Politikerkarrieren in Italien:Der Club der alten Männer

Wollen sie nicht gehen, oder können sie nicht? In Italien machen die immer gleichen Männer Politik. Inzwischen sind viele von ihnen ganz schön alt geworden. Das kann man Lebenserfahrung nennen, oder Parlamentsvergreisung. Der italienische Politikbeobachter Allesandro Amadori behauptet schlicht: "Sie müssen nur Freud lesen. Die italienische Politik ist die ewige Suche nach dem verlorenen Vater." Eine Bildergalerie von Männern, die es schaffen, immer wieder aufzutauchen.

Von Nadia Pantel

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Politikerkarrieren in Italien:Giorgio Napolitano

Giorgio Napolitano

Quelle: AP

Der frisch wiedergewählte italienische Präsident würde gerne so leben wie er sich fühlt: wie ein alter, müder Mann. Stattdessen muss er sein, was die Mehrheit der Italiener in ihm sehen möchte: ein weiser, starker Staatsmann. Früher, als er jung war, war Napolitano ein Kämpfer. 1942, mit 23 Jahren, gründete er eine kommunistische Gruppe, die im Widerstand gegen die Faschisten kämpfte. Der Sache der Gerechtigkeit blieb er treu. 1947 schloss er sein Jurastudium ab. Seit beinah sechs Jahrzehnten ist Napolitano nun parteipolitisch aktiv. Zunächst für die Kommunistische Partei, inzwischen für die Demokratische Partei. Aufsehen erregte Napolitano zuletzt im November 2011. Damals beauftragte er nach dem Rücktritt des stark angeschlagenen Silvio Berlusconi den Wirtschaftswissenschaftler Mario Monti mit der Bildung einer neuen Regierung. Die Berlusconi-Gegner atmeten auf und feierten Napolitano als Helden. Jetzt, da Italien seit den Parlamentswahlen vom Februar diesen Jahres im politischen Chaos steckt, wollen viele in ihm wieder genau das sehen, einen Helden. Der 87-Jährige erscheint vielen wieder als der rettende Anker.

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Politikerkarrieren in Italien:Romano Prodi

Romano Prodi

Quelle: dpa

Der sogenannte "Anti-Berlusconi": Kompetenz statt Show. Seine stille, bedächtige Art hat Prodi schon zwei Mal an die Spitze der Macht gebracht: 1996 und 2006 wurde er zum Ministerpräsidenten gewählt. Gegen Berlusconi trat er 2006 mit dem Motto  an: "Ich mache nur Versprechen, die ich auch halten kann." Heute ist der Wirtschaftsprofessor 73 Jahre alt und trotzdem immer noch ein Hoffnungsträger der italienischen Linken. Die holte den Parteilosen in diesem April extra von seiner UN-Sondermission in Mali zurück ins Mutterland, damit er der neue Präsident Italiens werde. Doch Prodi scheiterte und trat im fünften Wahlgang schließlich nicht mehr an. Die ihm von der Linken angebotene Aufgabe habe ihn sehr geehrt, erklärte Prodi, doch die "Bedingungen" für seine Präsidentschaft seien nicht gegeben. Sein Statement von 2008 wiederholte Prodi jedoch nicht. Damals hatte er erklärt, er habe endgültig mit der italienischen Politik abgeschlossen. "Endgültig" dauerte in diesem Fall immerhin fünf Jahre. Selbst wenn also Konsequenz nicht seine Stärke ist, diszipliniert ist er dennoch. Nicht nur, dass er von 1996 bis 1998 Italien eine rigorose Sparpolitik verordnete, die das Land fit für den Euro machte. Nein, auch von sich selbst fordert er Durchhaltevermögen: Prodi ist eiserner Radfahrer. Vielleicht eine Antwort auf die Frage, wie man so eine lange Polit-Karriere körperlich wegsteckt. Ein Anti-Berlusconi ist er übrigens auch privat: seit 1969 ist er mit der Universitätslektorin Flavia Prodi Franzoni verheiratet. Über Affären ist nichts bekannt. Aber wahrscheinlich hat Berlusconi seinen biederen Konkurrenten zum Bunga-Bunga noch nicht mal eingeladen.

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Politikerkarrieren in Italien:Silvio Berlusconi

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Quelle: AFP

Berlusconi ist die äußere und innere Menschwerdung der Teflon-Beschichtung. Er altert nicht, und er scheitert nicht. Daran ändern weder seine 77 Lebensjahre, noch die mehr als 30 Gerichtsverfahren, die gegen den Politiker und Unternehmer angestrengt wurden, etwas. Äußerlich helfen Haarimplantate, Botox und weißer Eyliner, der die Augen auf Fotos strahlen lässt. Gegen die Angriffe auf seine Person helfen ein unerschütterliches Ego, eigenmächtige Änderungen der Gesetze zu seinen Gunsten und ein Vermögen von 7,8 Milliarden US-Dollar. Derart unangreifbar, gelang es Berlusconi bislang vier Mal zum italienischen Ministerpräsidenten gewählt zu werden. Sachliche Argumente sind dabei seine Sache nicht. Gerne betont er, dass er eben Unternehmer sei und nicht Politiker. Sein Konterpart und Erzfeind: der ewig korrekte Romano Prodi. Ihre politische Karriere begannen beide im gleichen Jahr: 1978. Damals wurde Prodi Industrieminister unter Giulio Andreotti, und Berlusconi trat in die Propaganda Due ein. Eine politische Geheimorganisation, die wegen ihrer kriminellen Verwicklungen 1982 aufgelöst und verboten wurde. 1994 gründete er dann seine eigene Partei: die Forza Italia. Zwei ungleiche Weg, der beide immer wieder ans gleiche Ziel führte: italienischer Regierungschef. Zur Zeit führt Berlusconi gegenüber Prodi in Sachen Wiederwahl zwar drei zu eins, aber bis zum hundertsten Geburtstag haben beide ja noch viel Zeit.

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Politikerkarrieren in Italien:Giuliano Amato

ITALIAN PRIME MINISTER GIULIANO AMATO RESTS DURING A PRESS CONFERENCE

Quelle: REUTERS

Der 75-jährige Professor der Rechtswissenschaften galt als sicherer Anwärter auf das Amt des Ministerpräsidenten - bevor Letta kam. Amato ist geübter Krisenmanager, einer der zweimal kurzfristig den Posten des Ministerpräsidenten übernahm: 1992, als Sozialist in Zeiten eines ausgeprägten Korruptionsskandals in der Politik, und 2000 nach Abdankung von Massimo D´Alema. Beide Amtszeiten dauerten nur ein Jahr. Amato ist ein flexibler Allrounder, genannt wird er "dottore suttile", der spitzfindige Doktor. In seiner ersten Zeit als Ministerpräsident setzte er dementsprechend rigorose Sparmaßnahmen durch und bekämpfte die Korruptionswelle um ihn herum, die auch einige seiner Minister mitriss. Selbst traf sie ihn nicht. Trotz der engen Verbindung zu einem der Hauptschuldigen, dem ehemaligen Sozialistenführer und Ministerpräsidenten Bettino Craxi, überstand er mehrere Misstrauensvoten. "Amato", also geliebt, ist der Politiker entgegen seines Namens nicht. Dafür gibt er sich schlicht zu unbarmherzig. "Ich bleibe hart", sagt er, "Solange es die Mühe wert ist." Amato

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Politikerkarrieren in Italien:Umberto Bossi

Italy's Northern League member Maroni kisses former leader Bossi during the Northern League party rally in Bergamo

Quelle: REUTERS

Auch am rechten Rand dominieren seit Jahren die gleichen alten Männer die italienische Politik. Einer der prominentesten Vertreter ist Umberto Bossi, hier geküsst von Parteikollegen Roberto Maroni. 1989 gründete er mit anderen die Lega Nord, zu deren Hauptziel zunächst die Abspaltung Norditaliens vom Rest des Landes war. Immerhin, so Lega Nord, würden die Steuern des reichen Nordens den Müßiggang des armen Südens finanzieren.

Die Polemik der Lega richtet sich inzwischen nicht mehr nur gegen Süditaliener sondern auch gegen Einwanderer. Eine multikulturelle Gesellschaft zerstöre den Kern der italienischen Identität, so das Argument. 

Bossi war unter Berlusconi zweimal Minister und gilt als treuer Weggefährte des Ex-Premiers. 2004 wurde Bossis Karriere krankheitsbedingt unterbrochen. Er erlitt einen Herzinfarkt und einen Hirnschlag und gab sein Amt als Minister für Reformen ab. Noch im selben Jahr war er jedoch soweit wieder gesund, dass er für die Europawahl kandidierte und als Abgeordneter ins Europäische Parlament einzog.

2008 kehrte er dann auch in Italien in die Politik zurück. Die Lega Nord beteiligte sich erneut an der Regierung Berlusconi und Bossi wurde erneut Minister für Reformen.

Die neueste Krise in Bossis Karriere ist nicht gesundheitlicher sondern politischer Natur. Dem lauten Fürsprecher für Recht und Ordnung musste im April 2012 aus der Führung der Lega Nord zurücktreten. Der Vorwurf: Korruption und Veruntreuung innerhalb der Partei. Doch da die meisten der großen Männer der italienischen Politik mehr als nur ein Leben zu haben scheinen, muss auch mit Bossi weiterhin gerechnet werden.

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Politikerkarrieren in Italien:Giulio Andreotti

Giulio Andreotti

Quelle: AP

Einfach nicht abtreten. Guilio Andreotti, Jahrgang 1919, war darin der unangefochtene Großmeister. Von 1948 bis 1992 gehörte der Christdemokrat beinah durchgängig der italienischen Regierung an. Innenminister, Finanziminister, Verteidigungsminister, Minister für Industrie, Handel und Handwerk, Minister für Haushalt und Wirtschaftsplanung, Außenminister. Andreotti ließ nichts aus.

Zum Ministerpräsidenten wurde er insgesamt sieben Mal gewählt. Für den überzeugten Katholiken sicherlich eine bedeutsame Zahl, immerhin gibt es sieben christliche Tugenden ebenso wie sieben Todsünden. Obwohl sich Andreotti jeden Morgen um sechs Uhr beim Beten zeigte, trauten ihm nicht alle ein tugendhaftes Leben zu: immer wieder wurde ihm vorgeworfen, mit der Mafia zu kooperieren. Sogar des Auftrags zum Mord wurde er beschuldigt. Doch keiner der Gerichtsprozesse gegen Andreotti führte zu seiner Verurteilung.

Andreotti blieb bei all der Aufregung gelassen. "Die Macht reibt nur den auf, der sie nicht hat", ließ er sich gern zitieren. Und als sich die Kritik immer weiter häufte, kommentierte er lässig: "Das einzige, wofür man mich nicht für verantwortlich hält, sind die Punischen Kriege weil ich damals noch zu jung war." Mit derart markigen Aussprüchen und seinem leichten Buckel eignete sich der Politiker so perfekt als Prototyp des fiesen Machtmenschen, dass sein Leben schließlich als Politsatire verfilmt wurde.

2008 kam "Il Divo" von Paolo Sorrentino in die Kinos. Die Frage, wie Andreotti es schaffte, so lange an der Macht zu bleiben, beantwortete der Film eindeutig: Il Divo, die Diva, ist ein intriganter Verbrecher. Andreottis Reaktion: "Dieses Werk ist eine Niederträchtigkeit. Ein boshafter Film." Allzusehr aufgerieben dürfte ihn der Film dennoch nicht haben. An seiner Position als Senator auf Lebenszeit änderte er schließlich nichts. Jetzt ist er im Alter von 94 Jahren gestorben.

© sueddeutsche.de/nap
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