Politiker persönlich:Wir sind das Volk

Wir sind ja gar nicht so abgehoben, finden viele Politiker und zeigen im Wahlkampf gerne ihre persönliche Seite. Das kann sympathisch sein - oder ganz schnell peinlich werden.

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Politiker persönlich:Angela Merkel - die Allerlei-Chefin

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Quelle: SZ

Unter den Geheimnissen um Angela Merkel ist eines der kleineren, ob sie was von Fußball versteht. Das war nicht weiter von Bedeutung, bis Deutschland bei der Weltmeisterschaft 2006 sein Sommermärchen erlebte, und die Kanzlerin fortwährend auf der Tribüne oder im Mannschaftshotel rumsaß, was im Fernsehen kam und deshalb sehr volksnah war.

Dem Torhüter Jens Lehmann, der damals in England spielte und wegen der hohen Steuern nicht nach Deutschland zurückwollte, schwärmte sie vom Elterngeld vor, obwohl kaum vorstellbar ist, wie ein Torwart mal zwei Vätermonate nehmen soll, außer vielleicht in einer Sommerpause, wenn gerade mal keine WM ist.

Im Vereinsfußball ist Merkel nicht festgelegt, sie findet eigentlich alle gut, nur die Bayern nicht, das überlässt sie der CSU. Als Ostdeutsche hat sie allerdings eine besondere Neigung zu ostdeutschen Vereinen. Von Energie Cottbus erhielt sie beim Stadionbesuch einen Schal (s. Foto) und die Ehrenmitgliedschaft. Hansa Rostock liegt in der Nachbarschaft ihres Wahlkreises. Beide Clubs sind mittlerweile abgestiegen.

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Politiker persönlich:Frank-Walter Steinmeier - der gute Commissario

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Quelle: SZ

Steinmeier geht gerne wandern, zum Beispiel in Südtirol. Das tun viele Deutsche auch. In diesem Jahr hat er sich dabei heftig fotografieren lassen. Das läuft unter Homestory. Politische Berater, die noch weniger normale Menschen sind als Journalisten, glauben, dass es gut sei, wenn sich der Kandidat privat zeigt. Wähler, so heißt es, interessieren sich für so was. Fotografen wissen, dass die Pose nicht Steinmeiers Ding ist.

Privat kann Steinmeier im Umgang mit Fremden - und fast alle Menschen sind ja Fremde - ein wenig linkisch sein. Das hat er mit ganz vielen Leuten gemeinsam. Er ist kein großdröhnender Unterhalter, sondern eher einer, mit dem man nachts in der Küche, wenn die anderen längst alle zu laut lachen, noch ganz gut über Bücher und Menschen reden kann. Er hat immer wieder mal geraucht, und er wollte es sich immer wieder einmal abgewöhnen, wie so viele, die rauchen.

Steinmeier ist einer dieser Ein-Kind-Väter, die immer ein schlechtes Gewissen haben, weil sie sehen, wie die Tochter wächst und älter wird und sie so oft nicht da sind. Es ist komisch, aber manchmal muss man an den Commissario Brunetti denken, wenn man Steinmeier sieht. Brunetti ist ein guter Kriminaler, ein Mensch, ein Fühlender. Aber die Umstände verhindern, dass er jemals Vice-Questore werden kann. Er will es auch gar nicht. Steinmeier eigentlich auch nicht.

Als Kandidat ist er jetzt über so viele Marktplätze gehetzt, dass die Berater und Journalisten finden, er habe gelernt. Er hat gelernt, anders zu sein, als er war. Er hat gelernt, als Politiker aufzutreten. Berater und Journalisten sagen, das sei gut. Hielte man ihm das vor, würde er sagen: Ich habe mich nicht verändert, die Umstände sind andere geworden. Ja klar, Vice-Questore, die Umstände.

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Politiker persönlich:Guido Westerwelle - der Geläuterte

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Seitdem er Merkels Außenminister werden will, setzt sich Guido Westerwelle nicht mehr jeden Hut auf. Die venezianischen Hochglanzzeiten des Gondel-Dandy-Traums in Weiß sind so vorbei wie der Besuch im Big-Brother-Container. Und obwohl die FDP in den seltsamen Umfragen dieses Wahlkampfes der magischen 18 gefährlich nah gekommen ist, bleiben die Guido-Schuhe im Museum.

Der neue Westerwelle ist: Seriös. Seriös. Seriös. Sogar wenn er, wie auf dem Wahlplakat, im Kontakt mit zufriedenen Bürgern das Sakko weglässt. Nur ein paar Strähnchen im Haar evozieren noch eine gewisse Kylie-Minogue-Fabelhaftigkeit.

Der Mann hat sich in harten Jahren unter Fielmanns Mithilfe gemausert zum Staatsmann-Aspiranten und Gewinner im Christian-Wulff-Lookalike-Wettbewerb. Er ist jetzt der Typ Schwiegersohn, der im Vormittagsprogramm alte Damen betört. Also: absolut wählbar.

Im Nahkampf mit Wählern gibt er sich menschenfreundlich und tierlieb; er streichelt sogar junge Schweine, wie man seiner Homepage entnehmen kann. Doch die Krawatte bleibt immer an.

Fernsehcontainer war gestern: Guido Westerwelle im Oktober 2000 im "Big-Brother"-Haus von RTL. Foto: dpa

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Politiker persönlich:Karl-Theodor zu Guttenberg - der Popstar

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Quelle: SZ

Karl-Theodor zu Guttenberg braucht sich gar kein T-Shirt anzuziehen, er ist auch in Anzug und Krawatte der Popstar der deutschen Politik. Dass Stars sozusagen aus dem Nichts auftauchen, kennt man. Ein paar Tore hintereinander, und schon ist einer der kommende Mann für die Nationalmannschaft. Ein Super-Hit, und schon werden Parallelen zu den Legenden früherer Jahrzehnte gezogen. Oft verglühen solche Stars allerdings schnell wieder, und dann wird gerne die abwertende deutsche Verkleinerung "Sternchen" gebraucht. Bei "KT", wie Guttenberg von seinen Fans der Einfachheit halber genannt wird, könnte die Idolisierung aus drei Gründen eine Weile anhalten.

Der erste Grund ist sozusagen physikalischer Natur. Jeder kennt das, wenn er eine Vakuumverpackung öffnet. Da strömt mit einem gewaltigen Sog sofort Luft hinein. So ähnlich war es bei CDU/CSU. Seit dem Abgang von Friedrich Merz herrschte dort ein wirtschaftspolitisches Vakuum. Bis Guttenberg Minister wurde. Plötzlich strömten all die Erwartungen, Hoffnungen und Sehnsüchte auf ihn ein, die den von der Sozialdemokratisierung seiner Partei verzweifelten Unionsanhänger umtrieben.

Der zweite Grund ist die längst zum historischen Moment verklärte Aufwallung von Mut. Seitdem sich Guttenberg bei der Opel-Rettung für eine Nacht querlegte, gilt er als Prototyp eines Politikers, den sich viele lange gewünscht haben: einer, der unabhängig ist, oder jedenfalls so wirkt.

Und drittens ist da seine Herkunft. Dass der Mann auch noch adelig ist, erhöht einfach seinen Sexappeal. Guttenberg muss gar nichts machen, um auf die Leute zu wirken, es reicht, dass er einfach da ist.

Aber natürlich weiß er um seine Wirkung- und wie man sie ganz dezent erhöht. Mit den richtigen Worten, einem Schluck Bier an der richtigen Stelle. Da ist der Applaus sicher. Nur die Frisur ist Geschmackssache. Eigentlich ist der Nasskämmer in Deutschland ja aus der Mode gekommen.

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Politiker persönlich:Cem Özdemir - der Schwabe

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Cem Özdemir ist kein Mann für Bierzelt-Polemiken und Blubberrunden im Fernsehen, da unterscheidet er sich erheblich von der bekenntnisfreudigen Co-Vorsitzenden Claudia Roth. Der Sohn einer türkischen Gastarbeiterfamilie betont oft, wie bodenständig, wie schwäbisch er ist, wie nah bei den Leuten.

Sein Wahlkampfgebiet ist auch überschaubar: In und um Stuttgart herum verteilt er gerne Äpfel, Bio-Äpfel; er spricht in Schulen und Sozialvereinen. Besonders fleißig ist der 44-Jährige als YouTube-Aktivist - im Internet kann man Papa Cem mit seiner Tochter bis in den Zoo folgen, wo er die artgerechte Tierhaltung lobt. Am Küchentisch einer WG erklärt der Parteivorsitzende den grünen New Deal.

Sogar der Rapper Massiv wirkte nach einer Begegnung mit dem Öko-Softie wie geläutert, obwohl dieser das popkulturell bedenkliche Geständnis ablegte, in seiner Freizeit Bob Dylan und die Fantastischen Vier zu hören. Vorbildlich ist die Ankündigung, nach der Geburt seines zweiten Kindes im November in Elternzeit zu gehen. Mann, o Mann! So weit wäre sein Vorbild Joschka Fischer nie gegangen.

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Politiker persönlich:Oskar Lafontaine - der Bonapartist

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Quelle: SZ

Dieser Politiker ist in Volksnähe nicht zu überbieten, jedenfalls in der Nähe zu den Franzosen. Er trägt einen französischen Namen, er verehrt einen französischen Kaiser, er isst und trinkt französisch, und er wohnt nahe der französischen Grenze. Von hier aus wollte er einst die Franzosen vor einem deutschen Kanzler namens Schröder bewahren, was ihm missglückte. Stattdessen bewahrte Schröder die Deutschen alsbald vor einem Finanzminister Lafontaine.

Der französische Mindestlohn von fast zehn Euro ist diesem Politiker Vorbild für ganz Europa. Und auch der Generalstreik, der Frankreich immer mal wieder so wunderbar lahmlegt, dient ihm als Vorbild für die Manifestation der Massen anderswo.

Um seinem Vorbild Napoleon Bonaparte nachzueifern, verbannte er sich eine Zeitlang selbst, kehrte zurück und schloss einen Bund mit den Nachfolgern derer, die einst mit Russland verbündet waren. Mittlerweile ist er wieder so erfolgreich, dass manche sein Waterloo herbeisehnen. Oder doch wenigstens, dass er mitsamt seiner Revolution wirklich nach Frankreich geht.

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Politiker persönlich:Horst Seehofer - der große Unbekannte

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Quelle: SZ

Das Bild täuscht. Seehofer ist zwar, in der Politik wie in der Freizeit, ein Spieler - aber Fußballspieler ist er nicht. Sein Privatvergnügen Nr.1 ist wenig bekannt, aber bezeichnend: Er fährt gern mit dem Motorroller durch seine Lande, unkenntlich gemacht mit Sonnenbrille und Tarnkappe, als bayerischer Harun al Raschid; er steigt nicht im Wirtshaus ab, sondern auf der Holzbank und isst still vergnügt die Brotzeit aus dem Rucksack. Das Rollerfahren passt zu seinem politischen Stil: Gas geben, Krach machen, schnell wieder weg.

Über Privatvergnügen Nr. 2 ist schon viel geschrieben worden: Im Keller seines Ferienhauses in Schamhaupten im Altmühltal steht eine riesige Eisenbahn, mit der Seehofer sein Leben nachbaut: Der Bahnhof heißt, Hommage an die CSU, "Schwarzburg". Wegen seiner Zeit als Gesundheitsminister hat er sich ein Krankenhaus hingestellt.

Die Züge tragen alle einen Namen: Natürlich gibt es einen Merkel-Zug. Ein anderer heißt "Wimau". Annette Widmann-Mauz, seine Gegnerin bei der Gesundheitsreform, Verfechterin der Kopfpauschale, hat ihm den Zug geschenkt. Seehofer lässt ihn unterirdisch fahren.

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Politiker persönlich:Ursula von der Leyen - die Zwergenversteherin

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Wer sich als Politiker mit Kindern anderer Leute umgibt, muss entweder viel Erfahrung haben oder ein risikofreudiger Mensch sein. Denn die Kleinen reagieren gern verstockt auf Fremde, die aus ihnen unerfindlichen Gründen im Hort auftauchen, sich auf Zwergenstühlchen setzen und dann unter großem Getöse auch noch fotografiert werden.

Sie klatschen nicht, wollen kein Autogramm. Sie bohren in der Nase, nehmen übel und fangen notfalls an zu brüllen. Als Familienministerin ist Ursula von der Leyen sozusagen beruflich gezwungen, sich mit Kindern zu umgeben und ist als Mutter von insgesamt sieben Töchtern und Söhnen dafür gut gerüstet. Sie macht sich bei solchen Terminen nicht lächerlich, biedert sich auch nicht in Duzi-Duzi-Eia-Eia-Sprache unangenehm bei den Kleinen an.

Ob der CDU-Politikerin Zwergenstühlchen-Bilder bei der Imagepflege nutzen, im Wahlkampf oder überhaupt, muss man allerdings in Frage stellen. Denn der konservative Teil der Unionswählerschaft hält bekanntlich nicht allzu viel von Müttern, die mit fremdem statt eigenem Nachwuchs in der Öffentlichkeit herumtollen.

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Politiker persönlich:Sigmar Gabriel - der Freche

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Quelle: SZ

Der amtierende Umweltminister hat den Baustellenhelm an diesem Abend abgelegt und bewegt sich fernab aller potentiellen Endlager behände über das Parkett des Russischen Palais' Unter den Linden.

Die Hand und der spöttisch-ernste, distanziert-freche Gesichtsausdruck signalisieren: "Ich bin doch gar nicht so wichtig, dass ich ins Bild kommen müsste, aber es wäre trotzdem ein großer Fehler, mich nicht wichtig zu nehmen." Bei alledem macht Sigmar Gabriel bella figura, vermutlich eingedenk der Peinlichkeit, die seinem ehemaligen Parteifreund Lafontaine einst auf einem Jugendparteitag der SPD unterlief. Der tanzte damals in einer Art spastischer Entrücktheit zur Techno-Musik und wirkte unter den jungen Leuten wie ein Bär, der sich auf den Försterball verirrt hatte.

Gabriel hingegen tat gut daran, die klassische Tanzhaltung einzunehmen. Das fröhliche Lachen seiner Freundin Anke Stadler lässt darauf schließen, dass ihr Tanzpartner gerade einen seiner flotten Sprüche losgeworden ist. Zum frechen Hund passt eine rote Fliege. Doch morgen heißt es wieder: Helm auf zum letzten Gefecht mit der Atomkanzlerin!

Foto: dpa

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