Süddeutsche Zeitung

Politik kompakt:Tschechien: Gericht vertagt EU-Urteil

Das tschechisches Verfassungsgericht vertagt das Urteil zum Lissabon-Vertrag, der Senat in den USA beschließt Gesundheitsreform-Vorlage und der türkische Generalstab ist unter Verschwörungsverdacht.

Tschechisches Verfassungsgericht vertagt EU-Urteil

Das tschechische Verfassungsgericht hat seine Entscheidung über eine Klage von EU-kritischen Senatoren gegen den Lissabon-Vertrag auf den 3. November vertagt. Dies gab der Vorsitzende Richter Pavel Rychetsky in Brno (Brünn) bekannt. Die EU wartet auf die Ratifizierung des Reformvertrags durch den Prager Präsidenten Vaclav Klaus, der das Abkommen als letztes Staatsoberhaupt der Union noch nicht unterzeichnet hat. Klaus fordert für Tschechien eine Ausnahmeklausel bei der EU-Grundrechtcharta und will auch das Urteil des Verfassungsgerichts abwarten.

US-Senat einigt sich auf Vorlage zur Gesundheitsreform

Nach langem Ringen hat der US-Senat eine gemeinsame Vorlage zur Gesundheitsreform beschlossen. Der Entwurf sieht wie von der Regierung gewünscht eine Ausstiegsklausel für die Bundesstaaten vor. US-Präsident Barack Obama begrüßte den Plan. Der Chef von Obamas Demokratischer Partei im Senat, Harry Reid, kündigte als nächsten Schritt eine Überprüfung der Kosten des Plans durch die Haushaltsbehörde des Kongresses an. Unmittelbar anschließend werde der Senat seine Beratungen beginnen. "Ich bin überzeugt, wir werden die Unterstützung meiner Fraktion haben, um den Entwurf voranzubringen und mit dem Gesetzgebungsverfahren zu beginnen", sagte Reid. Die Demokraten haben exakt die 60 Stimmen in dem Gremium, die für eine Verabschiedung nötig sind. Rund ein Dutzend Parteimitglieder haben aber Bedenken gegen das Projekt.

Türkische Armeespitze wegen Verschwörung verdächtigt

Der türkische Generalstab ist nach neuen Berichten über eine Beteiligung an einer Verschwörung gegen die islamisch-konservative Regierungspartei AKP in Erklärungsnot geraten. Türkische Zeitungen berichteten, nach Ermittlungen der Behörden seien entsprechende Akten des Militärs vernichtet und Festplatten gelöscht worden. Bereits im Sommer war der türkische Marineoberst Dursun Cicek wegen angeblicher Sabotagepläne gegen die AKP verhaftet worden. Cicek war Mitgliedschaft in einer illegalen Vereinigung vorgeworfen worden. Hintergrund war das Bekanntwerden eines gegen die AKP gerichteten Papiers. Der Generalstab hatte jede Beteiligung bestritten. Inzwischen liege der Staatsanwaltschaft ein anonymes Schreiben vor, in dem ein Offizier genaue Angaben mache, hieß es in den Berichten.

Karadzic bleibt seinem Prozess weiter fern

Der vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal angeklagte frühere bosnisch-serbische Führer Radovan Karadzic ist auch am heutigen Dienstag seinem Prozess ferngeblieben. Der Vorsitzende Richter O-Gon Kwon äußerte sein Bedauern über die Entscheidung Karadzics und kündigte an, das Gericht werde die Einsetzung eines Pflichtverteidigers für Karadzic prüfen, wenn dieser dem Prozess weiter fernbleibe. Die Anklage begann am Dienstag mit der Darlegung der Vorwürfe. Karadzic, der sich selbst verteidigt, wirft dem Tribunal vor, ihm nicht genug Zeit zur Vorbereitung gegeben zu haben. Der 64-Jährige muss sich in elf Anklagepunkten wegen Völkermordes und Verbrechen gegen die Menschlichkeit während des Bosnien-Krieges verantworten. Zu den Gräueltaten, die ihm zur Last gelegt werden, zählt das Massaker von Srebrenica, bei dem 1995 rund 8000 muslimische Männer und Jungen ermordet wurden.

Raketenangriff aus dem Libanon auf den Norden Israels

Aus dem Libanon ist ein Raketenangriff auf den Norden Israels verübt worden. Das Geschoss vom Typ Katjuscha sei auf einem offenen Feld östlich der Stadt Kiriat Schmona eingeschlagen und habe niemanden verletzt, verlautete aus israelischen Polizei- und Armeekreisen. Der Einschlag habe einen Brand ausgelöst, der aber keine Schäden angerichtet habe. Laut Augenzeugen in Kiriat Schmona beschoss die israelische Armee im Gegenzug den Süden des Libanon. In der Nähe des Dorfes Hula seien acht Raketen eingeschlagen, sagte ein Vertreter der libanesischen Sicherheitskräfte.

Koalition von CDU und SPD in Thüringen besiegelt

Der Koalitionsvertrag von CDU und SPD in Thüringen ist besiegelt. Die Vereinbarung mit den Regierungszielen wurde von der neuen CDU-Vorsitzenden Christine Lieberknecht und SPD-Chef Christoph Matschie in Erfurt unterschrieben. "Wir wollen Verantwortung teilen und gemeinsam mehr bewegen", sagte Lieberknecht. Der Koalitionsvertrag sei das Kursbuch für die kommenden fünf Jahre. Die 51 Jahre alte Pfarrerin soll am Freitag und damit zwei Monate nach der Landtagswahl zur ersten CDU-Ministerpräsidentin in Deutschland gewählt werden. Lieberknecht sprach von einem "belastbaren Grundvertrauen", das die Koalitionspartner in Thüringen verbindet. Auch Matschie, der voraussichtlich Kultusminister und Vize-Regierungschef wird, äußerte sich positiv zum Vertrag. "Es geht nicht um den kleinsten gemeinsamen Nenner, sondern um den größten Gewinn für Thüringen."

Serbische Kriegsverbrecherin Plavsic aus Haft entlassen

Die bosnisch-serbische Kriegsverbrecherin Biljana Plavsic ist vorzeitig aus der Haft entlassen worden. Die frühere Präsidentin der bosnischen Serben habe Zweidrittel ihrer elfjährigen Gefängnisstrafe abgesessen und sei in Absprache mit dem Tribunal in Den Haag auf freien Fuß gesetzt worden, teilten die schwedischen Vollzugsbehörden mit.

Plavsic war von dem Tribunal im Februar 2003 wegen Verbrechen während des Bosnienkriegs 1992-95 verurteilt worden. Die Angeklagte hatte damals gestanden, während des Krieges Minderheiten aus religiösen, ethnischen und politischen Gründen verfolgt und dazu auch mit paramilitärischen Einheiten aus Serbien zusammengearbeitet zu haben. Im Gegenzug für das Teilgeständnis ließ die Anklage den Vorwurf des Völkermords fallen.

Der Vorsitzende des Präsidiums von Bosnien-Herzegowina, Zeljko Komsic, sagte aus Protest gegen die Freilassung von Plavsic seinen für nächste Woche geplanten Besuch in Schweden ab. Sie schwedische Regierung habe Plavsic "freiwillig" aus der Haft entlassen und sei nicht dazu gezwungen gewesen, erklärte Komsoc in einer in Sarajevo veröffentlichten Stellungnahme zur Begründung. Komsic hatte stets verlangt, Plavsic dürfe nicht vorzeitig auf freien Fuß gesetzt werden, jeder Akt von "Barmherzigkeit" für eine verurteilte Kriegsverbrecherin wäre ein "großer Fehler".

Irakischer Arm von al-Qaida bekennt sich zu Doppelanschlag

Der irakische Arm des Terrornetzwerks al Qaida hat sich zu dem blutigen Doppelanschlag im Regierungsviertel von Bagdad bekannt, bei dem am Sonntag mindestens 100 Menschen getötet worden waren. Wie das auf die Beobachtung islamistischer Websites spezialisierte US-Unternehmen SITE mitteilte, veröffentlichte die Gruppierung Islamischer Staat im Irak auf einschlägigen Internetseiten ein Bekennerschreiben.

Rasmussen zeigt sich zu Atomwaffen-Abzug zurückhaltend

Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen gibt sich angesichts der Pläne der neuen deutschen Regierung für eine atomwaffenfreie Bundesrepublik zurückhaltend. "Die Frage unserer Nuklear-Strategie wird im Rahmen der Beratungen über das neue strategische Konzept besprochen", sagte Rasmussen der französischen Tageszeitung Le Figaro. Er rechne nicht damit, dass Deutschland unilaterale Maßnahmen ergreife. Zur Frage, ob der deutsche Wunsch nach einem Abzug der Atomsprengköpfe für die Nato ein Problem darstelle, äußerte sich Rasmussen nicht. Die künftige schwarz-gelbe Regierung hat im Koalitionsvertrag vereinbart, dass sie mit den USA und den anderen Nato-Partnern Gespräche über einen Abzug der US-Nuklearwaffen aufnehmen will.

Palästinenserchef Abbas überlegt angeblich Verzicht auf Kandidatur

Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas erwägt angeblich den Verzicht auf eine neue Kandidatur bei den für Januar geplanten Wahlen. Ein auf Anonymität bestehender Vertreter der Palästinenser berichtete, Abbas habe dies in einem Telefonat mit US-Präsident Barack Obama angedeutet. Danach will Abbas erst dann wieder für das Präsidentenamt kandidieren, wenn Israel seine Weigerung fallen lasse, den Ausbau von Siedlungen in den besetzten Gebieten zu stoppen. Andere Vertreter der Palästinenser äußerten Zweifel, dass Abbas seine Drohung wahrmachen wird. Abbas habe in dem Telefongespräch mit Obama seine Verärgerung geäußert, dass die USA aus seiner Sicht in der Siedlungsfrage den Druck auf Israelis gemindert hätten. Abbas' Chefunterhändler Saeb Erekat und israelische Regierungsvertreter hatten am Montag die Wiederaufnahme der von den USA vermittelten Friedensgesprächen ausgeschlossen.

Obama lässt sich mit Afghanistan-Entscheidung Zeit

US-Präsident Barack Obama will seine Entscheidung über eine mögliche Truppenaufstockung in Afghanistan erst nach reiflicher Überlegung treffen. Er werde sich nicht übereilt festlegen, sagte Obama am Montag vor Soldaten auf dem Stützpunkt Jacksonville in Florida: "Ich werde Ihr Leben nicht riskieren, sofern es nicht absolut notwendig ist." Den Streitkräften sagte er einen "eindeutigen Einsatz" mit klaren Zielen und der nötigen Ausrüstung zu. Der frühere Vizepräsident Dick Cheney hatte Obama vergangene Woche zu einer raschen Entscheidung über die künftige Afghanistan-Strategie aufgefordert.

Flüchtlingsboot kentert in der Ägäis

Beim Untergang eines Flüchtlingsboots in der Ägäis sind mindestens acht Frauen und Kinder aus Afghanistan getötet worden. Das berichtete die griechische Agentur ANA am Dienstag. Neun Migranten seien von der Küstenwache in der Nähe der griechischen Insel Mytilini aus dem Wasser gerettet worden. Ein Kind werde noch vermisst. Die Flüchtlinge waren nach ersten Erkenntnissen von der Türkei aus aufgebrochen und in schwere See geraten. Die griechischen Rettungsmannschaften bargen die Leichen von fünf Frauen und drei Kindern und suchten weiter nach Toten und Überlebenden. Einer der Geretteten, ein türkischer Staatsbürger, wurde festgenommen. Er steht unter dem Verdacht, als Mitglied einer Schleuserbande den Flüchtlingstransport organisiert zu haben.

Venezuela wirft Kolumbien Spionage vor

Venezuela hat Kolumbien vorgeworfen, die Ermittlungen zum Tod von acht Landsleuten auf venezolanischem Gebiet zur Spionage zu nutzen. Das Außenministerium in Caracas erklärte in einer diplomatischen Protestnote, Mitarbeiter des kolumbianischen Geheimdienstes seien bei Spionage und versuchter Bestechung ertappt worden. In beschlagnahmten Unterlagen sei von einer Verschwörung die Rede, um die Regierung zu destabilisieren. Kolumbien hat dem Nachbarland Hilfe bei Ermittlungen zum gewaltsamen Tod von zehn Fußballern angeboten, die vor zwei Wochen nahe der Grenze verschleppt worden waren. Acht von ihnen waren Kolumbianer.

Honduras: Neffe des Übergangspräsidenten Micheletti getötet

In Honduras ist der Neffe des umstrittenen Übergangspräsidenten Roberto Micheletti getötet worden. Wie die Behörden am Montag (Ortszeit) mitteilten, wurden die Leichen des 25-jährigen Enzo Micheletti und eines weiteren jungen Mannes am Sonntag in der Nähe von Choloma, rund 250 Kilometer nördlich der Hauptstadt Tegucigalpa, gefunden. Ein Vertreter der örtlichen Justizbehörden wollte ein politisches Motiv für den Mord nicht ausschließen. Der Sohn von Michelettis Bruder war demnach bereits seit Freitag vermisst worden. Wie das Sicherheitsministerium mitteilte, wurde in der Hauptstadt Tegucigalpa zudem ein Oberst der honduranischen Armee vor seinem Haus erschossen.

Israel verwehrt Palästinensern ausreichend Trinkwasser

Die Menschenrechtsgruppe Amnesty International wirft Israel vor, den Palästinensern in den besetzten Gebieten den Zugang zu ausreichenden Mengen Trinkwasser zu verwehren. Der tägliche Pro-Kopf-Verbrauch an Wasser sei in Israel mit 300 Litern gut viermal so hoch wie im Westjordanland und dem Gazastreifen, heißt es in dem Bericht. Im Westjordanland seien die Palästinenser von Wasser aus Tanklastwagen abhängig, die wegen israelischer Straßensperren und Einschränkungen der Bewegungsfreiheit lange Umwege fahren müssten. Dadurch seien die Wasserpreise drastisch gestiegen. Ein Sprecher des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu bezeichnete es als "absurd" zu behaupten, Israel enthalte den Palästinensern Wasser vor. Das Land gebe den Palästinensern mehr davon, als es gemäß dem Oslo-Friedensabkommen von 1993 müsse.

Australiens Regierungschef plant Entschuldigung bei Missbrauchsopfern

Australiens Regierungschef Kevin Rudd will sich im November für jahrzehntelange Misshandlungen von australischen Kindern in staatlichen Waisenhäusern entschuldigen. Wie Familienministerin Jenny Macklin mitteilte, wird sich der Premierminister bei den Überlebenden von insgesamt rund 500.000 betroffenen Kindern für Vergehen der australischen Behörden in den 1930er bis 1970er Jahren entschuldigen. Viele der Kinder seien in den staatlichen Einrichtungen seelisch, körperlich und sexuell missbraucht worden, erklärte die Ministerin im Parlament. Bereits im Jahr 2004 hatte eine Untersuchung des Senats eine Entschuldigung bei den Missbrauchsopfern empfohlen, darunter rund 7000 Einwanderer-Kinder aus Großbritannien.

Festnahmen in USA wegen Anschlagsplänen gegen dänische Zeitung

Vier Jahre nach dem Streit um dänische Mohammed-Karikaturen sind in Chicago zwei Männer wegen Anschlagsplänen festgenommen worden. Der US-Bürger und sein kanadischer Komplize hätten ein Attentat auf das Verlagshaus der Zeitung Jyllands-Posten vorbereitet, erklärte das US-Justizministerium am Dienstag. Das Blatt druckte im September 2005 Karikaturen des Propheten Mohammed, die weltweit wütende Proteste unter Muslimen auslösten. Mehrere dutzend Menschen starben.

Der 49-jährige US-Bürger wurde bereits Anfang Oktober festgenommen, der 48-jährige Kanadier Mitte des Monats. Bei einer Verurteilung erwarten die beiden langjährige Haftstrafen. Der US-Bürger reiste zur Vorbereitung des Anschlags demnach unter anderem nach Pakistan, wo er sich mit Al-Kaida-Mitgliedern traf. Auch Dänemark besuchte er demnach dieses Jahr bereits zweimal.

NPD: Funktionär Rieger schwer erkrankt

Der NPD-Funktionär und -Geldgeber Jürgen Rieger liegt nach Parteiangaben in kritischem Zustand im Krankenhaus. Rieger sei am Samstag mit Verdacht auf einen Schlaganfall in ein Berliner Krankenhaus eingeliefert worden, sagte Partei-Sprecher Klaus Beier am Dienstagabend. Er bestätigte damit einen Bericht der Berliner Morgenpost. Den genauen Gesundheitszustand kenne nur Riegers Familie, sagte der Sprecher. Ausdrücklich widersprach er im Internet verbreiteten Gerüchten, Rieger sei gestorben.

Der Rechtsanwalt ist seit dem vergangenen Jahr stellvertretender Bundesvorsitzender der NPD. Aufsehen erregte er mehrfach durch Versuche, Immobilien zu erwerben, um dort sogenannte Schulungszentren der rechtsextremistischen Szene zu errichten. Der Anwalt gilt zudem als wichtiger Geldgeber für die in finanziellen Problemen steckende Partei.

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