Politiker-Plattitüden:Flach wie eine Flunder

Manche Sätze von Politikern haben das Potential für die Ewigkeit. Gängiger ist aber die Variante der Plattitüden. Die beliebtesten Floskeln im Überblick - es kann kein "Weiter so" geben.

Laura Weißmüller

10 Bilder

Horst Seehofer; dpa

Quelle: SZ

1 / 10

Manche Sätze von Politikern haben das Potential für die Ewigkeit. Gängiger ist aber die Variante der Plattitüden. Die beliebtesten Floskeln im Überblick.

Kein "Weiter so"

Ein einfaches "Weiter so" wird es nicht geben, kommentierte der zukünftige Ministerpräsident Horst Seehofer die vernichtende Wahlschlappe der CSU bei den vergangenen Landtagswahlen.

Der Satz, der das Ende eines bestimmten Zustands fordert, wird gerne mit einem leicht zornigen Unterton von sich gegeben. Beispielsweise auch von Siegfried Naser, dem Chef des Bayerischen Sparkassenverbands, als er Veränderungen in der Bayern LB anmahnte. Auch Bundestagspräsident Wolfgang Thierse benützte die Formulierung, um 2001 auf eine neue Weichenstellung für Ostdeutschland zu dringen.

Horst Seehofer verspricht, dass es mit ihm kein "Weiter so" in der bayerischen Politik geben wird.

Foto: dpa

Angela Merkel; ddp

Quelle: SZ

2 / 10

Eine Arbeitsgruppe einrichten

Der Satz "Wir werden eine Arbeitsgruppe einrichten" geht den Politikern deutlich leichter über die Lippen als "Wir haben keine Lösung gefunden". Nichts anderes steckt aber hinter der Formulierung. Nachdem der Bildungsgipfel - statt in einem harmonischen Einklang - mit den Ländern im Streit endete, verwies die Kanzlerin schnell auf eine Arbeitsgruppe, die den Konflikt klären soll.

Auch die SPD tarnt gerade einen Affront gegen Kanzlerkandidaten Steinmeier mit einer neutral klingenden Arbeitsgruppe: Da sich die SPD-Fraktion gegen den Koalitionsbeschluss zu Bundeswehreinsätzen im Inneren wehrt - und damit Steinmeiers Autorität ankratzt - wird jetzt eine Arbeitsgruppe eingerichtet.

Angela Merkel ist eine Befürworterin von Arbeitsgruppen.

Foto: ddp

Ronald Pofalla; ddp

Quelle: SZ

3 / 10

Eingehend analysieren

Wenn es darum geht, Wahlschlappen zu kommentieren, ist das Verb "analysieren" für alle Politiker unverzichtbar. Nur ob "eingehend", "in aller Ruhe", "sehr genau" oder "intern" analysiert wird, das kann variieren. Der zukünftige Ministerpräsident von Bayern, Horst Seehofer, bevorzugt nach dem historisch schlechten Wahlergebnis der CSU bei den Landtagswahlen "in aller Ruhe", der CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla tendiert dagegen zu "sehr genau".

Beliebt ist es auch, "intern" zu analysieren. Das wollten beispielsweise der bayerische SPD-Spitzenkandidat Franz Maget nach dem schlechten Abschneiden seiner Partei bei den Landtagswahlen wie auch der brandenburgische CDU-Generalsekretär Rolf Hilke, nachdem seine Partei bei den Kommunalwahlen unter 20 Prozent lag.

Ronald Pofalla analysiert lieber sehr genau als in aller Ruhe.

Foto: ddp

Wolfgang Tiefensee; AP

Quelle: SZ

4 / 10

Schritt in die richtige Richtung

Mit dem Schritt in die richtige, wahlweise falsche Richtung hat wohl schon jeder Politiker eine Entscheidung kommentiert. Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sah beispielsweise in den Überlegungen der großen Versicherungen in diesem Sommer, die private Krankenvollversicherung abzuschaffen, einen Schritt in die richtige Richtung.

Auch die Grünen-Abgeordnete Thea Dückert wollte in dem Vorschlag des EU-Justizkommissars Franco Frattini, eine Blue Card zur Erleichterung der Einwanderung in die EU einzuführen, einen Schritt in die richtige Richtung erkennen. Statt des Schritts in die richtige Richtung wird auch gerne die Formulierung "Wir befinden uns auf einem sehr guten Weg" benützt, wie kürzlich etwa von Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee, als er den Stand der Deutschen Einheit beschrieb.

Wolfgang Tiefensee sieht sich passend zu seinem Amt als Verkehrsminister oft auf dem guten Weg.

Foto: AP

Condoleezza Rice; AP

Quelle: SZ

5 / 10

Nach vorne blicken

"Nach vorne blicken und nicht zurück" - das fordern Politiker gerne, wenn die Vergangenheit pechschwarz hinter ihnen liegt. So gab etwa der scheidende Parteivorsitzende der Grünen, Reinhard Bütikofer, genau diese Losung vor, nachdem Cem Özdemir einen argen Dämpfer von der eigenen Partei bekommen hatte: Trotz zweier Anläufe war Özdemir gescheitert, einen aussichtsreichen Platz auf der Liste für die Bundestagswahl 2009 zu bekommen.

Auch internationale Politiker benützen gerne die Plattitüde. So erklärte die amerikanische Außenministerin Condoleezza Rice im Februar 2005, dass jetzt wieder nach vorne geblickt werden könne. Die Krise im deutsch-amerikanischen Verhältnis, die durch den Irak-Krieg ausgelöst worden war, sei nun beigelegt. Genau dieselben Worte zum gleichen Konflikt wählten auch George W. Bush und Gerhard Schröder. Nur etwa eineinhalb Jahre früher.

Condoleezza Rice blickt gerne nach vorne - auch wenn sich in der Zukunft kaum etwas ändern wird.

Foto: AP

Horst Seehofer; ddp

Quelle: SZ

6 / 10

Die Messlatte hochhängen

Die Messlatte wird meist im Sport hochgehängt, aber auch die Politiker hantieren gerne mit dieser Metapher. Manche hängen die Messlatte dabei nicht nur hoch, sondern positionieren sie so weit oben, dass die Hürde nur gerissen werden kann - siehe Horst Seehofer und seine Anforderung an das ehemalige Führungsduo Beckstein und Huber, die Messlatte bei den Landtagswahlen auf 52 Prozent zu legen.

Horst Seehofer liebt`s sportlich: Er hängt die Messelatte - für die anderen - mit Vergnügen etwas höher.

Foto: ddp

Christine Haderthauer; dpa

Quelle: SZ

7 / 10

Umfragen - mal Stimmung, mal ernstzunehmender Trend

Umfragen seien "immer Momentaufnahmen von Stimmungen", sagte die ehemalige CSU-Generalsekretärin Christine Haderthauer kurz bevor ihre Partei die historische Wahlschlappe bei den Landtagswahlen einfuhr. Das Ergebnis hatte sich bereits in Umfragen angekündigt.

Haderthauer teilt ihre Einstellung zu schlechten Prognosen mit Roland Koch. Dieser sah in den Umfragen vor der Hessen-Wahl auch eine Momentaufnahme, musste sich kurz darauf aber eines besseren belehren lassen: Sein Wahlkampf, den er mit populistischen Sprüchen gegen jugendliche Gewalttäter mit ausländischem Pass führte, fiel bei den Wählern glatt durch. Die schlechten Umfragewerte waren wohl doch keine Momentaufnahmen, sondern eher ein "ernstzunehmender Trend". Diese Interpretation einer Umfrage hört man übrigens immer von dem, dessen Prognosen gerade gut sind.

Christine Haderthauers Haltung zu Umfragen ist stimmungsabhängig.

Foto: dpa

Peter Struck; dpa

Quelle: SZ

8 / 10

Beispielloser Kraftakt

Dafür dass der Kraftakt stets "beispiellos" sein soll, hört man die Formulierung auffallend häufig: Beschrieb damit gerade der SPD-Fraktionschef Peter Struck die Anstrengungen der Regierung zur Bewältigung der Finanzkrise, wählte Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff 2003 denselben Ausdruck, um die hohen Anforderungen an seine Landesregierung angesichts der Finanzlöcher zu unterstreichen.

Peter Struck spricht in einer Haushaltsdebatte im Berliner Bundestag.

Foto: dpa

Niels Annen; dpa

Quelle: SZ

9 / 10

Schluss mit Basta

Wer glaubt, eine Basta-Politik gebe es nur in der SPD, der irrt. Auch Politiker anderer Coleur bedienen sich gerne dem Ausdruck, um einen rigiden Führungsstil zu geißeln. So verspricht der designierte bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer, bei ihm werde "Schluss mit der Basta-Politik" sein.

Kurz vor Seehofer tönten die abgegriffenen Phrasen noch aus der politisch bekannten Ecke: Der SPD-Bundestagsabgeordnete und Vizesprecher der Parteilinken, Niels Annen, warnte das neue Führungsduo Frank-Walter Steinmeier und Franz Müntefering vor einem "Zurück zur Basta-Politik".

Niels Annen bevorzugt eine Politik ohne Basta.

Foto: dpa

Edmund Stoiber; dpa

Quelle: SZ

10 / 10

Zeitnahe Lösungen finden

Besonders wenn die Probleme schwerwiegend sind, fällt die Formulierung "zeitnahe Lösungen finden" gerne. "Zeitnahe Lösungen" scheinen dabei ein sehr dehnbarer Begriff zu sein: Manchmal kommt es zu gar keiner Klärung, oft muss dafür erst "eine Arbeitsgruppe eingerichtet werden". Ob diese dann eine Lösung bringt, steht auf einem anderen Blatt.

So sehr die Politiker ihre Plattitüden lieben, so wenig können Journalisten mit ihnen anfangen. Die Floskeln sagen genau so viel aus, wie die Staatsmänner verraten wollen - nämlich nichts.

Edmund Stoiber im November 2005 nach seinem kurzen Berlinausflug auf dem Weg in den bayerischen Landtag. Der ehemalige Ministerpräsident beherrscht die Kunst der Plattitüden - wenn er sich nicht verhaspelt.

Foto: dpa

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: