Studie:Bei der Polizei wächst die Ablehnung von Minderheiten

Lesezeit: 3 Min.

Berlin-Neukölln. Die Motivation vieler Polizisten sei, anderen Menschen zu helfen, sagt Bundesinnenministerin Faeser. (Foto: Caroline Bock/DPA)

Unter den Beamten werden autoritäre Denkmuster populärer und die Bereitschaft wächst, Muslime und Obdachlose herabzusetzen. Das zeigt eine Untersuchung der Deutschen Hochschule der Polizei.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Die meisten Polizistinnen und Polizisten in Deutschland identifizieren sich stark mit ihrem Job, werden aber auch anfälliger für Diskriminierung von Minderheiten wie Asylbewerbern. Das zeigt eine Studie der Deutschen Hochschule der Polizei, die im Auftrag des Bundesinnenministeriums erstellt wurde. Demnach hat jeder dritte Beschäftigte der Polizei im Dienst schon mal rassistische Bemerkungen von Kollegen gehört.

40 Prozent der Befragten beobachteten, dass Polizisten sich sexistisch äußerten. Wohnungslose wurden nach der Untersuchung überdurchschnittlich oft abgewertet. Die Zustimmung zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung dagegen werde bei der Polizei „mehrheitlich“ geteilt, menschenfeindliche Einstellungen zeige nur eine Minderheit.

Jeder Fall von Menschenfeindlichkeit müsse Konsequenzen haben, fordert Faeser

„Die größte Motivation vieler Polizistinnen und Polizisten ist, anderen Menschen zu helfen – und das in einer Zeit, in der es immer mehr Angriffe auf Einsatzkräfte gibt“, erklärte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) nach Veröffentlichung der Studie. Sie biete differenzierte Erkenntnisse über Gewalterfahrungen im Dienst und deren Folgen, aber auch über politische Einstellungen in den Polizeien der Länder und des Bundes. An einer transparenten Fehlerkultur werde weiter gearbeitet. „Dabei ist klar: Es gibt null Toleranz gegenüber Rechtsextremismus, Rassismus und anderen Formen von Menschenfeindlichkeit. Jeder derartige Vorfall muss deutliche Konsequenzen haben“, so Faeser.

Anlass der Studie „Motivation, Einstellung und Gewalt im Alltag von Polizeivollzugsbeamten“ war 2020 das Bekanntwerden rechtsextremistischer Chats unter Polizisten. In Nordrhein-Westfalen wurde 29 Beamtinnen und Beamten damals vorgeworfen, Bilder von Adolf Hitler und einem Flüchtling in einer Gaskammer verschickt zu haben, versehen mit rassistischen Kommentaren. Auch in Hessen wurde wegen rechtsextremistischer Hetze gegen ein Dutzend Polizisten ermittelt. Eine Untersuchung über institutionellen Rassismus bei der Polizei sollte her, der damalige Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) aber lehnte ab. Stattdessen gab er 2021 eine Studie in Auftrag, die neben politischen Einstellungen vor allem Berufsalltag und Gewalterfahrungen der Polizei in den Blick nahm, also stärker deren Perspektive.

Ein Berufsstand unter Druck und mit hohem Risiko von Gewalterfahrungen

Aus zwei zeitlich versetzten Online-Befragungswellen, an der sich mehr als 40 000 Beamtinnen und Beamte beteiligten, ergibt sich nun das Bild eines Berufsstands unter Druck – aber auch mit wachsender Neigung, gesellschaftliche Minderheiten herabzusetzen. Das Risiko, im Dienst Opfer einer Gewalttat zu werden, liege bei der Polizei „um ein Mehrfaches höher als in der Gesamtbevölkerung“, so das Forscherteam. Am häufigsten werde sie Opfer von Beschimpfungen und Provokationen, oft seien Alkohol, Drogen oder psychische Erkrankungen im Spiel.

Bemerkenswert sei allerdings, so die Studie, dass bei allen abgefragten Erlebnissen ein Großteil der Befragten „keine hohen oder sehr hohen Belastungen“ empfinde. Selbst bei schwerer Gewalterfahrung habe „eine sehr große Gruppe“ von Polizistinnen und Polizisten angegeben, hierin „keine oder allenfalls eine mittlere Belastung“ zu sehen. Negative Erfahrungen allerdings und häufige Konfrontation mit Tod und Leid könnten eine „dauerhafte Wirkung“ entfalten.

Kein ausgemachtes Rassismusproblem, doch zunehmend problematische Einstellungen

„Man findet wenige Hinweise auf radikale Positionen, aber einige Eindrücke, die auf Verunsicherungen und uneindeutige Positionen schließen lassen“, so die Untersuchung. Menschenfeindliche Positionen kämen bei der Polizei insgesamt ähnlich oft vor wie in der Gesamtbevölkerung. Sie habe auch kein ausgemachtes Rassismusproblem.

Problematische Einstellungen allerdings hätten zugenommen. Bei der ersten Befragung zwischen November 2021 und Oktober 2022 gaben elf Prozent der Befragten Muslimfeindlichkeit zu Protokoll, etwa Zustimmung zu dem Satz: „Muslimen sollte die Zuwanderung nach Deutschland untersagt werden.“ Bei der zweiten Befragung zwischen November 2023 und März 2024 unterstützten bereits 17 Prozent solche Haltungen.

Wer rassistische Äußerungen oder korruptes Verhalten bei Kollegen bemerkte, unternahm dagegen persönlich meist nichts. Das heißt aber nicht unbedingt, dass keine Anzeige erstattet wurde.

Auch Autoritarismus verstärkte sich laut Studie bei der Polizei, also Zustimmung zu Sätzen wie: „Gegen Außenseiter und Nichtstuer in der Gesellschaft sollte mit aller Härte vorgegangen werden.“ Die Ablehnung von Asylsuchenden stieg von 30 Prozent auf 42 Prozent.

Nur sechs Prozent der Polizistinnen und Polizisten plädierten 2023/24 für großzügige Prüfung von Asylanträgen. Populärer als in der Gesamtbevölkerung sind bei der Polizei nationalistische Positionen und Forderungen wie ein „hartes und energisches Durchsetzen deutscher Interessen gegenüber dem Ausland“ oder „endlich wieder Mut zu einem starken Nationalgefühl“. Über die Hälfte der Befragten in beiden Runden fand diese Einstellung richtig.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusPolizei
:An der Schmerzgrenze

Manchmal fügen Polizisten Demonstrierenden absichtlich Schmerzen zu, um sie zu disziplinieren – eine umstrittene Maßnahme, die auch vor Gerichten landet. Experten debattieren darüber, wie weit die Ordnungshüter gehen dürfen.

Von Ronen Steinke

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: