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Russland: Politisches Beben:Medwedjew feuert Moskauer Bürgermeister Luschkow

Präsident Medwedjew enthebt Moskaus Bürgermeister Luschkow des Amtes. Gegen den Stadtchef, der 18 Jahre regierte, gibt es Korruptionsvorwürfe - doch die Entmachtung hat einen anderen Grund.

Über Monate hatte sich der Machtkampf hingezogen - nun hat der russische Präsident Dmitrij Medwedjew den umstrittenen Moskauer Bürgermeister Jurij Luschkow entlassen. Medwedjew habe am Dienstag ein entsprechendes Dekret unterzeichnet, berichteten übereinstimmend russische Nachrichtenagenturen. Luschkows enger Mitarbeiter Wladimir Resin solle die Amtsgeschäfte zunächst übernehmen.

Zwischen Luschkow und Medwedjew gab es seit geraumer Zeit Spannungen. Zuletzt hatte Medwedjew dem Moskauer Bürgermeister nahegelegt, in die Opposition zu gehen, nachdem dieser in einem Artikel von einer "sehr drückenden Atmosphäre in der Gesellschaft" gesprochen hatte. Der Kreml wirft Luschkow außerdem vor, mit Blick auf die Präsidentschaftswahl 2012 einen Keil zwischen Medwedjew und Ministerpräsident Wladimir Putin treiben zu wollen.

Nun hat der Kreml-Herr seine Muskeln spielen lassen und seinen Kritiker politisch kaltgestellt.

Gegen den seit 1992 in der Hauptstadt herrschenden Luschkow und seine Frau hatte es in den vergangenen Wochen massive Korruptionsvorwürfe gegeben. Außerdem war der 74-Jährige mehrmals vom Kreml kritisiert worden. Luschkow wiederum, der als mächtigster Regionalpolitiker des Landes gilt, hatte Medwedjew wiederholt angegriffen und gefordert, bei den in zwei Jahren anstehenden Wahlen müsse ein stärkerer Staatschef gewählt werden.

Die staatlichen russischen Fernsehsender hatten in den vergangenen Wochen zur besten Sendezeit Dokumentarfilme über Luschkow und seine Frau Jelena Baturina gezeigt, die mit einem geschätzten Vermögen von mindestens 2,3 Milliarden Euro als reichste Frau Russlands gilt.

Darin wurden Vorwürfe der Korruption und schlechten Regierungsführung laut. Unter anderem ging es um den Vorwurf, die Immobilienunternehmerin Baturina habe es nur dank der Hilfe ihres mächtigen Mannes zu Reichtum im öffentlichen und privaten Immobiliensektor gebracht.

Unmut in der Bevölkerung

Außerdem wurde Luschkow in den Berichten vorgeworfen, er habe in den 18 Jahren seiner Amtszeit das Chaos im Straßenverkehr der Hauptstadt nicht in den Griff bekommen.

In der Moskauer Bevölkerung gibt es noch aus einem anderen Grund Unmut: Von den Einwohnern der russischen Hauptstadt wird dem Bürgermeister verübelt, dass er sie im August während der schweren Waldbrände rings um Moskau lange alleinließ.

Luschkow war damals etwas anderes wichtiger: Er fuhr lieber in den Urlaub.

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AFP/Reuters/dgr
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