Krise in Nahost:Trumps loyaler Falke

FILE PHOTO:    U.S. Secretary of State Pompeo listens as U.S. President Trump holds cabinet meeting at the White House in Washington

Pompeo scheint früh erkannt zu haben, wie wichtig eine gute persönliche Beziehung zu Trump ist.

(Foto: Leah Millis/REUTERS)
  • US-Außenminister Pompeo sieht Iran als treibende Kraft hinter dem Chaos im Nahen Osten.
  • Offenbar hat er schon vor Monaten mit Trump über eine Attacke auf den iranischen General Soleimani gesprochen. Damals folgte Trump dem Ratschlag nicht.
  • Der Iran-Hardliner Pompeo besitzt einen direkten Zugang zu Trump und deutlich mehr Einfluss als Verteidigungsminister Esper.

Von Hubert Wetzel, Washington

Am 21. Mai 2018 hielt Mike Pompeo eine seiner ersten Reden als neuer US-Außenminister. Er sprach über Iran. Kurz zuvor hatte Präsident Donald Trump erklärt, dass er aus dem Atomabkommen aussteigen werde, das sein Vorgänger Barack Obama mit Teheran vereinbart hatte. Pompeos Rede sollte die künftige Politik gegenüber Iran abstecken. Wer sie heute noch einmal liest, wundert sich nicht, dass die USA und Iran seitdem hart an den Rand eines Kriegs geraten sind.

Pompeo, der vor seinem Wechsel an die Spitze des State Department den Auslandsgeheimdienst CIA geleitet hatte, verteidigte Trumps Entscheidung damals vehement. Das Abkommen sei schwach gewesen, kritisierte er, es hätte Irans Nuklearprogramm allenfalls für ein paar Jahre verzögert, aber nicht dauerhaft verhindert, dass Teheran eine Atombombe baut. Vor allem aber, so Pompeo, habe die mit dem Abkommen verbundene Aufhebung von Wirtschaftssanktionen dem iranischen Regime "neue Reichtümer" gebracht - die das Geld umgehend in die Finanzierung diverser schiitischer Milizen investiert habe, die in Libanon, Syrien, Jemen und im Irak für Teheran Krieg führten. Auch den Namen des Mannes, der dafür verantwortlich war, erwähnte Pompeo: Qassim Soleimani.

Seit dem tödlichen Angriff der USA auf Soleimani werfen Kritiker Trump vor, er habe keine Strategie im Umgang mit Iran. Das mag im Falle des Präsidenten richtig sein. Auf Pompeo aber trifft es bestimmt nicht zu. Das Bild, das der Außenminister von Irans Rolle im Nahen Osten zeichnet - und das Trump in seiner Ansprache am Mittwoch weitgehend übernahm -, ist düster. Aber es ist kohärent. So, wie Pompeo es sieht, ist Teheran die treibende Kraft hinter dem Chaos in der Region. Um seinen Einfluss auszuweiten, zettelt das Regime überall Stellvertreterkriege an. Die USA müssten diese blutige Geopolitik mit aller Härte kontern und sich und ihre Verbündeten schützen. Soleimani auszuschalten war aus Pompeos Sicht daher fast schon zwingend. Dass die Washington Post jüngst berichtete, der Außenminister habe schon "vor Monaten" mit Trump über eine Attacke auf Soleimani gesprochen, war insofern kaum überraschend.

Verteidigungsminister Esper hat nicht die Statur seines Vorgängers

Wann genau dieses Gespräch stattgefunden haben soll, schrieb die Zeitung nicht. Offensichtlich ist: Damals folgte Trump dem Ratschlag Pompeos nicht. Es ist daher möglich, dass das zu einer Zeit war, in der James Mattis noch Verteidigungsminister war. Der frühere General der Marineinfanterie war bestimmt kein Iran-Versteher, er hatte erlebt, wie die von Soleimani ausgerüsteten Milizen im Irak Hunderte GIs getötet hatten. Aber Mattis war als Politiker kein Haudrauf. Ob er einem so eskalationsträchtigen Schlag wie die Tötung Soleimanis zugestimmt hätte, ist offen.

Mattis allerdings trat Ende 2018 als Verteidigungsminister zurück. Und sein Nachfolger Mark Esper hat längst nicht die Statur seines Vorgängers. Zwar war auch Esper früher Soldat, er hat 1991 als Heeresoffizier im Golfkrieg gekämpft und wurde für seine Tapferkeit ausgezeichnet. Aber mit dem Viersternegeneral Mattis, dessen Spitzname "Mad Dog" Trump stets besonders imponiert hat, konnte der einstige Oberstleutnant Esper nicht mithalten.

Ebenso wenig verfügt Esper als Verteidigungsminister über den direkten Zugang zum Präsidenten, den Pompeo genießt. Nähe bedeutet in Washington Macht - und im Falle Trumps gilt diese Regel ganz besonders. Der Präsident vertraut nicht vielen Beratern, und eine Voraussetzung, um überhaupt Einfluss auf Trump nehmen zu können, ist, persönlich gut mit ihm auszukommen. Das schafft Pompeo. Schon als CIA-Chef hatte er sich dazu entschieden, alle paar Tage selbst ins Weiße Haus zu fahren, um dem Präsidenten Bericht zu erstatten. Normalerweise ist ein CIA-Mitarbeiter für dieses "Presidential Intelligence Briefing" zuständig. Doch Pompeo scheint früh erkannt zu haben, wie wichtig eine gute persönliche Beziehung zu Trump ist.

Pompeo handelt ganz nach Trumps Wünschen

Vermutlich war es daher auch kein Zufall, dass Pompeo als CIA-Direktor für Trump die politisch äußerst heikle Mission übernahm, die Gespräche mit dem nordkoreanischen Diktator Kim Jong-un einzufädeln. Was immer er selbst von dieser überraschenden Annäherung an einen Feindstaat gehalten haben mag - dem Präsidenten war es wichtig, also reiste Pompeo pflichtbewusst nach Pjöngjang.

Als Außenminister hat Pompeo diese Vertrauensstellung ausgebaut. Er ist in der Öffentlichkeit absolut loyal, er verteidigt den Präsidenten bei Fernsehauftritten offensiv - für Trump vielleicht der wichtigste Treuebeweis -, und er setzt die außenpolitische Agenda seines Chefs ohne Abstriche um. Genau so will es Trump.

Es gibt ein weiteres Detail, das einigen Washingtoner Beobachtern zufolge Auswirkungen auf das Binnenverhältnis zwischen Pompeo und Esper hat. Beide haben an der US-Militärakademie in West Point studiert, beide gehören zum Abschlussjahrgang 1986. Pompeo graduierte damals freilich als Klassenbester - eine Auszeichnung, die ihn über seine Kommilitonen heraushob, mithin auch über Esper, selbst wenn der später in einem Krieg diente und Pompeo mit seiner Einheit im friedlichen Deutschland stationiert war, wo er es nur bis zum Hauptmann brachte.

Pompeo ist einer der härtesten Iran-Gegner

Ob das alles tatsächlich heute noch wichtig für die Machtverteilung im Kabinett ist, darüber kann man wohl streiten. Klar ist: Pompeo ist in- und außerhalb der Regierung deutlich präsenter als sein Pentagon-Kollege. Paroli konnte ihm im Weißen Haus allenfalls John Bolton bieten, als dieser den Posten des Nationalen Sicherheitsberaters inne hatte. Seit Bolton im September 2019 durch den eher farblosen Robert O'Brien ersetzt wurde, ist Pompeos Einfluss noch einmal gestiegen.

Das wichtigste Element, das Pompeo und Trump verbindet, ist allerdings, dass er die America-first-Doktrin des Präsidenten teilt. Pompeo war immer schon ein außen- und sicherheitspolitischer Falke, der in den Kategorien von nationalen Interessen und militärischer Macht gedacht hat. Und Pompeo war auch immer ein Iran-Hardliner. Eine seiner ersten Amtshandlungen als CIA-Direktor war, die Einsätze gegen das Land massiv zu verstärken. Betraut wurde damit einer der härtesten Iran-Gegner des Geheimdienstes. Als Pompeo dann im April 2018 Nachfolger des glücklosen Außenministers Rex Tillerson wurde, war europäischen Diplomaten in Washington klar, dass diese Personalie das Ende des Atomabkommens mit Teheran bedeuten würde. Dass es danach noch schlimmer kommt, wurde zumindest befürchtet.

Teure Umwege

Re-Routing heißt der Fachbegriff. Die internationalen Fluggesellschaften reagieren auf die Eskalation der Lage in Iran und im Irak und ändern ihre Flugstrecken im Nahen Osten. Der iranische und irakische Luftraum werde nicht mehr überflogen, teilte etwa die Lufthansa mit. Für jeden Flug werde nun eine neue Route gewählt. Die Sicherheit der Passagiere und Mitarbeiter habe oberste Priorität. Auch die meisten internationalen Fluggesellschaften wie etwa Air France, Air Canada, Singapore Airlines oder die australische Qantas meiden jetzt das Gebiet.

Zuvor hatte die US-Luftfahrtbehörde FAA amerikanischen Piloten und Airlines Flüge im irakischen und iranischen Luftraum sowie über dem Golf von Oman verboten, viele andere Behörden folgten dem. Betroffen sind davon vor allem Verbindungen von Europa an den Golf. Es sei nicht ausgeschlossen, dass einige Flüge nun länger dauerten, hieß es. Qantas zum Beispiel hat ihre Verbindung von London nach Perth abgeändert, um Iran und den Irak zu umfliegen. Die längere Strecke bedeutet, dass Qantas weniger Passagiere mitnehmen kann und mehr Treibstoff verbraucht, um etwa 40 bis 50 Minuten zusätzlich zu fliegen. Alle Änderung gelten auf unbestimmte Zeit.

Zudem fliegen mehrere Gesellschaften Ziele in der Krisenregion nicht mehr an. Lufthansa strich zunächst den Mittwoch-Flug von Frankfurt nach Teheran, die tägliche Verbindung soll aber aufrechterhalten werden. Der Flughafen Teheran sei offen, für die Anflugsroute sowie den Bereich um den Airport gebe es keine Sicherheitsbeschränkungen, so Lufthansa. Das Auswärtige Amt hatte Reisenden geraten, nicht erforderliche Reisen nach Iran zu verschieben. Caspar Busse

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