Politische Uneinigkeit:Konfliktberatung in der Koalition

SPD und Union können sich nicht darauf einigen, ob Ärzte Schwangerschafts­abbrüche öffentlich anbieten dürfen.

Von Kristiana Ludwig und Mike Szymanski, Berlin

International Woman s Day Berlin DEU Deutschland Germany Berlin 08 03 2018 Frauen mit Plakat 219

Ein Streitfall mit der Nummer 219a: Beim Internationalen Frauentag Anfang März forderten Demonstrantinnen in Berlin, den Werbeverbots-Paragrafen aus dem Strafgesetzbuch zu streichen.

(Foto: Stefan Boness/imago/Ipon)

Der Koalitionsstreit über das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche ist auch bei einem Gespräch von vier zuständigen Ministern am Mittwoch nicht ausgeräumt worden. Justizministerin Katarina Barley (SPD), deren Haus zurzeit einen Vorschlag erarbeiten soll, ob und wie das Strafgesetzbuch geändert werden könnte, hatte sich nach der regulären Kabinettssitzung mit Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), Familienministerin Franziska Giffey (SPD) und Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) getroffen. Seit im vergangenen Jahr eine Ärztin zu einer Geldbuße verurteilt worden war, weil sie Informationen zu Abbrüchen auf ihre Webseite gestellt hatte, diskutieren die Parteien über die Sinnhaftigkeit des Verbots. Doch während Barley im Anschluss an die Ministerrunde bekräftigte, dass der heutige rechtliche Zustand für Ärzte und Gynäkologen "so nicht haltbar" sei, wies Spahn Ideen zur Änderung des umstrittenen §219a zurück. Auch die Vorsitzende der Frauenunion, Annette Widmann-Mauz, sagte: "Wir werden einen Vorschlag machen, ohne den Lebensschutz des ungeborenen Lebens infrage zu stellen."

Denn in der Union besteht die Sorge, dass mit der Änderung des Werbeparagrafen der gesamte, vor mehr als 20 Jahren gefundene Kompromiss zur Beratungspflicht und 12-Wochen-Frist bei Schwangerschaftsabbrüchen ins Wanken geriete - könnte doch am Ende der Debatte eine Liberalisierung von Abtreibungen stehen. Anfang März hatte die SPD wegen dieser Bedenken ihres Koalitionspartners einen fertigen Gesetzentwurf zur Streichung des Paragrafen in letzter Minute doch nicht eingebracht. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte den Sozialdemokraten damals eine Lösung versprochen. Wie diese genau aussehen könnte, ließ sie aber offen.

Der Vize-Fraktionsvorsitzende der SPD, Karl Lauterbach, sagte am Donnerstag, beide Koalitionspartner wollten ihre "Arbeit damit nicht unnötig belasten". Er rechne damit, dass Union und SPD "einen einvernehmlichen Entwurf hinbekommen". Alle Beteiligten wüssten schließlich, dass man unter großem Zeitdruck stehe.

Einige Bundesländer wollen den Strafrechtsparagrafen 219a ganz streichen

Anlass für diese Eile ist auch ein Ultimatum, das der SPD-Parteivorstand am Sonntag beschlossen hat. Wenn nicht bis zum Herbst ein abgestimmter Entwurf vorliege, auf den sich beide Koalitionäre einigen können, werde man mit den "reformwilligen" Abgeordneten im Bundestag sprechen - und zur Not darauf dringen, den Fraktionszwang aufzuheben, um die Gesetzesänderung gegen den Willen der Union durchzusetzen.

Bislang stand die SPD der CDU zuliebe auch im zuständigen Rechtsausschuss auf der Bremse. Dort hatte etwa die FDP längst eine öffentliche Anhörung zum §219a gefordert. Schließlich legten die Liberalen, die Grünen und die Linke bereits im Februar Gesetzentwürfe vor, um das Strafgesetzbuch zu ändern. In dieser Woche boten die Sozialdemokraten nun eine Anhörung im Juni an. Auch der Bundesrat beschäftigt sich am Freitag mit dem §219a. Berlin, Hamburg, Thüringen, Brandenburg und Bremen wollen die Regelung ganz streichen.

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