Süddeutsche Zeitung

Besuch in Israel:Pompeo wirbt für "Friedensvision"

Der US-Außenminister drängt in Jerusalem auf die Umsetzung von Trumps Nahost-Plan. Auch die heimischen Wähler will er damit beeindrucken.

Von Alexandra Föderl-Schmid

Für den Gast aus Amerika wurde eine Ausnahme gemacht: Normalerweise müssen alle Passagiere, die auf dem Flughafen Ben Gurion bei Tel Aviv ankommen, für zwei Wochen in Quarantäne. US-Außenminister Mike Pompeo hatte aber am Mittwoch nur wenige Stunden für seinen Stippvisite in Israel angesetzt. Eine Gesichtsmaske im Design einer US-Flagge trug Pompeo nur beim Aussteigen aus dem Flugzeug. Seine Gesprächspartner begrüßte er ohne Maske. Pompeo und Ministerpräsident Benjamin Netanjahu dürften dann den Sicherheitsabstand von zwei Metern auch nicht eingehalten haben.

Deutlich mehr Distanz gab es bei Pompeos Zusammentreffen mit Benny Gantz und Gabi Aschkenasi. Die beiden sollen in der neuen Regierung, deren Vereidigung an diesem Donnerstag geplant ist, das Verteidigungs- und das Außenministerium leiten. Eine weitere Besprechung gab es mit Mossad-Chef Jossi Cohen.

Vor Beginn der dreistündigen Unterredung mit Netanjahu drängte Pompeo auf die Umsetzung des Nahost-Plans. Der US-Präsident habe seine "Friedensvision" im Januar veröffentlicht, "es muss noch Arbeit verrichtet werden, und wir müssen in der Frage Fortschritte machen". Trump erwartet sich durch die Unterstützung Israels Sympathien bei jüdischen und evangelikalen Wählern bei der Präsidentschaftswahl im November. Vor seinem Abflug Richtung Israel hatte Pompeo erklärt, die Umsetzung der Annexion sei "letztlich eine israelische Entscheidung".

Die verfeindeten palästinensischen Gruppen gehen nun einen Schritt aufeinander zu

Der Plan beinhaltet die Annexion von Teilen des Westjordanlandes durch Israel - rund 30 Prozent des bisherigen Gebiets. Auf der restlichen Fläche soll ein Staat entstehen können, wenn die Palästinenser eine Reihe von Bedingungen erfüllen.

Netanjahu bezeichnete die bevorstehende Bildung einer Einheitsregierung als "Möglichkeit, Frieden und Sicherheit zu fördern", basierend auf der Übereinkunft, die er im Januar mit Trump getroffen habe. Er nannte "den iranischen Terrormeister" und die Bekämpfung des Coronavirus als weitere gemeinsame Herausforderungen. Pompeo lobte, dass Israel Informationen teile, "nicht wie ein anderes Land, das sie versteckt" - ein Seitenhieb auf China. Auch bei Pompeos Gesprächen mit Gantz ging es vor allem um die Bekämpfung des Coronavirus sowie die Lage in Iran. Ob die Annexion ein Thema war, ging aus der schriftlichen Erklärung nicht hervor.

In der Koalitionsvereinbarung wurde fixiert, dass Netanjahu von Juli an Schritte einleiten kann, die zur Ausdehnung der israelischen Souveränität auf die rund 200 Siedlungen und das Jordantal im Westjordanland führen können. Gantz hat bei dem Punkt auf Vetomöglichkeiten verzichtet.

Der palästinensische Chefunterhändler Saeb Erekat sagte, Pompeo habe vor seinem Israel-Besuch keinen Kontakt mit den Palästinensern gesucht. "Die Trump-Regierung kollaboriert bei den Annexionsplänen mit Israel", sagte Erekat. Die Palästinenser hoffen auf Sanktionen der EU, um die Annexion zu verhindern. Einzelne EU-Staaten sollen damit gedroht haben, Israel von der weiteren Teilnahme am EU-Förderprogramm Horizon auszuschließen. Seit 2014 wurden Forschungsvorhaben in Israel mit 1,3 Milliarden Euro gefördert. Der palästinensische Ministerpräsident Mohammed Staje forderte die EU in einem Gespräch mit dem Außenbeauftragten Josep Borrell auf, ihr wirtschaftliches und politisches Gewicht einzubringen.

Der Protest eint immerhin die verfeindeten palästinensischen Gruppierungen. Präsident Mahmud Abbas lud Vertreter der radikalislamischen Hamas und des Islamischen Dschihad, der zweitgrößten Gruppe im Gazastreifen, zu einem Treffen der PLO für Donnerstag ein. Es sollen gemeinsam Maßnahmen diskutiert werden, falls Israel die Annexionspläne tatsächlich umsetzt.

In den vergangenen Tagen war es zu Zusammenstößen zwischen Palästinensern und der israelischen Armee gekommen. Ein Soldat und ein 15-jähriger Palästinenser wurden dabei getötet.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4906480
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 14.05.2020/kit
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.