumänien. Historiker schätzen, dass unter Antonescus Herrschaft mindestens 280.000 rumänische Juden und etwa 20.000 Sinti und Roma ermordet wurden.

Pontas Vertrauter Sova erklärte im März im Gespräch mit dem Privatsender The Money Channel, das Massaker in der Stadt Iasi im Jahre 1941 habe nicht stattgefunden. Historiker taxieren die Zahl der Mordopfer zwischen 13.000 und 15.000. Sova behauptete, dem damaligen Machthaber Antonescu sei es zu verdanken, dass den rumänischen Juden während des Krieges nichts passiert sei. Nach Protesten im Ausland widerrief Sova, erklärte, er sei falsch verstanden worden und räumte seinen Posten als Parteisprecher der PSD.

"Ein Politiker, der die Ermordung der rumänischen Juden abstreitet, ist untragbar"

Nun, nach einer halbjährigen Schamfriest, holte Ponta seinen Vertrauten an den Kabinettstisch, was unter deutschen Politikern Empörung auslöst. "Ein Politiker, der die Verfolgung und Ermordung der rumänischen Juden abstreitet, ist meiner Meinung nach untragbar", sagt der CDU-Außenpolitiker Ruprecht Polenz zu Süddeutsche.de. "Wer das Leid der rumänischen Juden in Abrede stellt, handelt geschichtsvergessen und verantwortungslos und beleidigt die Angehörigen der Opfer." Polenz ist Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses.

Auch von den Liberalen kommt scharfe Kritik an Sovas Berufung. Die FDP-Europaabgeordnete Nadja Hirsch hält Sova für "nicht ministrabel". Sie wisse nicht, was schlimmer ist: "Wenn Ponta aus alten Seilschaften heraus Sova zum Minister macht oder ihn gezielt auswählt, um bestehende Ressentiments gegen Juden und Minderheiten zu bedienen." Der Fall Sova, aber auch die gesamte politische Situation sei "schädlich" für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, so Hirsch zur SZ.

Wiederholte Beschönigungs-Versuche

Von der SPD, der deutschen Schwesterpartei von Pontas PSD, war bislang noch keine Kritik an Sovas Ministerberufung zu vernehmen. Dafür rief die Causa bei jüdischen Institutionen Fassungslosigkeit und Wut hervor. Efraim Zuroff vom Simon-Wiesenthal-Zentrum etwa nannte die Personalie "absolut empörend" und "peinlich für die Regierung und das Land".

Mit bitterem Spott reagierte Erwin Simsensohn, Vorsitzender der jüdischen Gemeinde in Bukarest, im Gespräch mit der österreichischen Zeitung Die Presse: "Nur in Rumänien kann man den Holocaust leugnen und dann zum Minister ernannt werden".Und das, obwohl ein Gesetz seit 2006 auch in Rumänien die Leugnung der Judenvernichtung unter Strafe stellt.

Tatsächlich sind antisemitische Tendenzen und Versuche, die eigene Vergangenheit zu beschönigen, weit verbreitet in Rumänien. So hatte nach dem Krieg noch während der kommunistischen Ceausescu-Ära die Rehabilitierung Antonescus begonnen, die sich nach der politischen Wende zur Verklärung auswuchs: 1991 gedachte das Parlament in Bukarest des Marschalls mit einer Schweigeminute. Tricolurul, das Propaganda-Blatt der rechtsextremen Partei Romania Mare, veröffentlichte 2009 die "Protokolle der Weisen Zions" - ein antisemitisches Pamphlet, das vor etwa 100 Jahren die zaristisch-russische Geheimpolizei fabrizierte und seitdem Judenhassern wie Adolf Hitler als Beleg für die angebliche "jüdische Weltverschwörung" dient. Die rumänischen Rechtsextremisten druckten die "Protokolle" trotzdem.

Teilweise mordeten die Deutschen, teilweise die Rumänen

Der Hang zur Geschichtsklittierung ist weit verbreitet, sie findet sich bei der politischen Linken, wie auch bei Vertretern von höchsten Staatsämtern. Ion Iliescu, Präsident von 1990 bis 1996 und 2000 bis 2004, hat während eines Israel-Besuches den Holocaust bagatellisiert. Dies sei kein speziell jüdisches Phänomen gewesen, erklärte der Ex-Kommunist. Nach weltweiten Protesten setzte er eine Historiker-Kommission unter dem KZ-Überlebenden und Friedensnobelpreisträger Elie Wiesel ein, die ihren Abschlussbericht 2004 vorlegte. Demnach waren in Antonescus Rumänien, einschließlich besetzten Gebiete Bessarabiens, Transnistriens und der Bukowina, mindestens 280.000 Juden und 20.000 Sinti und Roma ermordet worden. Der Genozid kam teilweise auf deutsches und teilweise auf rumänisches Betreiben zustande.

Inzwischen gibt es in Rumänien einen Nationalen Gedenktag, 2009 wurde eine Gedenkstätte für die rumänischen Holocaust-Opfer vom heutigen Präsidenten Basescu eingeweiht.

Der Staatschef mag ein Intimfeind von Ministerpräsident Ponta sein, im Geschichtsbild scheint er dessen Adlatus Sova zuzuneigen. 2005 schwadronierte Basescu über Ion Antonsecu, den Hitler-Freund. Der Präsident nannte den Diktator einen "genialen Offizier".

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