Süddeutsche Zeitung

Politische "Säuberung" in Nordkorea:Kims Krönung

Zwei Jahre nach dem Tod seines Vaters schasst Nordkoreas Diktator Kim Jong Un nach und nach dessen Spitzenfunktionäre. Jetzt hat er seinen Onkel Jang Song Thaek kaltgestellt. Nun allerdings fehlt der Nachwuchskader, mit dem Kim die Machtpositionen neu besetzen kann.

Von Christoph Neidhart, Seoul

Nordkoreas Diktator Kim Jong Un hat laut Meldungen des südkoreanischen Geheimdienstes vom Dienstag seinen Onkel und Mentor Jang Song Thaek entmachtet. Damit hat sich der 30-Jährige des wichtigsten Gefährten seines vor zwei Jahren verstorbenen Vaters Kim Jong Il entledigt. Nun ist er der absolute Herrscher in Pjöngjang.

Bereits Anfang November habe Kim zwei enge Vertraute Jangs hinrichten lassen, teilte der Geheimdienst in Seoul unter Berufung auf "mehrere zuverlässige Quellen" mit. Den beiden war Korruption vorgeworfen worden. Jang stand dem Diktator als Regent zur Seite zusammen mit seiner Frau Kim Kyong Hui, der Schwester des "Geliebten Führers" Kim Jong Il, und Generalstabschef Ri Yong Ho. Kims Vater hatte die drei explizit mit dieser Aufgabe betraut.

Andrei Lankov, Professor in Seoul und einer der besten Kenner des Regimes in Pjöngjang, sagte zur Erklärung: "Das Leben eines Regenten ist gefährlich." Man könne Nordkorea nur als absolute Monarchie verstehen. "Sobald ein junger König sich sicher fühlt, muss er die Regenten loswerden - zumal Regenten gerne vergessen, dass sie nur Regenten sind und sich an der Macht berauschen." Ri Yong Ho wurde bereits im Juli abserviert, Kims Tante Kim Kyong Hui sei alt und krank, sie werde wohl nicht mehr lange leben, sagte Lankov. Jangs Sturz sei keine Überraschung.

Jang war in den vergangenen zwei Jahren Pekings wichtigster Kontaktmann in Pjöngjang. Noch im November hat er den japanischen Parlamentarier Antonio Inoki empfangen. Erst nach der Hinrichtung seiner Kollegen verschwand Jang aus der Öffentlichkeit. Lankov sagte, er glaube, Jang müsse nicht um sein Leben fürchten. Durch die Heirat mit Kim Kyong Hui gehöre er "zur königlichen Familie". Die Tante selbst sei als Blutsverwandte unberührbar.

In den vergangenen Monaten hat Kim die Repressionen verschärft

Die Konsolidierung von Kims Macht beschränkt sich nicht auf die Staatsspitze. Der Diktator hat in den vergangenen Monaten auch die Repression verschärft, sogar gegen die nordkoreanische Elite. Auf dem Areal der Kim-Il-Sung-Universität, der bedeutendsten Hochschule Nordkoreas, ließ er kürzlich acht Menschen öffentlich hinrichten, unter ihnen zwei hohe Beamte der Staatssicherheit. Sie hatten "obszönes Filmmaterial aus Südkorea angeschaut", wie NKDaily schrieb, eine Online-Zeitung mit Sitz in Seoul, die von Koreanern aus beiden Ländern betrieben wird und sich auf Berichterstattung über den Norden konzentriert.

In Nordkorea kursieren Fernsehserien, Filme und auch Pornos aus dem Süden auf USB-Speichern und CDs. Erst kürzlich haben die Behörden gewarnt, wer andere Filme als das offizielle Fernsehen konsumiere, werde scharf bestraft. Die Wahl der Elite-Universität als Stätte für die Erschießungen, könne nur als Warnung an die Studenten, die künftigen Kader, verstanden werden, mutmaßte NKDaily.

Der 67-jährige Jang ist einer der wenigen Spitzenfunktionäre, denen in einem stalinistischen Regime jemals ein Comeback gelungen ist. Im Herbst 2004 wurde er schon einmal aus allen Ämtern entfernt. Experten nahmen damals an, er habe sich als Hardliner den zaghaften Versuchen widersetzt, etwas Marktwirtschaft zuzulassen. Drei Jahre später kehrte Jang ins Zentrum der Macht zurück, Kim Jong Il schanzte ihm in seinen letzten Lebensjahren immer mehr Ämter und Titel zu. Zuweilen hieß es nun, Jang sei ein Reformer.

Der Nachwuchskader werde "jung, verwöhnt und völlig unideologisch" sein

Eine zweite Rückkehr Jangs hält Lankov aber für ausgeschlossen: Sein Sturz habe nichts mit Ideologie zu tun, oder fast nichts: "Kim Jong Un fühlt sich jetzt sicher und glaubt, die alten Kader, die seine Eltern oder sogar Großeltern sein könnten, hätten ihm nichts mehr zu sagen." An der Spitze der Armee stünden allerdings noch viele ältere Männer, und er rechne damit, dass Kim sie Schritt für Schritt absetzen werde. Die Säuberungen hörten erst auf, "wenn wir junge Gesichter neben Kim sehen, Gleichaltrige". Das werde noch dauern, weil Nordkorea nicht über genügend Nachwuchskader verfüge.

Die nächste Generation an der Macht werde "jung, verwöhnt, eher gescheit, zynisch und völlig unideologisch" sein, prophezeit Lankov. Anders als die Generation von Jang, der die Stabilität des Regimes über alles ging, könnte sie sogar etwas wagen, zumal sie die Lage Nordkoreas eher erkannt habe. "In den letzten Wochen konnte man einige Ansätze zu einer verwässerten Reform nach chinesischem Muster beobachten", berichtet Lankov. "Aber Reformen in Nordkorea können kaum stabil verlaufen." Sie würden vermutlich chaotisch. "Ein plötzlicher Umsturz wie in Libyen oder ein Bürgerkrieg wie in Syrien wäre jederzeit möglich."

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SZ vom 04.12.2013/sks
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