Politik kompakt:Paris beklagt "Chaos" bei Afghanistan-Hilfe

Frankreich bemängelt den Ablauf des Wiederaufbaus in Afghanistan, Karadzic sperrt sich in Den Haag gegen die Anklage und Iraks Parlament ist handlungsunfähig.

Paris sieht "Chaos" bei Hilfe des Westens für Afghanistan

Afghanische Flüchtlinge, dpa

Afghanische Flüchtlinge mit Lebensmittelspenden der UN.

(Foto: Foto: dpa)

Frankreichs neuer Afghanistan-Beauftragter hat die bisherigen Hilfsbemühungen des Westens für das Land kritisiert. Es herrsche "vollkommenes Chaos", sagte der Abgeordnete Pierre Lellouche vor Journalisten in Paris. Anders als in Bosnien und im Kosovo hätten es die Verbündeten versäumt, ihre Hilfe abzustimmen. Seine Aufgabe sei es deshalb, sowohl im militärischen als auch im zivilen Bereich "alles von Grund auf zu überdenken". Der französische Präsident Nicolas Sarkozy hatte den 57-Jährigen Lellouche Ende Februar ernannt, wie am Sonntag bekannt geworden war. Davor hatten auch die USA, Großbritannien und Deutschland Sonderbeauftragte für die Krisenregion bestimmt. Der 57-jährige Jurist Lellouche ist als Fachmann für Verteidigungs- und Nato-Fragen bekannt. Er gehört der konservativen Regierungspartei UMP an. Frankreichs Außenminister Bernard Kouchner bekräftigte, dass Frankreich nicht die Absicht habe, sein Kontingent von rund 3000 Soldaten im Afghanistan-Einsatz zu verstärken. Andererseits habe Frankreich auch "nicht die Möglichkeit, die Koffer zu packen und abzuziehen", sagte Lellouche bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Kouchner. Ansonsten werde Afghanistan erneut unter die Kontrolle der radikalislamischen Taliban geraten.

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Karadzic lehnt Erklärung zu neuer Anklageschrift ab

Radovan Karadzic hat es bei einer Anhörung vor dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag abgelehnt, sich zu einer neuen Anklageschrift zu äußern. Das Tribunal habe kein Recht, ihm den Prozess zu machen, sagte der frühere Präsident der bosnischen Serben. An seiner Stelle erklärte der Vorsitzende Richter Iain Bonomy, dass der Angeklagte auf nicht schuldig plädiere. Das Kriegsverbrechertribunal hat kürzlich eine Straffung der Anklage gegen Karadzic beschlossen. Darin wird ihm nun Völkermord in zwei Fällen - einmal für die Vertreibungsaktionen im gesamten Bosnien-Herzegowina und einmal allein für das Massaker in Srebrenica 1995 - vorgeworfen. Die alte Anklage hatte nur eine Völkermordanklage, bezog sich aber auf mehrere Tatorte. Mit der Konzentration auf weniger Tatorte will das Gericht den Prozess beschleunigen. Der mutmaßliche Kriegsverbrecher wurde im Juli vergangenen Jahres nach 13 Jahren auf der Flucht in Belgrad festgenommen.

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Dauerstreit im irakischen Parlament blockiert Haushalt

Das irakische Parlament ist kaum mehr arbeitsfähig, weil sich die Parteien nicht auf einen neuen Vorsitzenden einigen können. Die sunnitische Fraktion Irakische Konsensfront erklärte, sie habe nun Klage vor dem Föderationsgericht eingereicht, um endlich eine Entscheidung zu erzwingen. Der Posten des Parlamentspräsidenten ist seit mehr als zwei Monaten vakant, weil die Parteien keinen Nachfolger für Mahmud al-Maschhadani finden können, der im vergangenen Dezember in einem Wutanfall zurückgetretenen war. Mehrere Abstimmungen blieben ergebnislos, weil kein Kandidat die erforderliche Mehrheit erhielt. Der Streit blockiert die Verabschiedung mehrerer wichtiger Gesetze und des Staatshaushaltes. Streit gab es am Dienstag auch um den Besuch des iranischen Ex-Präsidenten Akbar Haschemi Rafsandschani im Irak. Dieser war am Vortag in Bagdad vom kurdischen Staatspräsidenten Dschalal Talabani und von schiitischen Politikern empfangen worden. Sowohl die sunnitische Islamische Partei von Vizepräsident Tarik al-Haschimi als auch mehrere Stammesführer aus der sunnitischen West-Provinz Anbar protestierten gegen den Besuch. Sie bezeichneten Rafsandschani, der während des Iran-Irak-Krieges (1980-1989) Parlamentspräsident gewesen war, als "Mörder".

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Opposition fordert Rücktritt von NRW-Innenminister Ingo Wolf

Nach der Niederlage vor dem Landes-Verfassungsgerichtshof fordert die Opposition den Rücktritt des nordrhein-westfälischen Innenministers Ingo Wolf (FDP). Wolf sei nach seiner erneuten Niederlage vor einem Verfassungsgericht - zuletzt wegen des Kommunalwahltermins - "als Innenminister nicht mehr tragbar", heißt es in einem Missbilligungsantrag der Oppositionsfraktionen. Falls Wolf nicht zurücktrete, müsse Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) ihn entlassen. Der Streit um den Termin für die Kommunalwahl in Nordrhein- Westfalen geht am Mittwoch im Landtag in eine neue Runde. SPD und Grüne wollen in der Sondersitzung des Parlaments auch formell den Rücktritt von Innenminister Ingo Wolf (FDP) fordern. Der Verfassungsgerichtshof in Münster hatte die von der CDU/FDP- Koalition beschlossenen Zusammenlegung der Kommunalwahl mit der Europawahl am 7. Juni untersagt. Die Landesregierung will Bürgermeister und Kommunalparlamente jetzt am 30. August wählen lassen. Nach Auffassung der Opposition ist auch dieser Termin rechtlich nicht haltbar. Sie haben deshalb einen Gesetzentwurf vorgelegt, mit dem die Kommunalwahl in diesem Jahr mit der Bundestagswahl am 27. September zusammengelegt werden soll. In der Sondersitzung des Landtags geht es zunächst um den Nachtragshaushalt für das laufende Jahr und das Gesetz über die Umsetzung des Konjunkturpakets II. Beide Punkte hatte die Landesregierung auf die Tagesordnung setzen lassen.

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Schwarz-Gelb verliert Mehrheit

Erstmals seit Wochen können sich die Sozialdemokraten in der Wählergunst verbessern: Sie erreichen in der Sonntagsfrage einen Wert von 26 Prozent, ein Plus von 2 Prozent gegenüber der Vorwoche. Das ergab eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid für den Nachrichtenssender N24. Die Grünen erreichen unverändert 11 Prozent und die Linkspartei 12 Prozent der Wählerstimmen. Damit hätte das rot-rot-grüne Lager einen Vorsprung von 49 Prozent gegenüber 47 Prozent für eine schwarz-gelbe Koalition. Denn Union und FDP müssen beide Verluste in dieser Woche hinnehmen: Die Union bleibt zwar stärkste Partei, verliert aber nach den internen Querelen der letzten Tage und Wochen 1 Prozent und kommt auf 32 Prozent. Auch die Liberalen verlieren in der Wählergunst, sie kommen auf 15 Prozent und verlieren damit 2 Prozent im Vergleich zur Vorwoche.

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Spanische Polizisten sollen Eta-Häftlinge gefoltert haben

15 spanische Polizeibeamte stehen im Verdacht, zwei mutmaßliche Terroristen der baskischen Untergrundorganisation Eta gefoltert zu haben. Nach Angaben des Obersten Gerichtshofs im spanischen Baskenland liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass die Beamten der paramilitärischen Guardia Civil (Zivilgarde) die Eta-Mitglieder Igor Portu und Mattin Sarasola nach deren Festnahme vor einem Jahr misshandelten. Die Justiz ermittelt nach Medienberichten gegen einen Einsatzleiter der Polizei und 14 Beamte. Portu und Sarasola stehen im Verdacht, den Bombenanschlag im Dezember 2006 auf dem Madrider Flughafen verübt zu haben, bei dem zwei Menschen getötet wurden. Portu war einen Tag nach seiner Festnahme mit einer gebrochenen Rippe und mehreren Blutergüssen in ein Krankenhaus gebracht worden. Innenminister Alfredo Pérez Rubalcaba führte die Verletzungen damals darauf zurück, dass der mutmaßliche Terrorist sich seiner Festnahme widersetzt habe und die Polizei ihn habe überwältigen müssen. Zudem wiesen die Sicherheitskräfte darauf hin, dass die Eta ihren Terroristen in einem Handbuch den Rat gegeben habe, die Polizei stets der Folter zu bezichtigen.

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Ukrainisches Parlament entlässt prowestlichen Außenminister In der krisengeschüttelten Ukraine hat das Parlament die Absetzung des prowestlichen Außenministers Wladimir Ogrysko beschlossen. Nach Kritik an dessen Russlandpolitik stimmten die Abgeordneten mehrheitlich für die Entlassung des Ministers, wie die Agentur Interfax aus Kiew meldete. Ogrysko war auch unter Druck geraten, nachdem er den russischen Botschafter und Ex- Regierungschef Viktor Tschernomyrdin wegen dessen Kritik an der ukrainischen Politik zur unerwünschten Person erklären wollte. Ogrysko gehört zum Lager von Präsident Viktor Juschtschenko, der mit Regierungschefin Julia Timoschenko seit langem über Kreuz liegt. Die Entscheidung des Parlaments komme für ihn nicht überraschend, sagte Ogrysko, der im vergangenen August im Krieg zwischen Georgien und Russland klar die Regierung in Tiflis unterstützt hatte. Moskau und Tiflis geben sich bis heute gegenseitig die Schuld an dem Blutvergießen. Russland hatte der Ukraine vorgeworfen, Georgien mit Waffen ausgerüstet zu haben.

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Mindestens 16 militante Islamisten in Algerien getötet

Beim Sturm auf einen geheimen Stützpunkt von Al-Qaida-Anhängern haben die algerischen Streitkräfte dem staatlichen Rundfunk zufolge 16 Extremisten getötet. Die Aktion habe am Freitagabend in Blida südlich von Algier begonnen, nachdem eine ausgehobene Terrorzelle die notwendigen Informationen geliefert habe, berichtete das französischsprachige Radio unter Berufung auf Innenminister Yazid Zerhouni. Zunächst waren sieben Tote bei dem Angriff vermeldet worden. Nach Regierungsangaben wurden in den vergangenen sechs Monaten schon rund 120 Extremisten getötet. Sie hätten einer Gruppe angehört, die enge Verbindungen zum Terrornetzwerk al-Qaida unterhalte.

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Erster US-Konvoi für Afghanistan durch Russland geleitet

Ein erster Konvoi mit zivilen Gütern für die US-Truppen in Afghanistan hat Russland durchquert. Die Nachrichtenagentur Interfax-AVN berichtete, der Konvoi habe die Grenze zu Kasachstan erreicht. Vor einem Monat hatte Russland angekündigt, den Transport ziviler Güter über sein Territorium nach Afghanistan erlauben zu wollen. Das hatten Moskau und die Nato bereits im April 2008 vereinbart. Die USA haben Probleme, ihre Truppen in Afghanistan auf dem Landweg zu versorgen. Kirgistan hatte die Schließung des US-Militärstützpunkts Manas verlangt, über den Nachschub an den Hindukusch gebracht worden war. Usbekistan sicherte daraufhin zu, dass nicht-militärisches Material auch über das zentralasiatische Land nach Afghanistan geliefert werden kann.

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Clinton beginnt Gespräche in Israel

US-Außenministerin Hillary Clinton hat in Jerusalem die Forderung nach einer Zwei-Staaten-Lösung in Nahost bekräftigt. Nach einem Treffen mit dem israelischen Staatspräsidenten Schimon Peres verwies sie zudem auf die anhaltende Unterstützung der USA für die Palästinenserbehörde von Präsident Mahmud Abbas. Gleichzeitig betonte Clinton, die USA respektierten den demokratischen Prozess in Israel und würden jeder neuen Regierung zur Seite stehen. Beide Staaten seien nicht nur durch "gemeinsame Interessen, sondern durch gemeinsame Werte" verbunden.

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Kosovo-Schutztruppe: Abzug im Sommer?

Die seit 1999 im Kosovo stationierte internationale Kfor-Schutztruppe wird einem Zeitungsbericht zufolge in diesem Sommer mit dem Rückzug aus dem Land beginnen. Die von der Nato geführten Verbände würden von Juni an abgezogen, berichtete die Belgrader Tageszeitung Politika unter Berufung auf Nato-Diplomaten in Brüssel. Einen entsprechenden Beschluss wollten die Verteidigungsminister des Bündnisses im Juni fassen. Die Kfor werde wegen der stabilen Sicherheitslage "auf eine symbolische Anwesenheit" zurückgeführt. Die Kfor war 1999 in das Kosovo eingerückt, nachdem sich serbisches Militär und Paramilitär aus der ehemals südserbischen Provinz zurückgezogen hatten.

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