Polizeichat in Sachsen-Anhalt:Hausaufgaben und Judenwitze

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Innenministerin Tamara Zieschang (r.) und Thorsten Führing, Rektor der Fachhochschule der Polizei in Sachsen-Anhalt, informieren auf einer Pressekonferenz über den Polizeichat. (Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa)

In Sachsen-Anhalt sollen 18 Polizisten aus dem Dienst entlassen werden, weil sie in einer Chatgruppe antisemitische und gewaltverherrlichende Inhalte teilten.

Von Iris Mayer, Magdeburg

Weil sie als Polizeischüler an einem Klassenchat mit nationalsozialistischen, antisemitischen und gewaltverherrlichenden Inhalten beteiligt waren, sollen 18 Bedienstete der Polizei in Sachsen-Anhalt ihren Job verlieren.

Gegen mindestens vier der Beschuldigten wurden wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, Volksverhetzung und Verbreitung gewalt- und tierpornografischer Schriften zudem strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet. Sachsen-Anhalts Innenministerin Tamara Zieschang (CDU) sagte am Dienstagnachmittag: "Dieser Klassenchat ist eine Schande für die Landespolizei."

Erkennbar angefasst schilderte sie Einzelheiten; demnach existierten die Chats zwischen 2017 und 2020 und dienten eigentlich zum Austausch über Hausaufgaben und Prüfungsvorbereitungen, aber auch von antisemitischen und gewaltverherrlichenden Inhalten. Elf Männer und Frauen stellten demnach aktiv Beiträge ein. Der Chat flog nicht etwa auf, weil sich Polizeischüler an Vorgesetzte wandten oder Anzeige erstatteten, sondern im Zuge anderer Ermittlungen gegen einen Polizeianwärter.

"Es muss gegen die Betroffenen hart und konsequent durchgegriffen werden"

Von den mehr als 5000 Einzelnachrichten seien mindestens 50 rassistisch oder gewaltverherrlichend gewesen, berichtete die Innenministerin. Als Beispiel führte Zieschang ein Hitlerbild an, unter dem gestanden habe: "Drei Juden gehen in eine Bar. War ein Spaß, es ist eine Gaskammer." Das Bild einer zerstückelten Frauenleiche sei mit dem Wort "Lego" betitelt gewesen. "Ich bitte um Verständnis, dass ich die widerwärtigen pornografischen Inhalte hier nicht beschreibe", so Zieschang auf der eigens einberufenen Pressekonferenz weiter.

Die Beschuldigten hätten zum Teil sehr gute Abschlüsse an der Polizeihochschule erworben, laut Innenministerium standen sie kurz vor ihrer Verbeamtung. Nun liefen gegen alle Entlassungsverfahren, so Zieschang. "Dieses Verhalten und insbesondere die Inhalte des Chats, die mit der Pflicht zur Verfassungstreue nicht zu vereinbaren sind, werden von mir, von der gesamten Landespolizei nicht toleriert. Sie widersprechen unserem Berufsethos und unserem Leitbild."

Allerdings stehe man erst am Anfang der Aufarbeitung, in diese soll auch der Polizeirabbiner mit einbezogen werden, ebenso wie der Ansprechpartner für jüdisches Leben in Sachsen-Anhalt und Experten für interkulturelle Kompetenz.

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Landespolizei und Innenbehörde nähmen den Vorfall sehr ernst, "es muss gegen die Betroffenen hart und konsequent durchgegriffen werden", sagte der innenpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Chris Schulenburg. Sein SPD-Pendant Rüdiger Erben forderte intensive Arbeit mit Polizeianwärtern vom ersten Tag der Ausbildung an: "Es geht nicht nur um die Vermittlung von Fachwissen, sondern auch von Werten."

Die innenpolitische Sprecherin der Linken-Fraktion, Henriette Quade, mahnte eine neue Polizeikultur an, und neben einer Aufarbeitung der Vorfälle den politischen Willen, Rassismus, Antisemitismus, Rechtsextremismus als politisches Problem zu bearbeiten.

Die Fachhochschule der Polizei in Aschersleben stand bereits 2018 in den Schlagzeilen, damals ging es um den Verdacht des Drogenhandels. Mehrere angehende Polizisten wurden entlassen.

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