Polizeigewalt in Griechenland:Im Visier der Antifolter-Wächter

Lesezeit: 1 Min.

Fausthiebe, Fußtritte, Stockschläge: Griechische Polizisten gehen nicht gerade zimperlich mit Festgenommenen um. Jetzt erhebt das Antifolterkomitee des Europarates schwere Vorwürfe.

Es sind Szenen, wie man sie in einer Diktatur erwarten würde. Tatsächlich aber sollen sie sich in einem demokratischen Land ereignen - mitten in Europa: Im Polizeigewahrsam in Griechenland kommt es offenbar zu brutalen Übergriffen auf Festgenommene. Fausthiebe, Fußtritte und Stockschläge seien gängige Praktiken. Einige grenzten an Folter. Zu diesem Ergebnis kommt ein Bericht des Antifolterkomitees des Europarates.

Brutale Übergriffe und menschenunwürdige Lebensumstände: In griechischen Gefängnissen und Abschiebezentren sollen teils katastrophale Zustände herrschen. (Foto: dpa)

In Thessaloniki sei einem Mann eine Plastiktüte über den Kopf gestülpt worden - und die Beamten hätten gedroht, ihn zu vergewaltigen. Auch in Gefängnissen und Abschiebezentren herrschten teils katastrophale Zustände, kritisieren die Menschenrechtsexperten in ihrem am Mittwoch in Straßburg vorgelegten Report. Die Regierung in Athen wies die Beschuldigungen über schwere Misshandlungen zurück.

Keine Flüchtlinge mehr nach Griechenland

Untragbare Zustände sollen auch in den Abschiebezentren für Flüchtlinge herrschen, die aus anderen Ländern nach Griechenland zurückgeschickt werden. Die Menschen könnten sich dort kaum waschen, hätten keine Seife und nicht einmal Toilettenpapier, so die Kritik des Europarates. Als ein Negativ-Beispiel nannten die Autoren das Abschiebezentrum am Athener Flughafen.

Wegen dieser Zustände hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) kürzlich an Länder wie Österreich, die Niederlande und Großbritannien appelliert, bis auf weiteres keine Flüchtlinge mehr nach Griechenland zurückzuschicken.

Auch in einigen Gefängnissen soll die Lage dramatisch sein. Als "menschenunwürdig" beschreibt das Komitee die Lage im Gefängnis in Amfissa, 200 Kilometer nordwestlich von Athen: wegen Überfüllung, unzureichender und verseuchter Schlafplätze, Personalmangels und fehlender ärztlicher Versorgung. Überbelegung sei allerdings nicht nur ein Problem in Griechenland.

Der Bericht des Antifolterkomitees war usprünglich vertraulich - doch die Regierung in Athen genehmigte die Veröffentlichung und publizierte gleichzeitig einen eigenen Bericht mit mehr als 70 Seiten, der zu den Vorwürfen Stellung nimmt. Darin heißt es, Ermittlungen einzelner, schwerer Fälle hätten keine Ergebnisse erbracht.

Das Antifolterkomitee überprüft regelmäßig die Haftbedingungen in den 47 Europaratsländern. Ärzte und Menschenrechtsexperten des Komitees hatten im September 2009 griechische Polizeidienststellen, Haftanstalten und Abschiebezentren kontrolliert.

© dpa/mikö - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: