Politiker in den sozialen Medien:Selfie-Time für Twitter-Könige

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(Foto: Collage: SZ.de)

Hier sind sie, die ultimativen Top Ten deutscher Politiker auf Facebook, Twitter und Google+. Wer schreibt selbst, wer tut nur so? Wer hat einen Shitstorm abbekommen? Und wie ist eigentlich dieser Typ auf die Liste gekommen, der mal die Seite Amateurstar.de betrieben hat?

Das folgende Ranking basiert auf einer Auswertung des Online-Dienstes pluragraph.de. Dort werden die Profile von Politikern und Parteien quantitativ analysiert, es werden also Follower und Freunde bei Twitter, Facebook und Google+ gezählt. Eine Aussage über die Qualität der Auftritte und die tatsächliche Reichweite lässt diese Methode nicht zu.

Von Thorsten Denkler, Berlin

Angela Merkel - die Facebook-Queen

Ja, klar. Sie ist Kanzlerin, mächtigste Frau der Welt und so. Aber dass Angela Merkel auf einem schlichten Facebook-Profil mehr als eine Million - nun ja - Freunde hat... tststs. Sie postet da ja nicht mal selbst.

Letztens war da nur das Foto einer Karte, auf die Sie mit Hand geschrieben hat: "Ich danke meinen 1 000 000 Facebook-Fans! Ihre Angela Merkel!" Da war ja Peer Steinbrück auf Twitter besser. Ansonsten finden sich Pressemitteilungen, Grußbotschaften und Bilder, auf denen Merkel hier mal jenem die Hand schüttelt und dort mal dem anderen. Authentisch geht anders.

Aber gut. Merkel ist Kanzlerin. Wir dürfen annehmen, dass der Amtsbonus ihr den einen oder anderen Fan eingebracht hat. Sollte sie jemals nicht mehr Kanzlerin sein, würde ihr eine Facebook-Schulung ganz gut tun.

Hier geht es zum Social-Media-Benchmarking von Angela Merkel

Gregor Gysi - der Oppositionsführer im Netz

Wer erlebt hat, wie Gregor Gysi sich nach der Bundestagswahl 2013 aufgepumpt hat, der bekommt vielleicht eine Ahnung davon, wie sehr ihn dieser zweite Platz freuen muss. Der Titel des Oppositionsführers hat schön überdeckt, dass seine Linke ganz schön Stimmen lassen musste.

Aber was soll´s: Oppositionsführer! Das ist doch was! So wie Sozialismus und Kommunismus zusammen. Anders als der Platz eins von Merkel speist sich Gysis zweiter Platz aus Fans auf Facebook (219 000 Fans), Twitter (59 000) und Google+ (57 000).

Auf Facebook erklärt der Fraktionschef die Welt mit Kurz-Kommentaren. Auf Twitter geißelt er einmal am Tag die Politik der großen Koalition. Oder gibt Fußballtipps ab.

Auf Google+ macht er irgendwie beides. Nur auf Debatten einlassen will er sich in den sozialen Netzwerken nicht. Ist ohnehin die Frage, ob er das alles selbst schreibt.

Hier geht es zum Social-Media-Benchmarking von Gregor Gysi

Martin Schulz - King of Europe

Platz drei. Und schon fast 700 000 Follower weniger als Merkel. Dabei hätte er sozusagen ihr Chef werden wollen, im Europawahlkampf 2014. Da war sein Ziel, Präsident der EU-Kommission zu werden. Das hat er nicht geschafft. Macht aber nichts: Parlamentspräsident war er schon vorher.

Und ist er jetzt wieder. Wer ihm auf Facebook oder Twitter folgt, der muss den Eindruck bekommen: Hautsache Präsident. Er postet (oder lässt posten), dass sich die Glasfaserleitungen biegen. Gerne auf Englisch, Spanisch, Italienisch oder Französisch. Und zuweilen auch auf Deutsch. Schulz ist eben Europäer.

Inhaltlich kommen seine Accounts eher wie Arbeitsnachweise rüber. Fotos mit Hollande, Merkel, spanischen Hoheiten und so weiter. Und immer wieder Posts, die den Zusammenhalt Europas beschwören. Ok, er ist Parlamentspräsident. Da muss er auch Diplomat sein. Aber wie es der Sozialdemokrat mit dieser lauen Performance schafft, seit vergangenem Oktober knapp 30 000 Follower mehr auf seinem Twitter-Konto zu haben, ist ein Rätsel. Mit seinen 158 000 Followern ist er der unangefochtene Twitterkönig unter den deutschen Politikern.

Hier geht es zum Social-Media-Benchmarking von Martin Schulz

Martin Sonneborn - der einzig wahre Politiker

Ja, Martin Sonneborn ist ein Politiker. Sonneborn hat als Abgeordneter des Europäischen Parlamentes jeweils ein Büro in Straßburg und in Brüssel. Er bekommt Sitzungsgeld und Diäten wie jeder anständige Politiker. Schon deshalb gehört er völlig zu Recht in diese Liste. (Mit anderen ist das schwieriger, siehe Tobias Huch, Platz 6). Er ist ja auch Parteichef von "Die Partei", eine in gewissen Kreisen durchaus angesehen Kleinpartei.

Für einen, der jetzt nicht ganz oben steht in den politischen Hierarchien wie etwa ein Martin Schulz hat er ziemlichen Erfolg in den sozialen Netzwerken. 150 000 Fans auf Facebook. 24 000 Follower auf Twitter. Und dann betreibt er noch die recht erfolgreichen Youtube-Kanäle Martin Sonneborn und willybrandthaus. Gut, inhaltlich kommt außer viel Werbung für das investigative Polit-Magazin "Titanic", dessen Chefredakteur er mal war, nicht viel rum. Aber auch da steht er anderen Politikern in Nichts nach.

Hier geht es zum Social-Media-Benchmarking von Martin Sonneborn

Peer Steinbrück - der Selbstvermarkter

Angela Merkel ist Kanzlerin. Peer Steinbrück ist es nicht. Das ist schon beinahe die ganze Social-Media-Geschichte von Steinbrück. Der hat ja erst mit der Kanzlerkandidatur angefangen zu twittern, es immerhin auf 56 000 Follower gebracht. Aber mit dem Wahltag jede Aktivität dort eingestellt. Oder besser: einstellen lassen. Selbst getwittert hat er ja nicht. Höchstens mal einen Zettel voll geschrieben, abfotografieren lassen und dann hat das da jemand von seinem Team in dieses Twitter-Dings da reingestellt.

Auf seinem Facebook-Account ist es kaum anders. Der ist zwar immer noch in Betrieb. Nur nutzt er - pardon - lässt er den Kanal nutzen, um seine schönsten Interviews und ab und an eine Pressemitteilung zu posten. Oder sein neues Buch zu promoten, das immerhin die steile These enthält, dass auch er nicht völlig unschuldig war am SPD-Wahldesaster 2013.

Was ihn nicht davon abhält, es immer noch gerne besser zu wissen. Interessant ist, dass seine Facebook-Fangemeinde seit sechs Monaten kontinuierlich schrumpft. 2500 Fans hat er verloren. Trotz neuem Buch.

Hier geht es zum Social-Media-Benchmarking von Peer Steinbrück

Tobias Huch - Der Free-Porn-Free-Kurden-Aktivist

Dieser Tobias Huch hat einen Wikipedia-Eintrag, dafür brauchen andere ein ganzes Leben. Huch allerdings ist Jahrgang 1981. Jetzt ist ja Quantität nicht immer gleich Qualität. Huch jedenfalls hat so viele Merkwürdigkeiten in seinem jungen Leben angehäuft, dass es möglichen Schwiegermüttern schlaflose Nächte bereiten müsste.

Fangen wir mit dem Harmlosen an, seinem früheren Leben als Erotik-Portal-Betreiber. Amateurstar.de hieß eines seiner Portale. Unter "Netzaktivismus" vermerkt Wikipedia einen Klageversuch in Karlsruhe, um die Verbreitung sogenannter weicher Pornografie zu erleichtern. Huch nennt sich selbst "Netzaktivist gegen Zensur". Schon klar.

Er hat auch schon Unterstützungsaktionen für den früheren CSU-Super-Plagiator von und zu Guttenberg gestartet. Erklärbar womöglich dadurch, dass Huch für befreundete Studenten einst die Hausarbeiten schrieb, wie er 2014 öffentlich machte. Weswegen er wiederum von der FDP in Mainz zum Rücktritt aufgefordert wurde.

Huch ist Bezirksvorsitzender der Jungen Liberalen Rheinhessen-Vorderpfalz und stellvertretender Mitglied im Landesvorstand der Jungen Liberalen Rheinland-Pfalz. Keine wirklichen Hammer-Ämter. Aber jeder hat mal klein angefangen in der FDP.

Ob es mit der Parteikarriere noch was wird, sei mal dahingestellt. In der FDP ist ja alles möglich. Derzeit geriert er sich auf Facebook und Twitter als Salafisten-Jäger und Kurden-Retter. Das Facebook-Profilfoto lässt einen allerdings etwas ratlos zurück. Da posiert er mit einer Gruppe von knienden Männern in orangen Overalls, hinter denen schwarzmaskierte Männer stehen, die ihnen Pistolen in den Nacken drücken.

Einem der Männer legt Huch auf dem Bild den Arm um die Schulter. Ist alles hoffentlich nur ein schlechter Scherz. Twitter beweist übrigens, dass nicht jeder Honk dort Erfolg hat. Huchs 104 000 Facebook-Fans stehen 2900 Twitter-Follower gegenüber.

Hier geht es zum Social-Media-Benchmarking von Tobias Huch

Sahra Wagenknecht - die "Immer nur Nummer zwei"-Sozialistin

In der Linken ist Sahra Wagenknecht die Nummer zwei. Also jedenfalls in den sozialen Medien. Allerdings, und das wird sie womöglich ärgern, weit hinter der Nummer eins, Gregor Gysi.

Wagenknecht ist zwar auf Twitter vorn mit ihren 66 000 Followern. Da fehlen Gysi noch 7000. Aber auf Facebook ist sie weit hinten. Gysi 219 000, Wagenknecht nur 35 000.

Immerhin: Sie twittert alles selbst. Egal ob sie wieder Putin hofiert, Merkels Finanzpolitik in Grund und Boden argumentiert oder den eigenen Leuten einen einschenkt, weil die nicht so abstimmen wollen, wie sie es gerne hätte.

Nummer eins will sie aber auch nicht werden. Gerade erst hat sie es abgelehnt, im Herbst als Fraktionschefin anzutreten. Der Job an der Seite von Dietmar Bartsch wäre ihr sicher gewesen. Sie will sich lieber darauf konzentrieren, was sie wirklich kann, schrieb sie ihren Fraktionskollegen.

Vor drei Jahren konnte sie schon einmal nicht Parteivorsitze. Obwohl sie auch den Posten auf dem damaligen Parteitag in Göttingen wieder hätte haben können. Wenn sie sich nur getraut hätte. Wagenknecht ist ja noch jung, Jahrgang 1969. Vielleicht ist sie in ein paar Jahren so weit. Und wenn dann Gysi keine Ämter mehr hat, vielleicht übertrumpft sie ihn dann auch auf Facebook.

Hier geht es zum Social-Media-Benchmarking von Sahra Wagenknecht

Sigmar Gabriel - Der brave Rebell

Schwarzes Polo-Shirt, Kaffee-Tasse in der Hand, Laptop aufgeklappt. Sigmar Gabriel am heimischen Esstisch. Als der SPD-Chef Sigmar Gabriel 2012 dieses Foto von sich twitterte, dachten viele, wow, der hat`s raus mit den sozialen Medien. Andere bekamen es mit der Angst. Gabriel, der Unberechenbare, unterwegs in Netzwerken, in denen der kleinste sprachliche Fauxpas einen Shitstorm auslösen kann. Gefährlich.

Und so kam es auch: Auf Facebook schreibt er ebenfalls 2012 über das Westjordanland: "Das ist für Palästinenser ein rechtsfreier Raum. Das ist ein Apartheid-Regime, für das es keinerlei Rechtfertigung gibt." Nach dieser Israel-Kritik ging im Netz die Post ab. Gabriel unter Feuer. Seitdem ist er - zumindest im Netz - ganz brav geworden.

Auf Facebook finden sie die gleichen braven Selbstvermartkungs-Posts, wie sie auch Merkel und andere auf ihren Profilen verbreiten. Die Twitterei hat Gabriel inzwischen ganz eingestellt.

Der letzte Eintrag vom Oktober 2013 lautet: "Aufgrund massiver technischer Probleme mussten wir den für heute angekündigten Chat abbrechen. Wir holen ihn so schnell wie möglich nach." Daraus ist nichts geworden. Eine Unzuverlässigkeit, von der zu hoffen ist, dass er sie im analogen Leben nicht auch an den Tag legt.

Hier geht es zum Social-Media-Benchmarking von Sigmar Gabriel

Hannelore Kraft - Die Selfie-Mutter

Zwei Kanäle - derselbe Inhalt. Wer Hannelore Kraft auf Twitter folgt, der bekommt nichts anderes als auf Facebook. Aber gut, die Frau ist Ministerpräsidentin von NRW. Da muss das mal reichen.

Immerhin: Sie postet selbst. Steht das Kürzel HK hinter dem Post, war es die Chefin selbst. Das ist mal transparent. Andere lassen schreiben. Und das dann gerne noch in der Ich-Form. Wirklich weltbewegendes kommt da nicht über die sozialen Medien. Aber ein paar persönliche Dinge sind dann doch herauszulesen.

Ihrem Mann Udo etwa hat sie zum Geburtstag eine Reise zu Biathlon nach Ruhpolding geschenkt. Und das Ergebnis am 18. Januar mit Foto dokumentiert. Kraft mit blauer Strickmütze neben Udo vor Biathlon-Schießanlage. "Macht riesig Spaß!!!!!", schreibt sie dazu. It´s Selfie-Time.

Hier geht es zum Social-Media-Benchmarking von Hannelore Kraft

Peter Altmaier - Der Twitterkönig

Er ist der Twitterkönig. So hieß es jedenfalls mal. Und dann wurde Peter Altmaier Kanzleramtsminister. Was die Zahl der Follower angeht, ist er zwar nur Nummer zwei nach Martin Schulz. Aber der EU-Parlamentspräsident ist auch europaweit und auf Englisch unterwegs. Das wäre nicht fair, die beiden zu vergleichen.

Also: Altmaier bleibt mit seinen mehr als 70 000 Followern Twitterkönig unter den Bundespolitikern. Nur leider fehlt ihm offenkundig die Zeit, seinen Ruf zu verteidigen. Nur hin und wieder mal lässt er sich noch auf Twitter-Debatten ein. Sein größter Fehltritt zumindest aus Sicht seiner Parteifreunde: Ein nächtlicher Tweet zum Thema Christian Wulff um 0:31 am 11. Januar 2012: "Ich mach mich jetzt vom Acker. Wünsche mir, dass Christian seine Anwälte an die Leine legt und die Fragen/Antworten ins Netz stellt."

Keine öffentliche Kritik an Wulff. Das war damals die Ansage der Kanzlerin. Geschadet hat es dem damaligen parlamentarischen Geschäftsführer der Bundestagsfraktion nicht. Merkel hat ihn wenige Monate später zum Umweltminister und nach der Wahl 2013 zu ihrem Kanzleramtsminister gemacht. Als solcher schreibt er zuweilen Droh-Briefe an den NSA-Ausschuss, wo er wohl ein Leck vermutet, das dem BND Schaden könnte. Das ließ sich offenbar nicht auf 140 Zeichen unterbringen.

Hier geht es zum Social-Media-Benchmarking von Peter Altmaier

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