Polizei:Kaum Schulungen zu Rassismus und Antisemitismus bei der Polizei

Polizei: Thüringer Polizistinnen und Polizisten werden im Umgang mit ihren Motorrädern geschult.

Thüringer Polizistinnen und Polizisten werden im Umgang mit ihren Motorrädern geschult.

(Foto: Martin Schutt/dpa)

Beide Themen seien nur in fünf Bundesländern fester Teil der Ausbildung - und Nachschulungen für Beamte, die ihren Dienst schon länger ausüben, seien nirgendwo in Deutschland vorgesehen, behauptet eine Studie. Doch stimmt das auch?

Von Christian Wernicke, Düsseldorf

Die Polizeibehörden von Bund und Ländern leisten laut einer neuen Studie zu wenig, um Rassismus und Antisemitismus in den eigenen Reihen einzudämmen. Zu diesem Ergebnis gelangt eine Untersuchung des Mediendienstes Integration, die unter anderem die Aus- und Fortbildung von Polizeianwärtern und Polizistinnen prüfte. Motiv für die Studie waren Beschwerden von People of Colour in Deutschland über sogenanntes "racial profiling," also anlasslose Polizeikontrollen, die offensichtlich nur aufgrund äußerer Merkmale wie der Hautfarbe vorgenommen wurden.

Nur in fünf Bundesländern zählen sensibilisierende Unterrichtseinheiten zu Rassismus und Antisemitismus in der Polizei zum festen Bestandteil der Ausbildung von Ordnungshütern. Solche Module gehören in Berlin, im Saarland und in Thüringen zum Pflicht-Kanon für alle Polizei-Anwärter. In Sachsen-Anhalt und in Baden-Württemberg müssen sich immerhin Kandidatinnen für den gehobenen Dienst mit diesen Themen beschäftigen. In den übrigen Ländern sowie bei der Bundespolizei stehen solche Probleme laut Studie hingegen nicht im Lehrplan.

Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt der Mediendienst Integration - ein von verschiedenen Stiftungen, der EU sowie der Bundesregierung geförderter Info-Service - bei der Prüfung der Fortbildung von Polizisten, die sich bereits im Dienst befinden: Während ihrer oft jahrzehntelangen Laufbahn müssen sie sich in keinem einzigen Bundesland einer antirassistischen Fortbildung stellen. Auch die Bundespolizei verlangt keine verpflichtende Nachschulung zu diesen Themen. Freiwillige Fortbildungen bieten sieben Länder an (Brandenburg, Hamburg, Hessen, NRW, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Thüringen). In Bayern und im Saarland dürfen laut Studie nur Führungskräfte nachsitzen, um sich gegen Rassismus und Antisemitismus zu wappnen. Der Mediendienst verweist auf das Beispiel Sachsen: Dort hätten im vorigen Jahr ganze drei Beamte an einer freiwilligen Fortbildung zum Thema Rassismus teilgenommen.

Während der Vorstellung der Studie betonte der Rechtsanwalt Blaise Francis Ndolumingo, der pro bono wiederholt Opfer von Rassismus vertrat, die Gefahr rassistischer Übergriffe gehe nur "von einer kleinen Minderheit" innerhalb der Polizei aus. Da aber nach Anzeigen gegen Polizisten wegen mutmaßlicher Übergriffe im Amt nur ungefähr zwei Prozent der Verfahren zu einer Anklageerhebung führten, sei Prävention besonders wichtig.

Mehr Beschwerdestellen für Bürger nötig

Auf SZ-Anfrage widersprach etwa das NRW-Innenministerium der Studie: Rassismus wie auch Probleme des "racial profiling" seien sehr wohl Teile der polizeilichen Grundausbildung wie auch der Fortbildung. Dies werde theoretisch vermittelt und auch in praktischen Übungen trainiert. Das Ministerium will nun den "ergänzenden Austausch" mit Verfassern der Studie suchen. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Fiedler, der frühere Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), warnte davor, die Polizeiausbildung zur "Wurzel des Problems" zu machen. Wichtig seien auch unabhängige Anlaufstellen für Bürger, die mutmaßliche polizeiliche Willkür melden wollten.

Allerdings ergab die neue Studie auch, dass erst in sieben der 16 Bundesländer unabhängige Polizei-Beschwerdestellen existieren. Dies sind Baden-Württemberg, Berlin, Bremen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein. In Nordrhein-Westfalen, wo 2020 Dutzende Polizisten in rassistischen und frauenfeindlichen Chatgruppen entdeckt worden waren und nun im Juli erneut sieben Angehörige eines Spezialeinsatzkommandos (SEK) wegen ähnlicher Vorwürfe vom Dienst suspendiert wurden, hat CDU-Innenminister Herbert Reul wiederholt eine "Null-Toleranz-Strategie" auch im Inneren der Polizei angeordnet. Einen unabhängigen Polizeibeauftragten hatte Reul hingegen jahrelang abgelehnt. Die Grünen setzten nun im Koalitionsvertrag der neuen schwarz-grünen Regierung durch, einen Polizei-Beauftragten für Bürgerbeschwerden unter dem Dach des NRW-Landtags zu schaffen.

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