Politische Sprache:Von Parasiten und Messermännern

Das AfD-Grundsatzprogramm bleibt beim Thema Flüchtlinge oft noch vage. Umso deutlicher werden einige Politiker der Partei. Mit welchen Vokabeln AfD-Vertreter fremdenfeindliche Emotionen schüren.

Von MAX GILBERT

Unmissverständlich liest sich bereits, was die AfD in ihrem Grundsatzprogramm zu Flüchtlingen, Muslimen und zum Thema Asyl schreibt. Überschriften wie "Deutsche Leitkultur statt Multikulturalismus" und "Der Islam gehört nicht zu Deutschland" sind Kampfansagen an die tolerante Gesellschaft. Aber noch derber und offen rassistisch ist die Sprache, die viele AfD-Politiker in ihren Reden wählen. Im Bundestagswahlkampf 2017 sprach der heutige Parteichef Alexander Gauland davon, die damalige Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, die in Hamburg geborene Deutsch-Türkin Aydan Özoğuz, "in Anatolien entsorgen" zu wollen.

Der Aussage Gaulands folgte ein öffentlicher Aufschrei. Bei der Wahlveranstaltung in Thüringen indes gab es Applaus. Von offizieller Parteiseite sind derartige Aussagen nicht zu hören, das gehört zur kommunikativen Doppelstrategie der AfD. So notierten Verfassungsschützer über Gaulands Parteikollegen Jörg Meuthen, er sei "medial eher um ein gemäßigt-integratives Image bemüht", beim Kyffhäuser-Treffen der völkisch-nationalistischen Parteigruppierung "Flügel" nutze er hingegen eine "aggressiv fremdenfeindliche Rhetorik". Das ehemalige AfD-Mitglied André Poggenburg, Landtagsabgeordneter in Sachsen-Anhalt, nannte in Deutschland lebende Türken "Kümmelhändler und Kameltreiber". Poggenburg verfasste gemeinsam mit Björn Höcke 2015 das Positionspapier des einflussreichen Flügels. Die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel sprach im Bundestag von "alimentierten Messermännern", der Abgeordnete Gottfried Curio nannte Flüchtlinge "Fachkräfte für Messerattacken".

Wo sich AfD-Politiker mit rassistischen und fremdenfeindlichen Aussagen irgendwo zwischen Stammtisch und Volksverhetzung bewegen, bleibt es im Grundsatzprogramm oft vage. Viel wird mit akademischen Fremdwörtern umschrieben. Von "konfliktträchtigen Multi-Minoritätengesellschaften", durch die der soziale Zusammenhalt erodiere, ist dort die Rede, vom "ethnisch-kulturellen Wandel der Bevölkerungsstruktur", vom Asylrecht als "Vehikel der Masseneinwanderung".

Je nach Zielgruppe wählen manche AfD-Politiker zu den gleichen Themen dann andere Worte. Der Bundestagsabgeordnete Curio sagte etwa, man lasse ein "Millionenheer archaisch geprägter junger Männer ins Land". Thomas Göbel von der AfD Sachsen sagte, die deutsche Volksgemeinschaft leide "unter einem Befall von Parasiten", und verwendet damit einen Begriff, den die Nationalsozialisten benutzten.

Auch in den sozialen Medien ist der Ton oft scharf bis gewaltverherrlichend. Beatrix von Storch schrieb 2016 auf Facebook, man müsse sich an der Grenze "gegen Angriffe verteidigen", auf Nachfrage bestätigte sie zunächst, dass sie den Gebrauch von Waffen nicht ausschließe, auch gegen Kinder. Nach dem Mord an einem Deutschen in Chemnitz twitterte der Bundesabgeordnete Markus Frohnmaier, es sei "Bürgerpflicht, die todbringende 'Messermigration' zu stoppen". In den Tagen danach kam es zu schweren fremdenfeindlichen Ausschreitungen.

Verbale Ausfälle werden von der AfD oft als Ausrutscher abgetan, als ungeschickte Wahl der Tonlage. Doch die Absicht hinter den sprachlichen Auswüchsen bleibt. Alice Weidel kommentierte Gaulands Anatolien-Aussage zwar als "Geschmackssache", die inhaltliche Kritik könne sie jedoch "unterschreiben".

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