Süddeutsche Zeitung

Rechtsextremismus bei der Polizei:Fatale Nachsicht

Das Beamtenrecht ist milde: Ein Polizist braucht in Deutschland keine weiße Weste zu haben. Aber rechtsextreme Propaganda sollte genügen, um einen Menschen als Polizisten sofort zu disqualifizieren.

Kommentar von Ronen Steinke

Es sind nur wenige Polizisten, die den Namen ihrer Institution derart in den Dreck ziehen. Es sind nur wenige, die intern mit Nazisymbolen Späße treiben oder rassistische Sprüche per Whatsapp teilen, wie jetzt in einem Fall in Frankfurt aufgedeckt worden ist. Oder zuletzt in Sachsen, wo Polizeischüler Hasslieder zirkulieren ließen ("Wir hassen alle Afrikaner") und wo sich ein Beamter im Einsatz den Decknamen "Uwe Böhnhardt" gab, in memoriam des rassistischen Mörders vom NSU. Aber es herrscht in der Polizei oft falsche Nachsicht mit diesen Wenigen. Das ist eine Schuld der Vielen.

In Sachsen bei "Böhnhardt" heißt es nach drei Monaten nur: Die disziplinarrechtlichen Ermittlungen laufen. Das ist alles. Die Dienststelle "prüft", das heißt sie überlegt. Bekommt der Beamte am Ende einen "Verweis", also ein Klopfen auf die Finger, so wie der Berliner Polizist neulich, der eine SMS mit "88" beendete, kurz für Heil Hitler?

Das Beamtenrecht ist milde. Es erlaubt solche Nachsicht leider. Ein Polizist braucht in Deutschland keine weiße Weste zu haben. Er kann theoretisch sogar bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilt werden, ohne seinen Job zu verlieren. Aber das legt die Entscheidung in die Hand der Polizei-Vorgesetzten; das hindert die Polizeiführung nicht, in begründeten Fällen durchzugreifen.

Noch fehlt ihr oft das Verständnis dafür, wie sehr das Vertrauen in die Polizei pulverisiert wird durch solche ekelerregenden Ausfälle Einzelner. Wie sehr die Arbeitsfähigkeit der Polizei insgesamt Schaden nimmt, wenn der Anschein entsteht, dass in den Reihen der Polizei so etwas für lustig gehalten wird. Dass Polizisten bei rassistischem Terror am liebsten johlend zuschauen würden.

Bei der Frankfurter Polizei steht jetzt noch ein weitaus größerer Verdacht im Raum. Womöglich, so steht zu befürchten, haben die fünf Beamten, die dort in einer Whatsapp-Gruppe wochenlang Nazisprüche teilten, sich darüber hinaus auch an der Bedrohung einer türkischstämmigen Rechtsanwältin beteiligt. Das müssen Ermittler jetzt aufklären, da ist ein sauberes, klares, natürlich ergebnisoffenes Strafverfahren gefragt. Mit der Frage allerdings, ob die fünf Hetz-Beamten noch eine berufliche Zukunft in der Polizei verdient haben, braucht man so lange nicht zu warten.

Rechtsextreme Propaganda - das ist die Ansage, dass man auf das Grundgesetz pfeift. Das sollte genügen, um einen Menschen als Polizisten sofort zu disqualifizieren.

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Quelle:
SZ vom 17.12.2018/lalse
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