Politikverdrossenheit:Mir doch egal

Umfragen decken es auf: Die Deutschen sind unzufrieden, das Volk verlässt die Volksparteien, und immer mehr halten Engagement ohnehin für sinnlos.

Kurt Kister

Es gibt kaum einen Spitzenpolitiker, der nicht behauptet, Umfragen seien ihm eigentlich egal. Erstens, so lautet die Argumentation von Merkel über Beck bis Westerwelle, seien deren Ergebnisse bestenfalls Momentaufnahmen. Zweitens müsse man Wahlen und nicht Umfragen gewinnen.

Merkel, Reuters

Bundeskanzlerin Merkel

(Foto: Foto: Reuters)

Beides ist zwar richtig. Dennoch lohnt es sich für die politische Klasse sehr, die Ergebnisse der Demoskopie zu studieren - zumindest der methodisch sauberen, seriösen Umfragen.

Nichts anderes nämlich, keine Wahlkampfreise, keine Bürgersprechstunde und schon gar keine Presseschau, gibt bei vernünftiger Nutzung so gut Auskunft über Stimmungen und Wahrnehmungen im Lande wie eben die Umfragen. Wären sie so wenig aussagekräftig, gar gefährlich, wie dies manche Stammtischdenker behaupten, dann würde sich zum Beispiel die Wirtschaft nicht der Demoskopie bei der Einführung neuer Produkte bedienen.

Umfragen werden zu Trends

Schon richtig, wir bekommen jede Woche neue Momentaufnahmen von der Befindlichkeit der Wähler. Seit Monaten aber addieren sich diese Einzelfälle, die von Forsa, Infratest oder der Forschungsgruppe Wahlen erarbeitet werden, zu einem Gesamtbild, zu Trends. In Prozentpunkten, farbigen Balken und Torten-Graphiken lässt sich ablesen, was viele fühlen:

Zum einen erodieren Ansehen, Glaubwürdigkeit und empfundene Kompetenz der einstigen Volksparteien CDU und SPD weiter. Im Deutschland-Trend der ARD liegen Union und SPD diese Woche gleichauf bei 31 Prozent.

Seit der Wahl vor einem Jahr kommen beide Parteien jeweils nicht mehr über 35 Prozent Zustimmung hinaus. Damit müssen sie sich eigentlich vom Status der Volkspartei verabschieden: Wer nur noch ein Drittel der Wähler anspricht, hat den Zugang zum Volk verloren. Wenn ein Politiker angesichts solcher Zahlen behauptet, Umfragen interessierten ihn nicht, lügt er sich entweder die Welt schön oder er ist zu dumm für seinen Beruf.

Mir doch egal

Stimmung ist schlechter als die Lage

Andererseits nimmt eine, noch überwiegend gelassene Gleichgültigkeit gegenüber dem politischen System zu. Auch das lässt sich demoskopisch erfassen. Der ARD-Deutschland-Trend von dieser Woche hat ergeben, dass die Hälfte der Befragten mit dem Funktionieren der Demokratie unzufrieden sind; zwei Drittel halten "die Situation in Deutschland" für ungerecht.

Diese Stimmungen entwickeln und verstärken sich keineswegs vor einem politisch bedrohlichen oder wirtschaftlich krisenhaften Hintergrund. Im Gegenteil: Die innere, aber auch die äußere Sicherheit Deutschlands ist stabil; die Wirtschaft wächst, die Steuereinnahmen steigen und sogar die Arbeitslosigkeit geht zurück. Man kann das mit dem Satz abtun: Die Stimmung ist mal wieder schlechter als die Lage.

Parteien bangen um Nachwuchs

Bei genauerer Prüfung aber merkt man, dass sich allmählich so viel verändert, dass leichtfertige Nonchalance nicht mehr am Platz ist. So hat die Bereitschaft junger Menschen, sich in Parteien zu engagieren, in den ehemaligen Volksparteien zumal, rapide abgenommen. Politisches Engagement wird als uncool und sinnlos empfunden; Vokabeln wie Teilhabe oder Bürgergesellschaft gelten vielerorts als Sozialarbeiter-Blabla.

Gerade bei der SPD, einst eine Massenpartei, ist der Mitgliederschwund dramatisch - nicht zuletzt weil die Funktionäre nicht verstanden haben, dass die Machtpartei SPD in der Wahrnehmung vieler nicht mehr gegen die empfundene Ungerechtigkeit kämpft, sondern selbst Teil der Ungerechtigkeit geworden ist.

Nein, trotzdem steht Weimar nicht vor der Tür. Zwar hat die Kraft der Tabus nachgelassen, was man auch daran sieht, dass Rechtsradikale heute in einigen Länderparlamenten sitzen. Doch solche Parteien, die auf Ideologien bauen - und seien diese neonazistisch dumpf - mobilisieren nur vorübergehend und haben in einer Zeit, in der immer mehr Leute Politik generell für entbehrlich bis lächerlich halten, so gut wie keine Chance. Das immerhin ist eine gute Aussicht.

Mir doch egal

Stimmung ist schlechter als die Lage

Andererseits nimmt eine, noch überwiegend gelassene Gleichgültigkeit gegenüber dem politischen System zu. Auch das lässt sich demoskopisch erfassen. Der ARD-Deutschland-Trend von dieser Woche hat ergeben, dass die Hälfte der Befragten mit dem Funktionieren der Demokratie unzufrieden sind; zwei Drittel halten "die Situation in Deutschland" für ungerecht.

Diese Stimmungen entwickeln und verstärken sich keineswegs vor einem politisch bedrohlichen oder wirtschaftlich krisenhaften Hintergrund. Im Gegenteil: Die innere, aber auch die äußere Sicherheit Deutschlands ist stabil; die Wirtschaft wächst, die Steuereinnahmen steigen und sogar die Arbeitslosigkeit geht zurück. Man kann das mit dem Satz abtun: Die Stimmung ist mal wieder schlechter als die Lage.

Parteien bangen um Nachwuchs

Bei genauerer Prüfung aber merkt man, dass sich allmählich so viel verändert, dass leichtfertige Nonchalance nicht mehr am Platz ist. So hat die Bereitschaft junger Menschen, sich in Parteien zu engagieren, in den ehemaligen Volksparteien zumal, rapide abgenommen. Politisches Engagement wird als uncool und sinnlos empfunden; Vokabeln wie Teilhabe oder Bürgergesellschaft gelten vielerorts als Sozialarbeiter-Blabla.

Gerade bei der SPD, einst eine Massenpartei, ist der Mitgliederschwund dramatisch - nicht zuletzt weil die Funktionäre nicht verstanden haben, dass die Machtpartei SPD in der Wahrnehmung vieler nicht mehr gegen die empfundene Ungerechtigkeit kämpft, sondern selbst Teil der Ungerechtigkeit geworden ist.

Nein, trotzdem steht Weimar nicht vor der Tür. Zwar hat die Kraft der Tabus nachgelassen, was man auch daran sieht, dass Rechtsradikale heute in einigen Länderparlamenten sitzen. Doch solche Parteien, die auf Ideologien bauen - und seien diese neonazistisch dumpf - mobilisieren nur vorübergehend und haben in einer Zeit, in der immer mehr Leute Politik generell für entbehrlich bis lächerlich halten, so gut wie keine Chance. Das immerhin ist eine gute Aussicht.

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