Politik kompakt:Steinmeier nennt Datum für Afghanistan-Abzug

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SPD-Fraktionsvorsitzender Steinmeier will 2015 den Bundeswehr-Abzug, der Sauerland-Prozess wird teilweise eingestellt, im Demjanjuk-Prozess stösst man auf Erinnerungslücken.

Steinmeier will Afghanistan-Einsatz bis 2015 beenden

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank Walter Steinmeier will 2015 den Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan beenden (Foto: Foto: ddp)

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier hat erstmals ein Datum für ein Ende des Bundeswehr- Einsatzes in Afghanistan genannt: spätestens 2015. "Wir müssen uns mit den wichtigsten europäischen Partnern auf die Beendigung unseres militärischen Engagements in einem Korridor zwischen 2013 und 2015 verständigen", sagte Steinmeier der Wochenzeitung Die Zeit. Das sei "ehrgeizig, aber realistisch". Der Ex-Außenminister mahnte zugleich an, den Beginn des Bundeswehr-Abzuges an den Abbau der US-Präsenz in Afghanistan zu koppeln. Präsident Obama habe das Datum 2011 für den Beginn der Reduzierung des militärischen Engagements der USA gesetzt. Der amerikanische Isaf-Kommandeur Stanley McChrystal fordert in einem Interview mit der Bild-Zeitung von der Bundeswehr eine neue Strategie und mehr Einsatzrisiko.

Sauerland-Prozess wird teilweise eingestellt

Im sogenannten Sauerland-Prozess will das Düsseldorfer Oberlandesgericht das Verfahren teilweise einstellen. Der Vorwurf der Mitgliedschaft in einer inländischen Terrorvereinigung solle nicht weiter verfolgt werden, schlug das Gericht unter Vorsitz von Richter Ottmar Breidling vor. Die Bundesanwaltschaft stimmte dem Vorschlag am Mittwoch zu. Dies werde am Strafmaß kaum etwas ändern, sagte Bundesanwalt Volker Brinkmann. Die Teil-Einstellung sei auch ein Entgegenkommen für die Geständnisse der vier Angeklagten, sagte der Ankläger. Die Verteidiger signalisierten ebenfalls Zustimmung. "Damit ist für meinen Mandanten auch der Vorwurf der Rädelsführerschaft vom Tisch", sagte der Anwalt von Fritz Gelowicz, Dirk Uden, der Nachrichtenagentur dpa. Nach neun Monaten steht das Verfahren gegen vier Islamisten vor dem Abschluss. Am 3. Februar soll die Bundesanwaltschaft mit den Plädoyers beginnen. Das Urteil wird für Anfang März erwartet.

Erinnerungslücken bei Zeugen im Demjanjuk-Prozess

Im Prozess gegen den mutmaßlichen NS-Verbrecher John Demjanjuk hat ein Überlebender des Vernichtungslagers Sobibor am Mittwoch weitere Details geschildert, aber auch Erinnerungslücken eingeräumt. Die Wachmänner, zu denen auch Demjanjuk gehört haben soll, hätten gehunfähige Kranke sowie potenzielle Unruhestifter unter den Juden erschossen, sagte der 82 Jahre alte Thomas Blatt vor dem Landgericht München. Oft konnte Blatt jedoch Nachfragen nicht beantworten, die über seine Schilderungen vom Vortag hinausgingen. Blatt hatte berichtet, ohne die Wachmänner, die sogenannten Trawniki, hätte die Vernichtungsmaschinerie nicht funktioniert. Er konnte jedoch nicht sagen, ob es unter ihnen eine Rangordnung gab. "Ich kann mich nicht erinnern, es liegt so viele Jahre zurück", antwortete Blatt auf mehrere Fragen, etwa nach seinen früheren Aussagen zu Erschießungen durch den SS-Oberscharführer Kurt Bolender. Demjanjuks Verteidiger Ulrich Busch kritisierte, es sei problematisch, dass der Nebenklägervertreter auch gleichzeitig der Übersetzer sei.

Bulgariens Verteidigungsminister wird Außenminister

Bulgariens Verteidigungsminister Nikolaj Mladenow übernimmt das Amt der zurückgetretenen Außenministerin Rumjana Schelewa. Das berichtete der Staatsrundfunk, nachdem Regierungschef Bojko Borissow dem Rücktritt Schelewas auch als Außenministerin zugestimmt hatte. Mladenow ist seit Ende Juli 2009 Minister in der konservativen Regierung in Sofia. Zuvor war er EU-Parlamentarier gewesen. Neuer Verteidigungsminister wird Mladenows Stellvertreter, General Anju Anew. Beide müssen noch vom nationalen Parlament bestätigt werden. Mladenow wurde vor einer Woche als möglicher EU-Kommissar aus Bulgarien genannt, nachdem die ursprünglich designierte Kandidatin Schelewa massiv in die Kritik geraten war. Schelewa hatte sich erst am Vortag zurückgezogen, da ihr falsche Angaben über private Geschäfte sowie unzureichendes Fachwissen vorgeworfen wurden. Die neue bulgarische Kommissions-Anwärterin Kristalina Georgiewa kommt aus der Weltbank, wo sie zuletzt Vize-Präsidentin war.

Wilders weist Anklage wegen anti-islamischer Hetze zurück

Der holländische Rechtspopulist Geert Wilders hat am ersten Tag seines Prozesses wegen Volksverhetzung alle Vorwürfe der Beleidigung von Muslimen und der Aufstachelung zum Hass zurückgewiesen. Kritische Äußerungen von Wilders über Anhänger des Islam oder die Darstellung des Koran als "faschistische" Anleitung zum Terrorismus seien "ein substanzieller Beitrag zur öffentlichen Debatte" und keineswegs strafbar, erklärte dessen Verteidiger Abraham Moszkowicz am Mittwoch vor dem Landesgericht in Amsterdam. Dem bei weiten Teilen der niederländischen Bevölkerung populären Chef der Partei für die Freiheit (PVV) drohen bei einer Verurteilung in allen Punkten der Anklage Strafen von insgesamt 16 Monaten Gefängnis sowie Geldbußen von bis zu 10.000 Euro. Staatsanwalt Paul Velleman erklärte, Wilders werde in fünf umfangreichen Fällen Beleidigung einer Bevölkerungsgruppe sowie Aufstachelung zum Hass gegen Anhänger des Islam und zum Rassenhass gegen Marokkaner und andere nicht-westliche Ausländer vorgeworfen.

Koalition will gesamtes deutsches Arbeitsrecht überprüfen

Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zum deutschen Kündigungsschutz hat die Koalition eine komplette Überprüfung des deutschen Arbeitsrechts angekündigt. Damit sollten mögliche weitere Konflikte mit EU-Diskriminierungsverboten erkannt und entschärft werden, sagte die stellvertretende Unions-Fraktionsvorsitzende Ingrid Fischbach der Neuen Osnabrücker Zeitung. Ähnlich äußerte sich FDP-Fraktionsvize Heinrich Kolb. Es sei notwendig, "nach dem Urteil eine Bestandsaufnahme des deutschen Arbeitsrechts vorzunehmen und bei Kollisionen mit EU-Vorgaben nachzusteuern". Der EuGH hatte am Dienstag die deutsche Regelung gerügt, bei Kündigungsfristen Beschäftigungszeiten vor Vollendung des 25. Lebensjahres nicht anzurechnen. Das Bundesarbeitsministerium kündigte eine Änderung der entsprechenden Bestimmung im Bürgerlichen Gesetzbuch an.

Irak: Selbstmordanschlag auf Armee-Stützpunkt

Bei einem Selbstmordanschlag auf eine Einrichtung der Armee sind im nordirakischen Mossul 45 Menschen verletzt worden. Der Täter habe sich in einem Geländewagen in die Luft gesprengt, teilte die Polizei mit. Die mächtige Explosion habe schwere Sachschäden angerichtet. So wurden neben dem Quartier der Streitkräfte zehn Häuser in Mitleidenschaft gezogen. Mossul, das etwa 400 Kilometer von Bagdad entfernt liegt, gilt als eine der gefährlichsten Städte im Irak. Insgesamt ist die Gewalt im Irak rückläufig, obwohl amerikanische und irakische Regierungsvertreter vermehrt Anschläge zur Parlamentswahl im März erwarten.

SPD will rasche Guttenberg-Vernehmung notfalls gerichtlich erzwingen

Die SPD will die frühzeitige Vernehmung hochrangiger Zeugen wie Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) im Kundus-Untersuchungsausschuss notfalls per Gericht durchsetzen. "Wir können das auch vor dem Verfassungsgericht klären", sagte der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Rainer Arnold, der Berliner Zeitung. Union und FDP wollen zunächst niedrigrangigere Personen vernehmen. Zuvor hatte Arnold in der Frankfurter Rundschau auch von der Möglichkeit gesprochen, einen zweiten Untersuchungsausschuss zum Fall Kundus einzurichten. In einem solchen könnten leichter öffentliche Vernehmungen vorgenommen werden als in dem bereits existierenden. Denn bei diesem handelt es sich um den für diesen Zweck umgewidmeten Verteidigungsausschuss, der in der Regel geheim tagt. Der Ausschuss hatte sich im Dezember konstituiert, am Donnerstag tagt er erneut.

Dissidenten in Vietnam zu langer Haft verurteilt

Der prominente Menschenrechtsanwalt Le Cong Dinh und drei weitere Dissidenten sind am Mittwoch in Vietnam zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Das Oberste Gericht in Ho-Chi-Minh-Stadt, dem früheren Saigon, warf ihnen versuchten Umsturz der Regierung vor. Dinh hatte zugegeben, für die verbotene und aus den USA gesteuerte Demokratische Partei Vietnams gearbeitet zu haben. Sie setzt sich für ein Mehrparteiensystem in Vietnam ein. Viele Regierungen und Menschenrechtsgruppen hatten die Anklagen scharf kritisiert, die EU schickte Beobachter zum Prozess.

Polizist prügelt Journalisten in Russland zu Tode

Zwei Wochen nach einer brutalen Prügelattacke eines Polizisten in Russland ist ein Journalist an seinen schweren inneren Verletzungen im Koma gestorben. Der 47-jährige Lokalreporter sei Anfang Januar ohne konkreten Anlass in einer Ausnüchterungszelle der sibirischen Stadt Tomsk zusammengeschlagen worden. Das sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft nach Angaben der Agentur Interfax. In Russland werden immer wieder Journalisten Opfer solcher Attacken. Als mutmaßlicher Täter wurde in Tomsk ein 26-jähriger Polizist festgenommen. Er nannte "private Probleme" als Grund für die Attacke. Ihm drohen zehn Jahre Gefängnis. Drei Offiziere, die zur Tatzeit Dienst hatten, mussten bereits ihren Hut nehmen. Der Journalist war nach dem Angriff schwer verletzt in ein Krankenhaus gebracht worden, wo er aber nicht mehr zu Bewusstsein kam. Die Bluttat setzt den schon stark in der Kritik stehenden russischen Innenminister Raschid Nurgalijew weiter unter Druck.

Israel will auch nach Friedensabkommen im Westjordanland bleiben

Israel will nach den Worten von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu auch nach einem Friedensabkommen mit den Palästinensern im Westjordanland präsent bleiben. Man müsse verhindern, dass Raketen aus dem Gazastreifen oder aus dem Libanon in das Westjordanland geschafft würden, sagte Netanjahu am Mittwochabend zu Reportern. Damit erschwert der Regierungschef die Wiederaufnahme der eingefrorenen Friedensverhandlungen mit den Palästinensern. Sie wollen einen unabhängigen Staat im Gazastreifen, im Westjordanland und in Ostjerusalem gründen, in dem keine israelischen Soldaten stationiert sind.

(APN)

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