Polizeigewerkschaft zu Krawallen in Köln:"Kampf gegen Salafismus ist nur ein Alibi"

Hooligan-Demo gegen Salafisten

Die Polizeigewerkschaft warnt vor der Gruppe "Hooligans gegen Salafisten".

(Foto: dpa)
  • Die Polizeigewerkschaft GdP warnt nach den Ausschreitungen in Köln vor dem Gewaltpotenzial der Gruppe "Hooligans gegen Salafisten".
  • Die Polizei steht in der Kritik - sie habe die Gefahr unterschätzt. NRW-Innenminister Jäger verteidigt das Vorgehen.

Polizeigewerkschaft sieht "neue Qualität der Gewalt"

Nach den massiven Krawallen von Hooligans und Rechtsextremen in Köln warnt die Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Nordrhein-Westfalen vor einer neuen Qualität der Gewalt. Es sei erschreckend, welchen Zulauf die sogenannten "Hooligans gegen Salafisten" in den vergangenen Wochen bekommen hätten, sagte der GdP-Landesvorsitzende Arnold Plickert. "Wenn sich diese Gruppe jetzt verfestigt und noch wächst, dann haben wir aus meiner Sicht eine neue Qualität der Gewalt."

Der Zusammenschluss von Hooligans und Rechtsextremen sei eine äußerst gefährliche Entwicklung, sagte Plickert: "Der Kampf gegen den Salafismus ist nur ein Alibi" - man wolle die Gewalt ausleben. Der Landeschef der Polizeigewerkschaft DPolG, Erich Rettinghaus, hatte schon zuvor im Kölner Stadtanzeiger gewarnt, dass bestimmte Hooligans Ängste in der Bevölkerung bezüglich islamistischer Extremisten ausnutzten. Sie drängelten sich "in die Rolle der Gutmenschen", um mehr Anhänger zu mobilisieren. In Dortmund hatten sich Anfang Oktober mehr als 300 Mitglieder der Gruppe versammelt.

Das sagt die Polizei zu den Krawallen von Köln

In Köln kamen am Sonntag mindestens 4000 gewaltbereite Fans von teils verfeindeten Fußballklubs mit Rechtsextremen zu einer Kundgebung zusammen. Dazu aufgerufen hatte die rechtsextreme Partei Pro-NRW, Organisator war laut Polizei die Vereinigung "Hooligans gegen Salafisten". Es kam zu massiven Ausschreitungen. Demonstranten hätten Feuerwerkskörper abgebrannt und dann teils in stark alkoholisiertem Zustand Polizisten mit Flaschen und Feuerwerkskörpern angegriffen. Mit Beginn der Ausschreitungen erklärten die Organisatoren die Versammlung für beendet, teilte die Polizei mit. Die Beamten setzen Wasserwerfer, Pfefferspray und Schlagstöcke ein. 44 Polizisten wurden verletzt, einer davon schwer. Auf Seiten der Demonstranten wurde nach Polizeiangaben eine Person verletzt. 17 Gewalttäter wurden festgenommen. "Das Gewaltpotenzial war insgesamt wahnsinnig groß, es herrschte eine sehr aggressive Stimmung der Polizei gegenüber", sagte ein Polizeisprecher.

Verfassungsschützer: Rechte schließen sich Hooligans an

Treibende Kraft der Ausschreitungen waren nach Einschätzung des Verfassungsschutzes gewaltbereite Hooligans. Rechtsextremisten hätten sich der Bewegung angeschlossen, sie aber nicht gesteuert, sagte der Chef des NRW-Verfassungsschutzes, Burkhard Freier, im WDR. Die Behörden seien davon nicht überrascht worden, betonte er. Polizei und Verfassungsschutz hätten Erkenntnisse gehabt, dass gewaltbereite sowie Hooligans mit Überschneidungen zur rechten Szene demonstrieren würden, sagte Freier. Hinzugekommen seien gewaltbereite Rechtsextremisten aus ganz Deutschland. Es seien Hooligans zusammengekommen, die sich sonst bekämpfen, die aber glauben, hier ein Ziel gefunden zu haben, mit dem sie eigene Stärke nach außen zeigen und Gewalt ausüben könnten, so Freier.

Bundesjustizminister Heiko Maas hat nach den Ausschreitungen ein konsequentes Vorgehen gegen die Gewalttäter angekündigt. "Wir dürfen nicht zulassen, dass sich gewalttätige Salafisten und Rechtsextreme gegenseitig hochschaukeln", sagte der SPD-Politiker in Berlin.

NRW-Innenminister Jäger verteidigt Polizeiarbeit

Die Linke in NRW kritisierte, die Polizei habe mit ihrer "verharmlosenden Gefahrenanalyse" völlig falsch gelegen und nahm Innenminister Ralf Jäger dafür in die Verantwortung. Der SPD-Politiker wies die Kritik am Einsatz der Polizei jedoch zurück. "Das Polizeikonzept hat funktioniert", sagte Jäger am Montag im ZDF-Morgenmagazin.

"Die Demonstration ist vom Veranstalter abgebrochen worden. Aber die ehemaligen Teilnehmer haben sich geweigert, das Veranstaltungsgelände zu verlassen", sagte Jäger. Die Polizei habe dann alle zum Hauptbahnhof geleitet. "Das war eine schwierige Situation gestern in Köln", sagte Jäger.

Die Polizei hat nach den Krawallen bislang 57 Strafanzeigen erstattet. Die Beamten richteten eine Ermittlungsgruppe ein, um die zahlreichen Videoaufnahmen sowie Zeugenaussagen zu sichten, teilte der Sprecher der Kölner Staatsanwaltschaft mit. Als Strafvorwürfe kommen gefährliche Körperverletzung, Verstoß gegen das Vermummungsverbot und Landfriedensbruch infrage. Polizeigewerkschafter Plickert forderte, es müsse bei solchen Einsätzen von vornherein mehr Festnahmen geben, um leichter Beweise gegen mutmaßliche Straftäter sichern zu können.

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