Politik kompakt:Patienten sollen bei jedem Arztbesuch zahlen

Die pro Quartal fällige Praxisgebühr ärgert viele Versicherte. Ihnen wird der neueste Vorschlag aus der CDU nach einer Reform der Abgabe nicht gefallen.

Kurzmeldungen im Überblick

Der Chef der CDU-Mittelstandsvereinigung, Josef Schlarmann, hat eine Praxisgebühr bei jedem Arztbesuch vorgeschlagen. Die derzeitige Abgabe von zehn Euro pro Quartal sollte durch eine sozial abgefederte Praxisgebühr pro Arztbesuch ersetzt werden wie es bereits in Schweden praktiziert werde, sagte Schlarmann der Bild-Zeitung. Auch der Patient müsse Verantwortung übernehmen, um die Kostenexplosion im Gesundheitswesen in den Griff zu bekommen. In Deutschland sei die Anzahl der Arztbesuche hoch. "Während die Deutschen im Durchschnitt 18 Mal pro Jahr zum Arzt gehen, kommen die genauso gesunden Schweden auf weniger als drei Besuche im Jahr."

Die AOK will nun auch Zusatzversicherungen anbieten.

Zehn Euro Praxisgebühr werden für gesetzlich Versicherte bei Arztbesuchen pro Quartal fällig. Der Chef der CDU-Mittelstandsvereinigung, Josef Schlarmann, schlägt nun vor, Patienten sollten bei jeder ärztlichen Konsultation ihr Portemonnaie zücken.

(Foto: ddp)

CSU-Chef Horst Seehofer hat seiner Idee jedoch schon eine eindeutige Absage erteilt: "Das kommt nicht infrage", sagte Seehofer am Freitag am Rande einer Betriebsversammlung bei BMW in München und fügte hinzu: "Mit der CSU nicht." Die Koalition habe eben eine Gesundheitsreformen beschlossen. Alle weiteren Diskussionen seien "schädlich".

Auch Röslers Gesundheitsministerium zeigte sich wenig inspiriert von dem Vorschlag: Eine Praxisgebühr bei jedem Arztbesuch sei nicht geplant, sagte eine Sprecherin des Ministeriums. "In der Regierung gibt es keinerlei Überlegungen dieser Art", sagte sie und ergänzte: "Das ist kein Thema." Beim jüngsten Sparpaket habe die Koalition ganz bewusst entschieden, die Patienten nicht durch eine höhere Praxisgebühr oder höhere Zuzahlungen zusätzlich zu belasten.

(Reuters/dpa)

Der hessische Finanzminister Karlheinz Weimar gibt sein Amt auf, in Russland regt sich massiver Widerstand gegen ein neues Geheimdienst-Gesetz der Regierung und in Iran richten zwei Selbstmordattentäter ein Blutbad an: Lesen Sie auf den nächsten Seiten weitere Kurzmeldungen.

Hessens Finanzminister Weimar zieht sich zurück

Der hessische Finanzminister Karlheinz Weimar (CDU) wird sein Amt aufgeben. "Nach insgesamt mehr als 15 Jahren Ministertätigkeit ist die anstehende Kabinettsbildung der richtige Zeitpunkt, den Platz neuen und jüngeren Kräften frei zu machen", erklärte Weimar in einer Mitteilung. Den Zeitpunkt für seinen Rückzug habe er bewusst nach Fertigstellung des Sparhaushalts 2011 gewählt.

Der bisherige Ministerpräsident Roland Koch (CDU) zieht sich Ende August aus der Politik zurück. Ihm soll Volker Bouffier (CDU) folgen, bisher Innenminister. Neben Weimar wird auch Umweltministerin Silke Lautenschläger (CDU) nicht für das Kabinett von Bouffier zur Verfügung stehen.

Weimar erklärte, er wolle Abgeordneter im Landtag bleiben. Wer sein Nachfolger als Minister wird, blieb zunächst unklar. Der bisherige Finanzstaatssekretär Thomas Schäfer (CDU) gilt CDU-intern als möglicher Ministerkandidat.

(dpa)

Krafts Team ist vollständig

Nordrhein-Westfalens neue Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) hat ihre Regierungsmannschaft vervollständigt. Am Freitag ernannte sie 14 Staatssekretäre. Chef der Düsseldorfer Staatskanzlei wird Franz-Josef Lersch-Mense. Der 57-jährige Sozialwissenschaftler war bislang Geschäftsführer der Landesagentur für Struktur und Arbeit in Brandenburg. Zuvor war der gebürtige Rheinländer Staatssekretär im Bundesarbeitsministerium.

Das Regierungsteam sei genauso groß wie das der CDU/FDP- Vorgängerregierung, sagte der neue Regierungssprecher Thomas Breustedt. Er ist schon seit 2001 Sprecher Krafts - zunächst in ihren Amtsjahren als Europa- und spätere Wissenschaftsministerin, anschließend in der SPD-Landtagsfraktion. Insgesamt hat Kraft 15 Staatssekretäre ernannt - ein Parlamentarischer Staatssekretär von den Grünen, der dem SPD- geführten "Superministerium" für Wirtschaft, Energie, Bauen, Wohnen und Verkehr zugeordnet ist, war bereits am Donnerstag vorgestellt worden.

In der Vorgängerregierung von Jürgen Rüttgers (CDU) war ein Parlamentarischer Staatssekretär der CDU dem FDP-geführten Innenministerium zugeordnet. In der Düsseldorfer Staatskanzlei arbeitet neben Chef und Sprecher ein dritter Staatssekretär für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien. Den Posten erhielt der SPD-Medienexperte Marc Jan Eumann. Der Minister für Arbeit, Integration und Soziales, Guntram Schneider, verfügt über zwei Staatssekretäre. Für Integration wird Zülfiye Kaykin zuständig sein. Die 41-jährige türkischstämmige Geschäftsführerin einer Moschee-Begegnungsstätte im Duisburger Migranten-Viertel Marxloh war schon in Krafts Wahlkampfteam für das Thema zuständig. Aus Rheinland-Pfalz wechselt Finanzstaatssekretär Rüdiger Messal auf die gleiche Position nach Düsseldorf.

(dpa)

Scheck von Bettencourt heizt Spekulationen über Parteispenden an

Die französische Milliardärin Liliane Bettencourt hat im Präsidentschaftswahlkampf von Nicolas Sarkozy 100.000 Euro von einem ihrer Konten abheben lassen - möglicherweise ein Hinweis darauf, dass tatsächlich rechtswidrige Parteispenden an die Konservativen in Frankreich geflossen sein könnten. Bettencourts ehemalige Buchhalterin hob das Geld im Dezember 2006 bei der Dexia-Bank ab, wie deren Anwalt am Freitag bestätigte.

Während die Buchhalterin Claire Thibout über Jahre hinweg normalerweise jede Abhebung in ihren Kassenbüchern notiert habe, seien die 100.000 Euro nirgendwo verzeichnet, berichtete die Wochenzeitschrift Marianne vom Samstag. Es sei völlig unklar, wofür die Summe "nur vier Monate vor dem ersten Wahlgang" der Präsidentschaftswahl verwendet worden sei. Die Privatkundenbank Dexia, die im Februar 2007 an die BNP Paribas überging, sowie die BNP wollten sich auf Anfrage nicht zu dem Bericht äußern. Die Buchhalterin habe Bettencourt das Geld damals "eigenhändig" übergeben, berichtete die Zeitschrift, die eine Kopie des Schecks sowie von Bettencourts Vollmacht für die Angestellte abdruckte.

Thibout hatte vor zehn Tagen bei der Polizei ausgesagt, dass ihre Chefin - die Hauptaktionärin des Kosmetikkonzerns L'Oréal und damit einer der 20 reichsten Menschen weltweit - und deren Mann André konservative Politiker regelmäßig mit großzügigen Spenden bedacht hätten.

(AFP)

Viele Ärzte zur Sterbehilfe bereit

Ein großer Teil der Ärzteschaft ist einer Umfrage zufolge offen für Sterbehilfe. Mehr als jeder dritte Arzt in Deutschland kann sich vorstellen, einem Patienten beim Suizid zu helfen, wie laut Spiegel aus einer Ärztebefragung der Bundesärztekammer hervorgeht. Für jeden vierten Arzt käme sogar aktive Sterbehilfe infrage.

Das Institut für Demoskopie Allensbach befragte 527 repräsentativ ausgewählte Ärzte aus dem ambulanten und stationären Bereich. Darüberhinaus werden Ärzte der Umfrage zufolge auch weitaus häufiger mit dem Sterbewunsch von Schwerstkranken konfrontiert, als bisher bekannt war: So wurde jeder dritte Arzt schon um Hilfe beim Suizid gebeten, unter den Hausärzten sogar jeder zweite. 47 Prozent aller Ärzte, die regelmäßig mit unheilbar Kranken zu tun haben, gaben an, dies passiere "häufiger", wie es weiter hieß.

Rund ein Drittel wünscht sich dazu eine entsprechende gesetzliche Regelung. Bislang fürchten viele Ärzte, ihre Zulassung zu verlieren, wenn sie Patienten beim Suizid helfen. Davor bräuchten Mediziner aber keine Angst zu haben, sagte Bundesärztekammerpräsident Jörg-Dietrich Hoppe dem Blatt. Wenn es ein Arzt ethisch mit sich vereinbaren könne, beim Suizid zu helfen, dann könne er dies unter heutigen Bedingungen schon tun. Es gebe Formen, in denen Ärzte ihren Patienten helfen könnten, ohne Angst haben zu müssen, bestraft zu werden. Er nannte die Ausstellung eines Rezepts als Beispiel.

(apn)

NPD gewinnt Mietstreit

Die rechtsextreme NPD hat sich mit einer Klage gegen unliebsame Klauseln bei der Anmietung von Räumen in Berlin durchgesetzt. In einigen Bezirken musste die NPD bisher unterschreiben, dass im Saal keine antidemokratischen, rassistischen oder antisemitischen Äußerungen fallen, wenn sie Räume für Veranstaltungen anmieten wollte.

Das Berliner Verwaltungsgericht entschied am Freitag, diese Klauseln seien rechtswidrig. Die Berliner Bezirksbürgermeister hatten sich zu Jahresbeginn darauf verständigt, derartige Klauseln bei der Vermietung von Veranstaltungssälen an Rechtsextremisten zur gängigen Praxis werden zu lassen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig (Az.: VG 2 K 93.09).

(dpa)

Protest gegen russisches Geheimdienstgesetz

Russische Anwälte, Bürgerrechtler und Regierungskritiker haben gegen die in Moskau geplante Verabschiedung eines neuen Geheimdienstgesetzes protestiert. Das Dekret sei ein Schlag gegen die Persönlichkeitsrechte, eine Rückkehr zur absoluten Willkür und Kontrolle über friedliche Bürger, hieß es in einem offenen Schreiben der Gesetzesgegner an den russischen Föderationsrat.

Die Staatsduma will das umstrittene Gesetz, das dem Inlandsgeheimdienst FSB mehr Vollmachten gibt, an diesem Freitag in dritter und letzter Lesung verabschieden. Kremlchef Dmitrij Medwedjew hatte das Gesetz gegen Kritik auch aus dem Ausland verteidigt.

Das Dekret bleibe ungeachtet einiger Änderungen eine "Gefahr" für die Gesellschaft, hieß es in dem Schreiben an Föderationsratschef Sergej Mironow. Das Gremium muss das Gesetz nach dem Duma-Beschluss noch absegnen, bevor es an Medwedjew geht und durch dessen Unterschrift in Kraft tritt.

Zu den Unterzeichnern des Protestschreibens gehören der Präsident der russischen Anwaltskammer, Genri Resnik, die Leiterin der Moskauer Helsinki-Gruppe, Ljudmila Alexejewa, der Chef der russischen Menschenrechtsorganisation, Oleg Orlow, sowie Schriftsteller und Oppositionspolitiker. Die Kritiker werfen der Führung in Moskau vor der Parlamentswahl im nächsten Jahr die Rückkehr in einen autoritären Überwachungsstaat nach sowjetischem Vorbild vor.

Medwedjew hatte seine Initiative bei einem Treffen mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Donnerstag in Jekaterinburg verteidigt. Merkel hatte auch vor dem Hintergrund der Erfahrungen vieler Deutscher mit der DDR-Stasi die Einhaltung der Menschenrechte in Russland angemahnt.

(dpa)

Tote nach Doppel-Selbstmordanschlag in Iran

Zwei Selbstmordattentäter haben sich im Südosten Irans in die Luft gesprengt und ein Blutbad angerichtet. Die Opferzahl stieg am Freitag auf mindestens 27. Zudem berichtete der zuständige Provinzgouverneur Ali-Mohammed Azad von 167 Verletzten. Zum Anschlag nahe einer Moschee in der Provinzhauptstadt Sahedan am Donnerstagabend bekannte sich die Gruppe Dschundallah ("Gottessoldaten"). Ihr Anführer Abdulmalik Rigi war im Juni hingerichtet worden. Der Doppelanschlag sei die Vergeltung, erklärte die Gruppe, die auch das Drogengeschäft im Grenzgebiet zu Afghanistan und Pakistan kontrolliert.

Nach ersten Erkenntnissen zündete am Donnerstag ein als Frau verkleideter Selbstmordattentäter seinen Sprengstoffgürtel an einem Kontrollpunkt der Revolutionären Garden in unmittelbarer Nähe zu einer Moschee in Sahedan. Als sich Helfer und schiitische Pilger um die Opfer kümmern wollten, explodierte der Gürtel eines zweiten Selbstmordattentäters in der Menschenmenge. Bei den Anschlägen wurden auch sechs Mitglieder der in der Nähe der Moschee stationierten Revolutionsgarden getötet.

Ein General der Revolutionsgarden, Hossein Salami, erklärte in Teheran, die Opfer seien "von Söldnern der USA und Großbritanniens" getötet worden. US-Außenministerin Hillary Clinton verurteilte den Doppelanschlag scharf und forderte, die Verantwortlichen müssten zur Rechenschaft gezogen werden. Die Regierung in Teheran hatte behauptet, Anführer Rigi habe vor seiner Hinrichtung gestanden, direkte Kontakte zu den Amerikanern unterhalten zu haben.

(apn/dpa)

Deutschland fordert internationale Untersuchung für Kirgistan

Deutschland und Frankreich fordern nach den blutigen Unruhen in Kirgistan eine internationale Untersuchung. Bundesaußenminister Guido Westerwelle sagte bei einem Besuch in der kirgisischen Stadt Osch: "Die Stabilität werden wir nur erreichen, wenn die Ursachen auch klargemacht werden. Deswegen ist es notwendig, dass es eine unabhängige internationale Untersuchung gibt, damit man die wahren Schuldigen auch finden kann."

Sein französischer Amtskollege Bernard Kouchner dringt auf eine Entscheidung beim anstehenden informellen OSZE-Außenministertreffen am Samstag in Almaty in Kasachstan.

Westerwelle zeigte sich bestürzt über die Lage der Flüchtlinge mehrere Wochen nach den Unruhen zwischen Usbeken und Kirgisen im Süden des Landes, bei denen im Juni etwa 2000 Menschen ums Leben gekommen waren. "Wenn man die abgebrannten Häuser sieht, wenn man mit den Menschen spricht, bekommt man eine Vorstellung von den schweren Tagen, Wochen und Stunden, die diese Menschen erlitten haben."

(dpa)

Verfassungsbeschwerde gegen Volkszählung

Bürgerrechtler haben in Karlsruhe eine Verfassungsbeschwerde gegen die Volkszählung 2011 eingereicht. Sie übergaben zugleich mehr als 13.000 Unterstützerunterschriften beim Bundesverfassungsgericht. Die zum Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung in Bielefeld gehörende Initiative befürchtet, dass Daten zu Herkunft, Beruf und Religion über eine Kennziffer einzelnen Menschen zugeordnet werden könnten. Deshalb will sie die Volkszählung mit der Beschwerde stoppen.

In der Bundesrepublik gab es zuletzt 1987 eine von vielen Protesten begleitete Volkszählung. Die DDR führte die letzte Volkszählung 1981 durch. Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung war bereits an der erfolgreichen Verfassungsklage gegen das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung beteiligt.

(dpa)

Öcalan scheitert mit Klage vor Gerichtshof für Menschenrechte

PKK-Chef Abdullah Öcalan ist mit seiner Forderung nach einer Neuauflage seines Prozesses auch vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gescheitert. Sieben Richter des Straßburger Gerichts erklärten Öcalans diesbezügliche Beschwerde für nicht zulässig, wie ein Justizsprecher bekanntgab. Damit wird der Gerichtshof die Klage nicht weiter prüfen. Der 61-jährige Öcalan wollte erreichen, dass der Gerichtshof für Menschenrechte die Türkei zu einem neuen Prozess verpflichtet. Er hatte bereits in der Türkei vergeblich eine Wiederaufnahme seines Verfahrens gefordert.

Der Straßburger Gerichtshof hatte im Mai 2005 den Prozess gegen den Chef der in der Türkei verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) vor einem so genannten türkischen Staatssicherheitsgericht als rechtswidrig gewertet - unter anderem, weil daran zeitweise ein Militärrichter beteiligt war. Zugleich empfahlen die Straßburger Richter der Regierung in Ankara, das Verfahren neu aufzurollen. Dies lehnte das Schwurgericht von Istanbul im Mai 2006 mit dem Argument ab, auch ohne Anwesenheit eines Militärrichters wäre das Urteil gegen Öcalan identisch gewesen. Das Ministerkomitee des Europarats, das die Befolgung der Straßburger Urteile überwacht, hatte diese Entscheidung im Februar 2007 gebilligt und den Fall zu den Akten gelegt. Dem folgte nun der Straßburger Gerichtshof.

Öcalan war 1999 wegen "Separatismus" und terroristischer Anschläge zum Tode verurteilt worden. Drei Jahre später wurde seine Strafe in lebenslange Haft umgewandelt. Öcalan verbüßt seine Strafe auf der Gefangeneninsel Imrali nahe Istanbul.

(AFP)

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