Polizei: Schießtraining:Ausgeballert

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Unfälle und Pannen beim Waffeneinsatz von Polizisten - offiziell gelten sie als beklagenswerte Einzelfälle. Doch viele Beamte sehen sie als Symptom eines zunehmenden Problems: Sie klagen über zu wenig Training am Schießstand.

Joachim Käppner

Krefeld 2009: Bei einer Drogenrazzia dringen zwei Polizisten in eine Wohnung ein und überraschen dort einige Männer. Ein Uniformierter hält zwei der Verdächtigen mit seiner Dienstpistole in Schach, da löst sich aus der Waffe ein Schuss und verletzt einen der beiden Männer an der Schulter.

Viele Polizisten glauben, die Schießausbildung ist nicht gut genug, der durchschnittliche Beamte nicht vertraut genug mit seiner Waffe. (Foto: N/A)

Regensburg 2009: Polizeibeamte töten den Studenten Tennessee Eisenberg mit zwölf Schüssen; vermeintlich in Notwehr, obgleich die Zweifel nie ausgeräumt werden konnten, ob die acht Polizisten den jungen Mann, der sie vor seiner Wohnung mit einem Messer bedrohte, nicht anders hätten stoppen können.

Hannover 2010: Ein Oberkommissar hantiert im Büro mit seiner neuen Heckler & Koch P2000-Pistole - ein Schuss löst sich, der Kommissar stirbt.

Unfälle und Pannen beim polizeilichen Waffeneinsatz gelten offiziell als beklagenswerte Einzelfälle. Aber viele Polizisten sehen sie als Symptom eines zunehmenden Problems: Die Schießausbildung ist nicht gut genug, der durchschnittliche Beamte nicht vertraut genug mit seiner Waffe. Ein SEK-Beamter sagt kritisch: "Viele Kollegen von der Streife fürchten sich vor ihrer eigenen Dienstpistole." Und beim Zoll, wo das Schießtraining traditionell großen Raum einnimmt, lästern die Kollegen in ihren Internetforen: "Im Ernstfall ist jeder Zöllner von der Übung her den meisten Polizisten haushoch überlegen."

Dabei müsste die Schießausbildung besser sein denn je. Denn die Gewalt gegen Polizeibeamte nimmt zu und damit die Notwendigkeit, zur Waffe zu greifen. Und die neuen Einsatzrichtlinien für Amokläufe sehen vor, dass die Polizei so schnell wie möglich handeln soll - die Zeit, um auf die Spezialisten vom SEK zu warten, haben die Beamten am Tatort nicht. Beim Amoklauf von Lörrach stellten die herbeigerufenen Polizisten die Täterin und erschossen sie in Notwehr.

Der Vorsitzende der deutschen Polizeitrainer, Eckhard Niebergall, spricht im Verbandsmagazin von "einem klaren Paradigmenwechsel hin zum sofortigen Einschreiten", der "auf Druck von Öffentlichkeit und Politik zurückzuführen ist". Nur leider fehle "auch die ausreichende Schulung des Personals". Die Experten des Vereins haben errechnet, dass im Training 80 Prozent der Schüsse treffen, im Einsatz aber nicht einmal 20 Prozent. Das bedeutet: Wer auf dem Schießstand schwarze Pappfiguren durchlöchert, reagiert im Stress des Einsatzes noch lange nicht ebenso präzise. Es fehlt sowohl an realitätsnaher Ausbildung als auch an Übungsstunden. In vielen Bundesländern wird nur zweimal im Jahr auf dem Schießstand geübt, die Munition ist auf wenige Dutzend Schuss limitiert. Grund dafür sind starre Vorschriften sowie Sparmaßnahmen. "Einsatzmunition ist teuer", sagt ein erfahrener Beamter, "die sollen wir nicht verballern."

Polizisten gehen inzwischen verstärkt in Schützenvereine, um dort mit der Waffe trainieren zu können. Das führt, wie in Nordrhein-Westfalen, zu einer kuriosen Situation: Dort ist die Polizei angehalten, die Besitzer legaler Schusswaffen, meist Sportschützen, schärfer zu kontrollieren - während die Kollegen eben in deren Vereinen das Schießen üben. Dabei hat Nordrhein-Westfalen die Ausbildung zuletzt verbessert. Geübt wird im "Schießkino", wo Bedrohungssituationen realistisch dargestellt werden. Und schließlich, sagt der Pressesprecher der Gewerkschaft der Polizei (NRW), Stephan Hegger: "Wichtig ist nicht nur, gut schießen zu können. Ebenso wichtig ist es, wie man lernt, es gar nicht erst so weit kommen zu lassen."

© SZ vom 05.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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