Polizisten bei rassistischem Geheimbund:Nach Dienstschluss zum Ku-Klux-Klan

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Ritterschlag mit einem Deko-Schwert und Bibelstunde beim Klan-Chef - die zwei Polizisten aus Baden-Württemberg berichten über ihre Mitgliedschaft beim Ku-Klux-Klan. Eine Verbindung zu dem Mord an deren Kollegin Kiesewetter schließt die Bundesanwaltschaft aus.

Roman Deininger, Tanjev Schultz

Ein Trampelpfad führte von der Straße zu einer kleinen Ruine, in der Ferne waren die Lichter von Schwäbisch Hall zu sehen. Das neue Mitglied sah dann erst mal gar nichts mehr, seine Begleiter verbanden ihm die Augen. Über eine Treppe wurde der Mann in einen geschlossenen Raum geführt, in dem er die Binde abnehmen durfte.

Es ist amtlich: Zwei Polizisten aus Baden-Württemberg hatten Kontakt zu dem aus Amerika stammenden rassistischen Geheimbund Ku-Klux-Klan. (Foto: dpa)

Teelichter brannten, ein Holzkreuz war aufgestellt. Dort leistete das neue Mitglied seinen Schwur auf den Ku-Klux-Klan. Er stach sich mit einer Rasierklinge in den Finger und drückte einen Tropfen Blut auf die schriftliche Fassung des Schwurs. Dann kniete er sich auf den Boden. Mit einem "Ritterschlag", für den die Klansmänner wohl ein stumpfes Deko-Schwert aus dem Möbelhaus verwendeten, ging das Aufnahmeritual zu Ende.

"Rassenvermischung? Nein danke"

Der Mann, der kurz nach Weihnachten 2001 den "European White Knights of the Ku Klux Klan" beitrat und diese Szene später selbst beschrieb, war Polizist. Zur gleichen Zeit ist noch ein weiterer Polizeibeamter aus Baden-Württemberg Mitglied des rassistischen Geheimbunds gewesen. Das geht aus internen Dokumenten des baden-württembergischen Landesverfassungsschutzes hervor, die der Süddeutschen Zeitung vorliegen.

Beide Männer sollen den Klan nach einigen Monaten wieder verlassen haben, als sie die rechtsextreme Gesinnung anderer Mitglieder erkannten - zuvor, gab einer von ihnen zu Protokoll, hätte ihn besonders die "Bibelauslegung" durch den Klan-Chef "fasziniert". Zu der Gruppe, die mit dem Slogan "Rassenvermischung? Nein danke" auftrat, soll auch der heutige Chef der NPD-Jugendorganisation JN, Michael Schäfer, gehört haben.

Das Stuttgarter Innenministerium bestätigte am Mittwoch die Verbindungen der Beamten zu dem deutschen Ableger der amerikanischen Militantengruppe, der sich inzwischen aufgelöst haben soll. Es habe 2004 disziplinarrechtliche Konsequenzen gegen die heute 32 und 42 Jahre alten Polizisten gegeben, sagte ein Sprecher des Ministeriums, sie befänden sich aber weiter im Staatsdienst. Innenminister Reinhold Gall (SPD) habe den Landespolizeipräsidenten nun beauftragt, innerhalb von zwei Wochen einen "umfassenden Bericht" über den Fall vorzulegen. Dafür sollen die zwei Betroffenen ein weiteres Mal befragt werden.

Keine Verbindung zu Mord an Kiesewetter

Die Polizei war den beiden Beamten 2003 durch die Beobachtung des Chefs der schwäbischen Ku-Klux-Klan-Sektion auf die Spur gekommen. Bei dem Musiker einer Skinhead-Band wurden auch Fotos der Männer vor Klan-Fahnen gefunden. Jetzt sind die Akten von damals in den Unterlagen des Bundestags-Untersuchungsausschusses zu den NSU-Morden wieder aufgetaucht. Der Grund: Die beiden Polizisten waren bei der Böblinger Bereitschaftspolizei Kollegen der von der Zwickauer Terrorzelle 2007 in Heilbronn ermordeten Michèle Kiesewetter. "Sie kannten sich von Berufs wegen", sagte der Sprecher des Innenministeriums. Einer der beiden sei der Gruppenführer Kiesewetters gewesen, der andere ein normaler Kollege.

Die Bundesanwaltschaft hat jedoch keinen Hinweis auf eine Verbindung zwischen dem Mord an Kiesewetter und der Ku-Klux-Klan-Mitgliedschaft ihrer Kollegen. Der Mord an der jungen Beamtin, hieß es am Mittwoch erneut, sei ausschließlich den drei NSU-Mitgliedern zuzurechnen.

Aber auch ohne einen solchen Zusammenhang gibt es Kritik an der Polizei. "Wir brauchen Beamte mit interkultureller Kompetenz und nicht solche, die anfällig sind für tumben Rassismus", sagte Eva Högl, die SPD-Obfrau im NSU-Untersuchungsausschuss. "Den für Personalführung Zuständigen fehlte es offenkundig an Problembewusstsein." Auch Uli Sckerl, der Innen-Experte der Grünen-Fraktion im Stuttgarter Landtag, sieht "hohen Bedarf" an Aufklärung. "Polizisten beim rassistischen Ku-Klux-Klan, das ist für uns völlig unakzeptabel", sagte Sckerl. Die zwischen 2001 und 2004 politisch Verantwortlichen müssten jetzt "zur Aufklärung beitragen".

© SZ vom 02.08.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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