Steinmeier geht gerne wandern, zum Beispiel in Südtirol. Das tun viele Deutsche auch. In diesem Jahr hat er sich dabei heftig fotografieren lassen. Das läuft unter Homestory. Politische Berater, die noch weniger normale Menschen sind als Journalisten, glauben, dass es gut sei, wenn sich der Kandidat privat zeigt. Wähler, so heißt es, interessieren sich für so was. Fotografen wissen, dass die Pose nicht Steinmeiers Ding ist.
Privat kann Steinmeier im Umgang mit Fremden - und fast alle Menschen sind ja Fremde - ein wenig linkisch sein. Das hat er mit ganz vielen Leuten gemeinsam. Er ist kein großdröhnender Unterhalter, sondern eher einer, mit dem man nachts in der Küche, wenn die anderen längst alle zu laut lachen, noch ganz gut über Bücher und Menschen reden kann. Er hat immer wieder mal geraucht, und er wollte es sich immer wieder einmal abgewöhnen, wie so viele, die rauchen.
Steinmeier ist einer dieser Ein-Kind-Väter, die immer ein schlechtes Gewissen haben, weil sie sehen, wie die Tochter wächst und älter wird und sie so oft nicht da sind. Es ist komisch, aber manchmal muss man an den Commissario Brunetti denken, wenn man Steinmeier sieht. Brunetti ist ein guter Kriminaler, ein Mensch, ein Fühlender. Aber die Umstände verhindern, dass er jemals Vice-Questore werden kann. Er will es auch gar nicht. Steinmeier eigentlich auch nicht.
Als Kandidat ist er jetzt über so viele Marktplätze gehetzt, dass die Berater und Journalisten finden, er habe gelernt. Er hat gelernt, anders zu sein, als er war. Er hat gelernt, als Politiker aufzutreten. Berater und Journalisten sagen, das sei gut. Hielte man ihm das vor, würde er sagen: Ich habe mich nicht verändert, die Umstände sind andere geworden. Ja klar, Vice-Questore, die Umstände.
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