Politische Folgen des Grand Prix:Kein bisschen Frieden

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Armenien und Aserbaidschan verbindet tiefer Hass. Beim Grand Prix für das gegenerische Land zu stimmen, ist deshalb nicht nur unpatriotisch, sondern ein potentielles Sicherheitsrisiko.

Sonja Zekri

Beim jüngsten Eurovisions-Schlagerwettbewerb in Moskau sangen die Schwestern Inga und Anush Arshakyan für Armenien das Lied "Jan Jan", was so viel heißt wie "Mein Schatz".

Flöten und viel Silber: Inga und Anush Arshakyan bei ihrem Grand-Prix-Auftritt. (Foto: Foto:)

Sie trugen blaue, tief ausgeschnittene Gewänder und Kappen mit viel Silber drauf. Flöten begleiteten sie. Irgendwann mündete das Geplänkel in einen tanzbaren Song. Armenien landete auf dem zehnten Platz, sieben Plätze hinter Aserbaidschan.

Seit zwanzig Jahren, seit Armenien und Aserbaidschan um die Enklave Nagornyj-Karabach den blutigsten Krieg in der zerfallenden Sowjetunion geführt haben, verbindet beide Länder tiefer Hass. Dachte man. Doch offenbar gilt dies nicht für alle. 43 Aserbaidschaner stimmten für "Jan Jan", für das Lied des Feindes. Und jetzt haben sie deswegen ein Problem.

Der Eurovisions-Grand-Prix ist drei Monate her, nun aber berichtet die BBC, dass einige aserbaidschanische Fans der armenischen Sanges-Schwestern von der Polizei befragt wurden. Man habe ihm vorgeworfen, er sei "unpatriotisch" und "ein potentielles Sicherheitsrisiko", zitiert der Sender einen Aserbaidschaner. Die Behörden in Baku dementierten die Sache im Kern nicht, sprachen aber davon, man habe sie lediglich "eingeladen", ihr Votum zu erläutern.

Der Generalsekretär des Eurovision Song Contest, Stefan Stockselius, sagte der schwedischen Zeitung Dagens Nyheter, man prüfe die Vorfälle: "Einige unserer Länder leben praktisch im Kriegszustand miteinander."

Es könne durchaus sein, dass sie die Gelegenheit nutzten, die andere Seite "mit propagandistischen Mitteln" zu bekämpfen. Übrigens nicht zum ersten Mal: 2005 musste der Libanon seine Kandidatur zurückziehen, weil er sich weigerte, einen israelischen Beitrag zu senden.

Dabei schien der Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan beherrschbar, ja, lösbar geworden zu sein. Vor zwei Jahrzehnten hatten beide Länder Pogrome an der jeweils anderen Minderheit verübt. Armenien hatte das zu Aserbaidschan gehörende Berg-Karabach für unabhängig erklärt, nachdem Zehntausende gestorben und eine Million Aserbaidschaner vertrieben worden waren. Sie ließen Geisterstädte wie die Ruinenwüste Agdam zurück.

In letzter Zeit sah es jedoch gut aus. Der Schock des Georgien-Krieges im letzten Jahr war den Regierungen in Baku und Eriwan in die Knochen gefahren. Im georgischen Südossetien konnten sie beobachten, wie ein eingefrorener Konflikt nach dem Auftauen blitzartig eskaliert.

Im Mai meldeten amerikanische und europäische Vermittler ein Tauwetter zwischen Aserbaidschan und Armenien. Ein Durchbruch schien in der Luft zu liegen. Unter Anleitung Moskaus hatten sich zuvor sogar der armenische und der türkische Präsident zum Fußball in Eriwan getroffen, obwohl Armeniens Verhältnis zur Türkei auch belastet ist. Die Dinge kamen in Bewegung südlich des Kaukasus.

Doch in Aserbaidschan war davon nie viel spüren. Präsident Ilham Alijew regiert ein Reich, das auf Ölausbeute gebaut ist, aber keine Meinungsfreiheit kennt. Blogger wie der Jugend-Aktivist Emin Mili wurden geschlagen und eingesperrt. Elmar Huseynow, Redakteur der Wochenzeitung Monitor, wurde ermordet.

Die Organisation Reporter ohne Grenzen nennt Alijew einen "Feind der Pressefreiheit". Auf der Liste der Pressefreiheit nimmt Aserbaidschan von 173 Ländern den 150. Platz ein. Die polizeiliche "Einladung" an die aserbaidschanischen Freunde armenischer Musik folgte einer bekannten Melodie.

© SZ vom 20.08.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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