Parlamentswahl in Iran:Demokratie im Dienste der Religion

Lesezeit: 2 Min.

Akademiker, älter als 30 Jahre, linientreu, sucht Mandat: Zur Parlamentswahl in Iran können nur ausgewählte Personen antreten. Aus Protest boykottieren Reformparteien die erste Wahl seit 2009. Auch deshalb sagt sie wenig über die Stimmung der Bürger aus, demonstriert aber die Machtkämpfe innerhalb der Regierung.

Nakissa Salavati

Theokratisch-autoritär mit demokratischen Zügen: Das politische Hybridsystem Irans ist in der Welt einmalig und erweist sich bisher als stabil. Aber es regt sich regelmäßig Widerstand, auch anlässlich der diesjährigen Parlamentswahl: Reformparteien riefen dazu auf, das Regime durch Wahlboykott abzustrafen. Doch die Führung versucht mit allen Mitteln, eine hohe Wahlbeteiligung zu erreichen: Die Behörden haben die Schließung der Wahllokale um mehrere Stunden nach hinten verschoben. Staatsmedien berichteten von einem regen Andrang, Augenzeugen konnten dies aber nicht bestätigen. Dass das politische System Irans wackelt, ist aber unwahrscheinlich, denn die Fäden scheinen fest in der Hand der religiösen Hüter. Ein Überblick:

Vom Wächterrat gebilligt: Die Kandidaten für die Parlamentswahl müssen sich regimetreu zeigen. Reformparteien haben daher zum Wahlboykott aufgerufen. (Foto: Reuters)

Das Parlament: Auf den Wahlplakaten lächelten sie optimistisch. Die Kandidaten für die iranische Parlamentswahl hatten die erste Hürde auch schon hinter sich: die Ideologieprüfung. Denn der Wächterrat, vom Staatschef kontrolliert, siebt streng aus. Nur wer über dreißig Jahre alt ist, ein Unidiplom besitzt und sich als linientreu erwiesen hat, kann zur Wahl antreten.

Bewerber der Reformparteien hatten entsprechend wenige Chancen. Deswegen stellten sie sich gar nicht erst auf und riefen zum Wahlboykott auf. Die 290 Mandate gehen also wieder an die regierenden Konservativen. Diese sind sich untereinander aber alles andere als einig, denn zwischen den Anhängern von Präsident Ahmadinedschad und denen des Staatschefs Chamenei herrscht ein Kampf um die parlamentarische Vorherrschaft.

Das Volk wählt die Kandidaten direkt. Diese entscheiden dann über das Staatsbudget, fordern Minister zu Stellungnahmen auf, üben durch die Presse Druck auf den Präsidenten aus und entscheiden bei internationalen Verträgen mit. Die parlamentarische Macht hat aber Grenzen. Sie sind so abgesteckt, dass das System des herrschenden Revolutionsführers Chamenei nicht bedroht wird: So unterziehen sich weder er, noch andere Machtorgane, etwa die militärischen Revolutionsgarden, der parlamentarischen Kontrolle.

Staatschef: Der mächtigste Mann im Staat ist Ayatollah Ali Chamenei. Der schiitische Geistliche ist der Religions- und Revolutionsführer des Staats. Begonnen hatte die Herrschaft der Theokraten nach dem Sturz des persischen Schahs 1979. Seitdem hält der jeweils angesehenste und gelehrteste Mann des Klerus die Fäden in der Hand. Der auf Lebenszeit ernannte Oberaufseher legt zwar die Richtlinien der Politik fest, hält sich aber aus politischen Richtungskämpfen heraus. Mit dieser Tradition brach Chamenei 2009: Als tausende Demonstranten gegen Ahmadinedschad auf die Straße gingen, ließ er die Proteste niederschlagen und hielt den Präsidenten. Außerdem ernennt er den für die Wahlen so wichtigen Wächterrat.

Wächterrat: Jeweils sechs Islamgelehrte und Juristen überprüfen die Kandidaten für die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen auf formale und ideologische Kriterien. Außerdem kontrolliert der Wächterrat die Vereinbarkeit der parlamentarischen Beschlüsse, also der Gesetze, mit der Verfassung.

Präsident: Für seine wortreichen Auftritte ist Mahmud Ahmadinedschad weltbekannt. Mit seinem rüpelhaft-aggressiven Auftreten ging er wiederholt westliche Länder an und drohte Israel. Die Wortgewalt trügt aber, denn seine Macht ist begrenzt: Die Minister seines Kabinetts müssen von Parlament und Staatschef Chamenei gebilligt werden. Auch bei politischen Entscheidungen ist er auf die Unterstützung des Revolutionsführers angewiesen. In den letzten Jahren hat sich seine Beziehung zu Chamenei verschärft: Denn Ahmadenidschad verschafft den Revolutionsgardisten zunehmend politische Macht.

Revolutionsgarden: Das Parallel-Militär, aus der Revolution 1979 als Gegenpart zur bestehenden Armee gegründet, soll laut Verfassung "die Revolution und ihre Verfassung verteidigen". Seit 1990 beteiligt sich die Garde auch politisch. Ihre Anhänger sind im Parlament vertreten und kandidierten 2005 mit Ahmadinedschad auch für die Präsidentschaftswahl. Seitdem er die Regierung mitführt, verteilte er mehrere Ministerposten an Mitglieder der Revolutionsgarde. Auch wirtschaftlich gewinnen sie über ihre Unternehmen in der Ölproduktion an Macht.

© süddeutsche.de/ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: