Politisches Mobbing in der Eifel:Großer Unternehmer, kleiner Landrat

Gegner nennen ihn "Leppusconi": Peter Lepper ist im rheinland-pfälzischen Eifel ein starker Mann. Zu seinem Imperium gehören eine Firmen- und eine Wählergruppe, außerdem eine Zeitung. Dann beschließt er, Landrat Heinz Onnertz nicht mehr zu mögen, - und sein Blatt fängt an, den Mann aus dem Amt zu schreiben. Mit Erfolg.

Jan Bielicki

Heinz Onnertz hat lange nicht mehr gut geschlafen, und gesundheitlich ging es ihm in den vergangenen zwei Jahren auch nicht richtig gut. Onnertz, 62, ist Landrat in Daun. Heilklimatischer Kurort nennt sich das Eifelstädtchen, doch wenn Onnertz die Atmosphäre in seinem Landkreis Vulkaneifel beschreibt, spricht er von "einem vergifteten Klima".

In der vergangenen Woche zog er die Konsequenzen: "Ich kann nicht mehr", sagte Onnertz und kündigte an, Ende März in den Ruhestand zu gehen. Gewählt wäre er noch bis 2015.

Von der politischen Stimmung im kleinsten Landkreis von Rheinland-Pfalz fühlt sich der parteilose Landrat aus dem Amt getrieben. Die "Blockadepolitik" eines gegen ihn gerichteten Bündnisses im Kreistag und die "Hetzkampagne" eines Anzeigenblatts nennt Onnertz als Hauptgründe für seinen angekündigten Rückzug.

Und tatsächlich werfen die Ereignisse, die zu dem Schritt führten, ein exemplarisches Licht darauf, wer in dieser deutschen Provinz die Macht hat: lokale Politik, lokale Wirtschaft, lokale Presse - oder jemand, der Einfluss in allen drei Bereichen ausübt?

Wenn man jeden Donnerstag als Idiot hingestellt, mit unverschämten und ungeheuerlichen Unterstellungen, mit Untreuevorwürfen, mit anonymen Anzeigen konfrontiert wird, an denen natürlich nichts dran ist, dann gibt man irgendwann auf", begründet Onnertz seinen Rücktritt. Donnerstags nämlich finden etwa 70.000 Eifeler die Eifel-Zeitung in ihrem Briefkasten - und darin seit mehr als einem Jahr fast jede Woche Artikel, die den Landrat scharf angehen.

Wo Lepper überall mitmischt

Sitz der Redaktion ist ein Haus, das in Daun jeder kennt: In dem Gebäudekomplex im Industriegebiet des Ortsteils Rengen hat der bekannteste Unternehmer des Landkreises sein Hauptquartier: Peter Lepper regiert von hier aus ein Firmen-Imperium, in dem weltweit etwa 2700 Mitarbeiter - darunter 650 in Daun - unter anderem Digitalempfänger, Autoradios, Navigationsgeräte, aber auch Rohrleitungen für Autos herstellen.

Der heute 66-Jährige hat die höchst erfolgreiche Unternehmensgruppe rund um die Marke Technisat selber aufgebaut - und dazu gehört auch ein 50-Prozent-Anteil an der Eifel-Zeitung. Lepper gilt als Konzernherr, der sich engagiert in der Region.

Für seine großzügige Unterstützung von Behindertenorganisationen hat er, was die Eifel-Zeitung gerne herausstellt, das Bundesverdienstkreuz bekommen. Und in der Lokalpolitik mischt er persönlich mit: Lepper sitzt im Kreistag, für eine Gruppierung, die sich Bürgerunion Vulkaneifel (BUV) nennt. Gründer und Vorsitzender des Vereins, der unter derselben Adresse wie Technisat und die Eifel-Zeitung firmiert: Peter Lepper.

Diese Ballung unternehmerischer, politischer und medialer Aktivitäten haben dem Unternehmer im Landkreis einen sehr speziellen Ruf eingebracht. "Wir nennen ihn Leppusconi", spottet Ralf Kramp, Autor von Regionalkrimis und einer der schärfsten Kritiker des Unternehmer-Politikers im Landkreis.

Landrat Onnertz freilich hatte in Lepper lange Zeit einen eifrigen Unterstützer. Dass er, der parteilose Richter, der hier lange unangefochten regierenden CDU 1999 das Amt des Landrats abnehmen konnte, hatte er auch der Hilfe von Leppers Eifel-Zeitung zu verdanken, wie er selber zugibt. Sie wurden Freunde: "Wir haben uns geduzt, zusammen Geburtstage gefeiert", sagt Onnertz. Für ihn war Lepper "ein Supertyp", wenn auch "etwas cholerisch".

Vom Duzfreund zum Gegner

Noch vor drei Jahren, als es Lepper selber mit seiner BUV in den Kreistag zog, machten Leppers Plakate Wahlkampf mit dem populären, 2007 mit Zweidrittelmehrheit im Amt bestätigten Landrat: "Wer BUV wählt, unterstützt Onnertz." Damals noch waren es die Vertreter der örtlichen CDU, die sich heftigen Attacken der Eifel-Zeitung ausgesetzt sahen.

Doch dann zerbrach die Freundschaft. "Ich weiß nicht, warum", sagt Onnertz, "ich muss irgendetwas gemacht haben, was ihm nicht gepasst hat." Tatsächlich gilt der Ex-Richter als Mann, der sich in seine Entscheidungen nur ungern hereinreden lässt.

Von den fünf BUV-Leuten im Kreistag und in der Eifel-Zeitung schlug Onnertz seit 2010 zunehmend Kritik entgegen, und diese Angriffe wurden zunehmend persönlich. In Andeutungen stellte die Zeitung den Landrat zuletzt gar unter den Verdacht der Untreue, weil der Hobbypilot Onnertz die Kosten, die bei seiner unbezahlten Mithilfe an einem auch als Werbeträger gedachten Luftbildband entstanden waren, von der örtlichen Kreissparkasse begleichen ließ.

Für Onnertz sind diese Anwürfe "eine unfassbare Sauerei" - zumal Prüfer des Innenministeriums den Verdacht ausgeräumt hatten und der anonyme Verfasser des Artikels es nicht für nötig hielt, den Landrat um eine Stellungnahme zu bitten.

"Sie können gerne auswandern"

Ein von Lepper und führenden Vertretern von BUV und CDU unterzeichneter "Leserbrief" machte sich die Kampagne der Zeitung ausdrücklich zu eigen: "Der Öffentlichkeit wurde dank der Eifel-Zeitung klar gemacht, was hinter der ach so beschaulichen Fassade des Landrates wirklich los ist." Das sei "keinesfalls ein Aufruf zur Hetze", sagt der Dauner CDU-Chef Gordon Schnieder, aber "bloß lieb und nett sein, reicht für einen Landrat nicht aus".

"Eine unterirdische Hetzkampagne" sahen dagegen die Krimiautoren Kramp und sein Kollege Michael Preute, unter dem Pseudonym Jacques Berndorf als Verfasser von Eifel-Krimis bekannt, in den Praktiken der Eifel-Zeitung. Sie gründeten eine Facebook-Gruppe, verteilten einen offenen Brief an Lepper und 10.000 Aufkleber für Briefkästen mit der Aufschrift: "Keine Eifel-Zeitung".

In der Zeitung fanden sich daraufhin Artikel, die sich über "eine Horde Wildgewordener" und "Soziopathen" empörten. Leserbriefe, zum Teil mit wortgleichen Passagen erschienen, sie legten Preute nahe: "Sie können gerne auswandern!"

Seine Aussage, Lepper selbst verfasse Artikel in der Eifel-Zeitung, konnte Preute vor Gericht aber nicht belegen. "Können Sie sich vielleicht vorstellen, dass ich gar keine Zeit habe, mich um die Eifel-Zeitung zu kümmern?", mit diesen Worten wies Lepper in einem Brief an Preute jede Verantwortung für Inhalte des Blattes zurück.

Rückzugsgründe - nicht erwähnt

Für Journalisten ist Lepper trotz Anfragen ebenso wenig zu erreichen wie Peter Doeppes, der als verantwortlich zeichnende geschäftsführende Mitgesellschafter des Blattes; auch für die SZ nicht.

Dafür zog die Eifel-Zeitung mit Häme und Unterstellungen über eine Journalistin des Südwestrundfunks her. Die Reporterin des Magazins "Zur Sache Rheinland-Pfalz" hatte einen Brief ausgegraben, in dem Lepper die Mitarbeiter seiner Unternehmen fragte, "ob Sie nicht doch bereit sein könnten, Mitglied der Bürgerunion Vulkaneifel zu werden."

Ein Interview bekam die Journalistin nicht, dafür wurde sie heimlich aus dem Firmengebäude heraus fotografiert, als sie Straßen-Interviews machte. Die Fotos garnierten ein paar Tage später die Eifel-Zeitung unter der Überschrift: "SWR-Reporterin pervertiert Öffentlichkeit und versagt kläglich". "Wer ist Ihr Auftraggeber?", fragte der anonyme Verfasser und unterstellte ihr "perfide Methoden".

Auch Heinz Onnertz bekam nach dem Rücktritt noch einmal sein Fett weg: "Wenn man andauernd traurig und enttäuscht ist, darf man kein Landrat werden", schrieb die Eifel-Zeitung und warf ihm "weinerliches Hinwegtäuschen" vor. Wie der Landrat den Rückzug erklärte, erfuhr der Leser aber nicht. Das Blatt druckte nur die Stellungnahmen seiner Gegner ab.

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