Süddeutsche Zeitung

Politik kompakt:Neuer Verdacht in Journalisten-Mord

Neue Verdächtige im Mordfall Politkowskaja, der US-Verteidigungsminister befürchtet eine Afghanistan-Niederlage, die Taliban bekennen sich zum Anschlag in Pakistan.

Neue Verdächtige im Mordfall Politkowskaja

Drei Jahre nach dem Mord an der kremlkritischen Journalistin Anna Politkowskaja ermitteln die russischen Behörden angeblich gegen neue Verdächtige. Ins Blickfeld der Justiz seien Männer geraten, die bisher nicht öffentlich genannt worden seien, sagte der Chefredakteur der regierungskritischen Zeitung Nowaja Gaseta, Sergej Sokolow nach Angaben der Agentur Interfax. Politkowskaja, die für die Zeitung auch über Kriegsverbrechen aus der russischen Teilrepublik Tschetschenien berichtet hatte, war am 7. Oktober 2006 vor ihrer Moskauer Wohnung erschossen worden. Täter und Drahtzieher sind auf der Flucht.

Nach Darstellung von Sokolow hält sich der mutmaßliche Mörder in einem Land der Europäischen Union versteckt. Er reise dort frei herum, sagte der Journalist, ohne den Namen oder eine Quelle zu nennen. Die russischen Behörden hatten in der Vergangenheit den Tschetschenen Rustam Machmudow als Täter genannt. Angeklagt waren bisher nur zwei Brüder Machmudows sowie zwei weitere mutmaßliche Komplizen. Das Oberste Gericht Russlands hatte frühere Freisprüche für diese vier Beschuldigten aufgehoben und dann auf Forderungen der Familie Politkowskajas auch die neuen Ermittlungen angesetzt.

US-Verteidigungsminister warnt vor einer Afghanistan-Niederlage

US-Verteidigungsminister Robert Gates hat vor einer Niederlage der internationalen Truppen in Afghanistan gewarnt. Sollten die Taliban "große Teile" des Landes unter ihre Kontrolle bringen, würde dies zu einer Stärkung des Terrornetzwerks al-Qaida führen, sagte Gates. Zwar sei unklar, ob das Terrornetzwerk seine Operationsbasis vom Nordwesten Pakistans zurück nach Afghanistan verlagern würde, sollten die Taliban die Kontrolle über Kabul gewinnen. Eine Niederlage der USA und der Nato wäre aber ein wichtiger "symbolischer Sieg" für al-Qaida. Ein Rückzug der US-Truppen aus Afghanistan sei daher ausgeschlossen. Die US-Außenministerin Hillary Clinton rief im US-Sender CNN dazu auf, die derzeitigen Strategie-Überlegungen von US-Präsident Barack Obama in Ruhe abzuwarten.

Der ehemalige britische Armeechef General Richard Dannatt warf der Regierung in London vor, dieses Jahr eine von der Militärführung geforderte Truppenaufstockung um 2000 Soldaten in Afghanistan abgelehnt zu haben. "Wenn das Militär sagt, dass wir mehr Soldaten brauchen und die auch stellen können, dann sollte sie (die Regierung) diesen Ratschlag auch annehmen", sagte Dannatt der britischen Zeitung The Sun. Derzeit sind etwa 8300 britische Soldaten in Afghanistan im Einsatz. Unterdessen sind bei Kämpfen mit Aufständischen zehn afghanische Soldaten ums Leben gekommen. Im gleichen Zeitraum seien 40 Extremisten getötet worden, teilte das Verteidigungsministerium in Kabul mit. In der östlichen Provinz Nuristan flammten Kämpfe wieder auf, denen am Wochenende acht US-Soldaten zum Opfer gefallen waren.

Drahtzieher der Sauerland-Gruppe ist tot

Der Anführer der Islamistischen Dschihad-Union (IJU), Najmiddin Jalolov, ist laut einer Mitteilung der Terror-Organisation tatsächlich bei einem US-Luftangriff in Pakistan ums Leben gekommen. Berichte zum Tod Jalolovs hatte es schon Mitte September aus pakistanischen Sicherheitskreisen gegeben. Die Bestätigung wurde vom Bundeskriminalamt auf einer Internet-Seite gesichert und am Dienstag beim Prozess gegen die Sauerland-Gruppe im Oberlandesgericht Düsseldorf verlesen. Demnach kündigte die Gruppe Rache für Jalolovs Tod an, der auch als Drahtzieher hinter den Anschlägen der Sauerland-Terroristen gilt.

Bei den im Gericht verlesenen Texten handelte es sich um eine Pressemitteilung der IJU zum Tod ihres Anführers sowie eine Beileidsbekundung. Der auch unter dem Namen Mohammed Fatih bekannte Jalolov sei beim Angriff einer Drohne - eines unbemannten Flugzeugs - gestorben und zum Märtyrer geworden, hieß es darin.

Die Angeklagten identifizierten den auf einem Foto gezeigten Jalolov als "Ahme", den sie bei ihrem Aufenthalt in einem Terror-Camp der IJU kennengelernt hatten. Die vier Angeklagten müssen sich seit April vor Gericht verantworten, weil sie eine deutsche Zelle der IJU gegründet und Anschläge mit Autobomben in Deutschland geplant haben sollen. Die Anklage gegen sie lautet unter anderem auf Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und Vorbereitung eines Sprengstoffanschlags.

Freiburger CDU geht ohne Bewerber in die OB-Wahl

Bei der Wahl des neuen Oberbürgermeisters in Freiburg verzichtet die CDU im kommenden April ganz auf einen eigenen Bewerber. "Wir sehen bei der anstehenden OB-Wahl weder den Bedarf noch die realistische Chance für einen eigenen CDU-Kandidaten", teilte die Partei in Freiburg mit. Eine Wahlempfehlung gab sie nicht ab, betonte aber, die politischen Grundsatzziele der Stadtverwaltung mit Oberbürgermeister Dieter Salomon (Grüne) stimmten mit den Kernpunkten der christdemokratischen Politik "in einem hohen Maße überein". Ein Kreisparteitag soll den Beschluss noch bestätigen.

Die kommunale CDU hatte bei den OB-Wahlen der vergangenen zwei Jahrzehnte nur wenig Erfolg gehabt. Zuletzt hatte im Jahr 2002 Salomon als erster Grüner die OB-Wahl in einer deutschen Großstadt gewonnen. Zur Neuwahl kandidiert neben ihm SPD-Sozialdezernent Ulrich von Kirchbach, auch die "Linke Liste ­-solidarische Stadt" will einen Kandidaten in den Wahlkampf schicken.

Mutmaßlicher ruandischer Kriegsverbrecher verhaftet

Einer der mutmaßlichen Verantwortlichen für den Völkermord in Ruanda ist in der ugandischen Hauptstadt Kampala verhaftet worden. Der ehemalige Geheimdienstchef Idelphonse Nizeyimana war Behördenangaben zufolge auf dem Weg vom Kongo in die kenianische Hauptstadt Nairobi, als er mit falschen Papieren festgenommen wurde. Er sei bereits am Sonntag verhaftet und nach Tansania geflogen worden, sagte ein ugandischer Regierungssprecher. Im tansanischen Arusha ist der Sitz des Internationalen Tribunals für den Völkermord in Ruanda. Nizeyimana stand auf der Fahndungsliste des Tribunals ganz oben. Ihm wird die Organisation des Mordes an zahllosen Tutsi, darunter auch an der Tutsi-Königin Rosali Gicanda, vor 15 Jahren vorgeworfen.

Irak: 16 Menschen bei Anschlag nach Gebet getötet

Bei einem Anschlag im Westen des Irak sind mindestens 16 Menschen getötet und 30 weitere verletzt worden. Nach Angaben von Krankenhausmitarbeitern wurde der Anschlag in der 45 Kilometer westlich von Bagdad gelegenen Stadt Amirijah in der Nähe einer Moschee mit einer Autobombe verübt. Der Sprengsatz explodierte, als die Gläubigen nach dem Abendgebet die Moschee verließen. Amirijah befindet sich in der mehrheitlich von Sunniten bewohnten Provinz El Anbar, die immer wieder Schauplatz von Anschlägen gegen Sicherheitskräfte und Zivilisten ist.

Taliban bekennen sich zu Anschlag auf UN-Gebäude

Die pakistanischen Taliban haben sich zu dem Anschlag auf das Büro des Welternährungsprogramms (WFP) bekannt, bei dem mindestens fünf Menschen ums Leben kamen. Taliban-Sprecher Azam Tariq sagte der Nachrichtenagentur AFP am Telefon: "Der Angriff kam von uns - wir übernehmen die Verantwortung."

Er warf der UN-Organisation vor, Handlanger der USA zu sein. Das WFP schweige zu den Angriffen in Waziristan, sagte Tariq mit Blick auf die Luftangriffe durch US-Drohnen im Grenzgebiet zu Afghanistan, die mutmaßlichen radikalislamischen Aufständischen gelten. Die UN wollen nun sämtliche Büros der Organisation zunächst geschlossen halten, um mögliche weitere Sicherheitsvorkehrungen zu beraten.

Griechischer Spitzenkandidat Papandreou vereidigt

Zwei Tage nach dem Wahlsieg der Sozialisten in Griechenland ist Spitzenkandidat Giorgos Papandreou am Dienstag als neuer Regierungschef vereidigt worden. Papandreou leistete seinen Amtseid vor Athens Erzbischof Hieronymos in Anwesenheit von Staatschef Karolos Papoulias im Präsidentenpalast. Noch im Laufe des Tages wollte der neue Ministerpräsident seine Regierungsmannschaft zusammenstellen. Es wurde erwartet, dass er dem Parlament eine im Vergleich zum 16-köpfigen Kabinett seines Vorgängers Kostas Karamanlis verkleinerte Regierungsmannschaft präsentieren werde.

Amtlichen Angaben zufolge erhielt Papandreous Panhellenische Sozialistische Bewegung (Pasok) bei dem Urnengang am Sonntag 44,9 Prozent, was mit 160 der 300 Sitze einer absoluten Mehrheit im Parlament entspricht. Die Nea Dimokratia (ND) des abgewählten Karamanlis kam dagegen nur auf 33,48 Prozent und damit auf 91 Sitze - das schlechteste Ergebnis der Partei seit ihrer Gründung im Jahr 1974. Laut Verfassung hat Papandreou drei Tage Zeit für die Kabinettsbildung.

Stimmen in Afghanistan werden teilweise neu ausgezählt

Die Neuauszählung eines Teils der Stimmen aus der Präsidentschaftswahl im August in Afghanistan hat begonnen. Diese werde mehrere Tage dauern, sagte der Chef der Wahlkommission, Sekria Baraksai. Mit Ergebnissen könne in der nächsten Woche gerechnet werden. Es werden Stimmen aus rund zehn Prozent der Wahllokale neu ausgezählt.

Laut dem vorläufigen Endergebnis von Mitte September hat der afghanische Staatschef Hamid Karsai bei der umstrittenen Wahl 54,6 Prozent der Stimmen erhalten. Sein Herausforderer Abdullah Abdullah konnte 27,8 Prozent der Stimmen auf sich vereinen. Laut EU-Beobachtern könnten allerdings bis zu 1,5 Millionen der insgesamt 5,5 Millionen Stimmen gefälscht gewesen sein. Die Betrugsvorwürfe führten zu der stichprobenartigen Neuauszählung.

Unicef stellt Bericht zu Kinderrechtsverletzungen vor

Millionen Mädchen und Jungen weltweit sind laut Unicef Opfer von Gewalt, Ausbeutung oder Menschenhandel. Das UN-Kinderhilfswerk stellt in seinem am heutigen Dienstag veröffentlichten Bericht eine erste umfassende Bestandsaufnahme zu Kinderrechtsverletzungen weltweit auf. So müssten 150 Millionen Kinder unter 15 Jahren hart arbeiten und könnten deshalb kaum oder gar nicht zur Schule gehen. Schätzungen zufolge kamen 2007 etwa 51 Millionen Kinder zur Welt, ohne dass ihre Geburt registriert wurde. Mindestens eine Million Kinder sitzen in Gefängnissen - mehr als die Hälfte von ihnen ohne Gerichtsverfahren.

Vor allem Mädchen werden laut Unicef benachteiligt. In mindestens 29 Ländern der Erde seien Mädchen durch die Tradition der Genitalverstümmelung bedroht. Jedes dritte Mädchen in Entwicklungsländern werde als Kind verheiratet. Das Hilfswerk nennt fünf Handlungsschwerpunkte um Kinder besser zu schützen, darunter bessere Schutzmaßnahmen bei Katastrophen, breite Bündnisse zwischen Regierungen sowie bessere Datenerhebungen.

Begrenzter Erfolg bei Iran-Verhandlungen

Die Gespräche mit Iran in der vergangenen Woche in Genf hatten nach Worten von US-Außenministerin Hillary Clinton und Verteidigungsminister Robert Gatesbegrenzten Erfolg. Die Verhandlungen hätten zu drei Abkommen geführt, mit denen die USA etwas Zeit gewinnen, die Seriosität der iranischen Verhandlungsbereitschaft einzuschätzen, sagte Clinton. Die Gespräche der fünf UN-Vetomächte und Deutschlands mit Iran hätten sich gelohnt, da Iran einer Inspektion seiner zweiten Uran-Anreicherungsanlage zugestimmt habe, sagte Clinton. Allerdings müsse viel mehr getan werden.

In der Zwischenzeit würden die USA weiter auf zusätzliche Sanktionen gegen Iran hinwirken, falls das Land sein Atomprogramm nicht zurückschraube. Gates sagte, er sei immer überzeugt gewesen, dass der Iran Atomwaffen entwickeln wolle. Es gebe jedoch die Möglichkeit, dass Teheran überzeugt werden könne, dass die Waffen langfristig kontraproduktiv seien.

Türkei verlängert Mandat für Einsätze im Nordirak

Das türkische Parlament hat den Streitkräften für ein weiteres Jahr Einsätze gegen kurdische Rebellen im Nordirak erlaubt. 452 Abgeordnete in Ankara stimmten für die Verlängerung des Mandats, 23 wagen dagegen. Die Truppen sind gegen Lager der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) im Norden des Nachbarlandes mehrfach mit Luft- und Bodenangriffen vorgegangen. Die letzte größere Bodenoffensive gab es im Februar vergangenen Jahres. Ohne Verlängerung wäre das Mandat am 17. Oktober abgelaufen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.41723
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
AP
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.