Politik kompakt:Özdemir wirft Union Radikalisierung vor

"Sie wählt den knallharten Weg" - Grünen-Chef Özdemir attackiert die Kanzlerin: Bei Atom und Stuttgart 21 spalte Merkel das Land.

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Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir hat der CDU eine Radikalisierung vorgeworfen. Die Kanzlerin, die sich bislang nicht durch Entscheidungsstärke hervorgetan habe, spitze jetzt zu, ziehe Konflikte wie Stuttgart 21 auf die Bundesebene, sagte Özdemir im "Interview der Woche" des Deutschlandfunks. Die Laufzeiten für Atomkraftwerke habe sie statt um nur wenige Jahre gleich um durchschnittlich zwölf Jahre verlängert, was eine Verdreifachung der Atommüllmenge zur Folge habe.

Parteichef Özdemir: Grüne sind nicht verunsichert

Findet harte Worte Worte für die Kanzlerin: Grünen-Parteivorsitzender Cem Özdemir.

(Foto: dpa)

"Sie wählt den harten, den knallharten Weg", so Özdemir. Mit dieser Radikalisierung reduziere die CDU ihre Chance, mit den Grünen ins Gespräch zu kommen und verabschiede sich zugleich von der Mehrheitsfähigkeit ihrer politischen Entscheidungen.

Die Mehrheit in Deutschland wolle keinen Atomkurs, sondern einen gemäßigten Kurs, für den die Grünen stünden. Statt eines Herbstes der Entscheidungen sieht der aus Baden- Württemberg stammende grüne Spitzenpolitiker vielmehr den Herbst der schwarz-gelben Bundesregierung. Deren Ära gehe zu Ende bevor sie richtig begonnen habe.

Die Bundesregierung könne sich in Gorleben auf Massenproteste gegen die Weitererkundung und Nutzung des Salzstockes als atomares Endlager einstellen. Unter den Demonstranten würden, ähnlich wie in Stuttgart bei den Gegnern des Bahnprojektes, bisherige CDU-Wähler sein, prophezeite Özdemir, der seit zwei Jahren die Grünen zusammen mit Claudia Roth führt.

(dpa)

Mappus löst mit seinem offenen Brief Verwunderung aus, die Muslimbrüder wollen bei Ägyptens Parlamentswahl antreten, Birma lässt 11.000 Häftlinge frei und Kim Jong Il präsentiert seinen Sohn bei einer Militärparade: Lesen Sie weitere Kurzmeldungen auf den weiteren Seiten.

Opposition kritisiert Mappus´offenen Brief

Die baden-württembergische SPD hat mit Verwunderung und Kritik auf den offenen Brief von Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) zum Thema "Stuttgart 21" reagiert. "Da steht nichts Neues drin. Das ist ein Aufguss seiner Regierungserklärung", sagte SPD-Landeschef Nils Schmid der Zeitung Sonntag Aktuell.

Das Schreiben sei nicht geeignet, "den Grundsatzkonflikt zu lösen und die Spaltung in der Bevölkerung zu überwinden". Auch Grünen-Landtagsfraktionschef Winfried Kretschmann zeigte sich verwundert. "Mich hat nicht überrascht, was da drinsteht", sagte Kretschmann dem Blatt. Offenbar hoffe der Ministerpräsident darauf, "dass seine Positionen eher geglaubt werden, wenn er sie mehrfach wiederholt". Die inhaltlichen Aussagen des Briefes würden den Konflikt nicht lösen.

(dapd)

Birma lässt 11.000 Gefangene frei

Birmas Militärjunta will vor den Wahlen am 7. November 11.000 Häftlinge freilassen. Es ist aber unklar, ob darunter auch politische Gefangene sein werden. Nach Angaben der Justizbehörden hätten 8000 Häftlinge ihre Strafe vor dem Wahltermin - dem ersten seit 20 Jahren - abgesessen, berichtete die Myanmar Post. Weiteren 3000 solle der Rest ihrer Strafe erlassen werden, damit sie ihre Stimme abgeben können.

In Birma gibt es nach Angaben der Gefangenenhilfsorganisation AAAP rund 2200 politische Gefangene, darunter Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi. Sie wird nach Angaben der Behörden definitiv erst nach den Wahlen freigelassen. Ob einer der anderen politischen Gefangenen unter den frühzeitig Entlassenen sein wird, blieb unklar.

Die Vereinten Nationen, zahlreiche Regierungen und Menschenrechtsorganisationen haben die Wahlen im Vorfeld schon scharf kritisiert. Die Wahlgesetze ließen keinen fairen und freien Wahlgang zu. So wurde Suu Kyis Partei "Nationalliga für Demokratie", die die Wahlen 1990 haushoch gewonnen hatte, zwangsaufgelöst.

Die Junta behält sich zudem ein Viertel der Sitze im Parlament sowie die Schlüsselpositionen in der Regierung vor.

(dpa)

Kim Jong Il präsentiert Nachfolger

Auftritt mit Symbolwirkung: Nordkoreas Machthaber Kim Jong Il hat in Begleitung seines Sohnes und mutmaßlichen Nachfolgers eine große Militärparade abgenommen. Das Staatsfernsehen zeigte Bilder, wie Tausende von Soldaten am Sonntag im Zentrum der Hauptstadt Pjöngjang an Kim und seinem zum General ernannten Sohn Kim Jong Un vorbeimarschierten.

Nach dem ersten öffentlichen Auftritt des Sohns vor knapp zwei Wochen wollte das Regime nach Ansicht von Beobachtern die künftige Rolle Kim Jong Uns bekräftigen. Der Truppenaufmarsch galt als Höhepunkt dreitägiger Feierlichkeiten zum 65. Gründungstag der kommunistischen Partei Nordkoreas. Es war das erste Mal, dass die Bürger Pjöngjangs Kim Jong Un bei einem öffentlichen Auftritt direkt zu Gesicht bekamen.

Die Fernsehbilder zeigten, dass der ältere Kim hinkte und sich an der Brüstung des Podiums abstützen musste. Ende September hatte Kim Jong Il seinem Sohn bei einem Treffen der Arbeiterpartei zwei hohe Parteiposten anvertraut und ihn damit praktisch zum Nachfolger ernannt. Der ältere Kim gilt seit geraumer Zeit als krank und geschwächt.

Unterdessen starb der prominenteste nordkoreanische Überläufer Hwang Jang Yop in seinem Exil. Der abtrünnige Vordenker des kommunistischen Nordens und frühere Mentor von Staatschef Kim Jong Il wurde am Sonntag tot in seiner Wohnung in Seoul aufgefunden, wie die südkoreanische Polizei mitteilte. Es gebe keinerlei Anhaltspunkte, dass der 87-Jährige eines unnatürlichen Todes gestorben sei. Dennoch solle es eine Autopsie geben.

In einer ebenso Aufsehen erregenden wie unerwarteten Aktion war Hwong 1997 während eines Besuchs in Peking aus dem Dunstkreis der Macht Nordkoreas entflohen. Seitdem musste er um sein Leben fürchten. Hwang kritisierte seit seiner Flucht das Regime in Nordkorea scharf. Er schrieb Bücher und hielt Reden, in denen er Staatschef Kims autoritären Stil kritisierte.

(dpa)

Kuba lässt Häftlinge frei

Kuba hat die Freilassung von drei weiteren Häftlingen und ihre Abschiebung nach Spanien angekündigt. Die katholische Kirche in Havanna erklärte am Samstag, bei den Gefangenen handele es sich um einen Anwalt und zwei Entführer. Die drei gehörten nicht zu einer Gruppe von 52 politischen Häftlingen, deren Freilassung die kubanische Regierung im Sommer ankündigte.

Die Kirche erklärte weiter, der Anwalt sei im April 2003 festgenommen worden und verbüße derzeit ein Haftstrafe von zwölf Jahren, weil er Geheimnisse der Staatspolizei verraten haben soll. Kurz vor seiner Festnahme hatte der Anwalt öffentlich seine Unterstützung für eine Gruppe politischer Gefangener bekundet.

Die beiden anderen Männer verbüßen langjährige Haftstrafen wegen "Piratentums", sie entführten also ein Flugzeug oder ein Schiff mit dem Ziel, in die Vereinigten Staaten zu gelangen. Alle drei dürfen ihre Familien mit nach Spanien nehmen.

(dapd)

Muslimbrüder treten an

Die Muslimbrüder in Ägypten wollen bei der Parlamentswahl Ende November kandidieren. Das gab die Islamisten-Organisation am Samstag in Kairo bekannt. Sie schert damit aus einem losen Bündnis von Oppositionsparteien aus, die zu einem Boykott der Wahl aufgerufen hatten.

Zu den Wortführern der säkularen Opposition gehört der ehemalige Generaldirektor der Internationalen Atomenergiebehörde, Mohammed El-Baradei. Er hatte zum Boykott der für den 29. November geplanten Wahl aufgerufen, nachdem die Regierung Forderungen nach Verfassungsänderung wie die Begrenzung der Amtszeit des Präsidenten, die Zulassung internationaler Wahlbeobachter, und die Zulassung von unabhängigen Kandidaten für das Amt des Präsidenten abgeschmettert hatte.

Wirklich gefährlich können die Muslimbrüder der regierenden Nationaldemokratischen Partei (NDP) von Präsident Husni Mubarak im Parlament nicht werden, da sich sich nur um 30 Prozent der Sitze bewerben wollen. Da die Muslimbruderschaft offiziell verboten ist, müssen ihre Kandidaten jeweils als "Unabhängige" antreten. Bei der letzten Parlamentswahl vor fünf Jahren waren die Muslimbrüder die stärkste Oppositionsfraktion geworden.

Die nächste Präsidentschaftswahl steht in Ägypten im Herbst 2011 an, El-Baradei, der von der Opposition als neuer Hoffnungsträger gehandelt worden war, darf nach den derzeitigen Bestimmungen nicht kandidieren. Die NDP wird Mubarak, der dann 83 Jahre alt wäre, möglicherweise erneut aufstellen. Als mögliche Nachfolger wurden in jüngster Zeit auch sein Sohn Gamal Mubarak und Geheimdienstchef Omar Suleiman ins Gespräch gebracht.

(dpa)

Starke FPÖ bringt absolute SPÖ-Mehrheit in Wien zu Fall

Die rechtspopulistische Freiheitliche Partei (FPÖ) hat bei der Landtagswahl in Wien stark zugelegt. Knapp 27 Prozent der Wähler stimmten laut dem vorläufigen amtlichen Ergebnis vom Sonntagabend für die FPÖ. Damit hat die Partei ihren Stimmenanteil nahezu verdoppelt. Die Sozialdemokratische Partei (SPÖ) konnte ihre Hochburg zwar verteidigen. Die absolute Mehrheit im "roten Wien" hat sie aber wohl verloren.

Daran kann laut Meinungsforschern auch die Auswertung der Wahlkarten nichts mehr ändern. Die SPÖ büßte fünf Punkte ein und sackte auf rund 44 Prozent der Stimmen ab. Trotz des Stimmengewinns hat die FPÖ keine Chance auf eine Beteiligung an der Stadtregierung. Der Wiener SPÖ-Chef Bürgermeister Michael Häupl schloss am Wahlabend eine Koalition mit der FPÖ erneut kategorisch aus. Mögliche Partner sind für ihn die konservative Volkspartei (ÖVP) oder die Grünen. Trotz der Verluste werde er nicht zurücktreten, sagte Häupl. Mit dem Erfolg bei der Wiener Wahl kehrte die FPÖ zu der Stärke zurück, die sie unter Führung des 2008 verstorbenen Jörg Haider in den 1990er Jahren gehabt hatte. Damals erreichte sie in Wien fast 28 Prozent und bei der Parlamentswahl 1999 über 27 Prozent der Stimmen. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache machte im Wiener Wahlkampf wie sein einstiges Idol Haider vor allem gegen die Zuwanderung von Ausländern Stimmung. Innenpolitisch bleibt die FPÖ mit ihrer Linie isoliert und hat keine Koalitionspartner. Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) sagte, seine Partei habe zu wenig auf die Sorgen der Bevölkerung zu Fragen der Integration gehört. Diese müssten ernst genommen werden, sagte er. "Wir werden aber sicher nicht die Leute gegeneinander aufhetzen", fügte Faymann hinzu.

Als wahrscheinlichstes Bündnis in Wien gilt eine Zusammenarbeit der SPÖ mit der ÖVP wie sie auch auf Bundesebene besteht. "Das wäre die logische Variante", sagte der Politikwissenschaftler Peter Filzmaier. Die ÖVP verlor fast ein Drittel ihrer Stimmen und rutschte auf 13 Prozent ab. Die Grünen fingen sich nach leichten Verlusten bei etwa zwölf Prozent. Der 61-jährige Sozialdemokrat Häupl ist seit 16 Jahren Wiener Stadtoberhaupt. Bei seiner ersten Wahl als Spitzenkandidat 1996 verlor die SPÖ die absolute Mehrheit, konnte sie jedoch bei den Landtagswahlen 2001 und 2005 zurückerobern. Das war auch dem Protest gegen die Bundeskoalition aus Konservativen und Rechtspopulisten zu verdanken gewesen, die von 2000 bis 2006 regiert hatte. Zur Wahl aufgerufen waren rund 1,1 Millionen Wiener. Die Wahlbeteiligung lag bei 57 Prozent.

(Reuters)

Kirgistan erwartet erste Koalitionsregierung

Bei der Parlamentswahl im zentralasiatischen Kirgistan führen nach ersten Auszählungen die am Sturz des autoritären Präsidenten Kurmanbek Bakijew beteiligten Kräfte. Nach dem friedlich verlaufenen Urnengang in der krisengeschüttelten Ex- Sowjetrepublik erhält keine der Parteien die absolute Mehrheit der Stimmen. Das berichteten Medien in der Hauptstadt Bischkek am Sonntagabend nach Schließung der Wahllokale. Alles laufe auf die erste kirgisische Koalitionsregierung hinaus, sagte der Führer der linken Partei Ata Meken (Vaterland), Omurbek Tekebajew. Nach ersten Auszählungen setzten sich vor allem die Sozialdemokratische Partei und Ata Meken unter den insgesamt 29 Parteien durch. Allerdings werden erst am Montag aussagekräftige Ergebnisse erwartet.

Die Wahlbeteiligung in dem Hochgebirgsland an der Grenze zu China lag bei rund 57 Prozent. Ausländische Wahlbeobachter sprachen von einer fairen und freien Wahl mit lebendigem Konkurrenzkampf unter den Parlamentskandidaten. Offen ist allerdings traditionell in dem Land mit seinen festen Clanstrukturen, ob Sieger und Verlierer die Ergebnisse anerkennen - oder ob es zu neuen Unruhen kommt. Viele der 2,8 Millionen Wähler hatten sich nach den vergangenen sechs Monaten mit einem Volksaufstand, Präsidentensturz und blutigen ethnischen Unruhen zwischen Usbeken und Kirgisen nun vor allem Frieden gewünscht. In Kirgistan hatten die Menschen zuletzt auch für die Einführung einer parlamentarischen Demokratie nach deutschem Vorbild gestimmt. Damit wurden die Vollmachten des Präsidenten drastisch eingeschränkt. Diese erste Demokratie in Zentralasien sei ein politischer Leuchtturm in der Region mit ihren autoritär geführten Ländern wie Kasachstan, Usbekistan und Tadschikistan, sagte Parteichef Tekebajew.

(dpa)

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